Schleswig-Holstein Demenz bei Hunden: Wenn Bobby vergesslich wird
Bobby hat eine beginnende Demenz. Er ist nicht der einzige Hund mit dieser Krankheit. Durch den medizinischen Fortschritt werden die Tiere älter. Das Risiko, an Demenz zu erkranken, ist also höher. Wenn man die Krankheit als solche erkennt, kann man die Hunde gut unterstützen, betont Neurologin Leithäuser.
Wenn Bobby sich im Bach abkühlt, dann braucht er anschließend etwas länger, um herauszuklettern. Bobby ist ein zwölf Jahre alter Labrador. Er ist mit dem Alter langsamer geworden - und hat sich im vergangenen Jahr auch sonst ein bisschen verändert. "Er bleibt öfter stehen, guckt sich um und wartet. Früher hatte er es immer sehr eilig und ging seines eigenen Weges. Jetzt sucht er die Sicherheit", beobachtet sein Halter, Georg Bakos. Bobby hat eine beginnende Demenz, braucht nun viel mehr Halt, Orientierung und Nähe.
Verzögertes Verhalten ist ein Symptom
Diagnostiziert hat die Demenz Bobbys Tierarzt Pasquale Piturru von der Tierklinik Quickborn (Kreis Pinneberg). "Man merkt es an seinem Verhalten. Er reagiert inzwischen ein bisschen verzögert", erzählt er. Einige Menschen würde Bobby inzwischen nicht mehr sofort erkennen, so Dr. Piturru. Das birgt für den Arzt aber auch Vorteile. "Früher hat er mich angebellt, wenn er zur Untersuchung musste. Inzwischen scheint er nicht mehr zu wissen, in welche Schublade er mich einordnen muss und bleibt ruhig."
Toll findet Bobby die Blutabnahme, die an diesem Tag gemacht wird, trotzdem nicht. Er guckt zur Tür, will den Raum verlassen. Georg Bakos krault beruhigend seinen Kopf und redet auf ihn ein, während Pasquale Piturru und seine Kollegin dem Hund Blut abnehmen. "Er bekommt Medikamente gegen seine Schilddrüsenunterfunktion. Da müssen wir regelmäßig prüfen, ob seine Werte in Ordnung sind", erklärt Piturru.
Georg Bakos beruhigt seinen Hund während der Blutabnahme.
"Viele Besitzer wollen Wort 'Demenz' nicht hören"
Tierarzt Pasquale Piturru hat außer Bobby noch einige andere Hunde mit Demenzsymptomen in Behandlung. "Aber viele Besitzer wollen das Wort Demenz nicht hören. Dann sage ich: Ihr Hund ist senil geworden, das wird eher akzeptiert." Gefühlt habe Demenz bei Hunden in den vergangenen Jahren zugenommen. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Tiere eine viel bessere medizinische Unterstützung bekommen und älter werden", so Piturru. Und je älter ein Tier ist, desto höher ist die Gefahr, an Demenz zu erkranken. Laut der Tierärztlichen Hochschule Hannover zeigen ein Drittel der elf- bis zwölf-jährigen Hunde Anzeichen einer Demenz. Bei Hunden zwischen 15 und 16 Jahren sind es demnach sogar 70 Prozent.
Neurologin: Demenz ist Krankheitsbild
Carola Leithäuser, Neurologin an der Tierklinik Norderstedt (Kreis Segeberg), glaubt, dass es deutlich mehr Hunde sein könnten, die an Demenz leiden. "Das Problem ist, dass manche Besitzer - oder auch Tierärzte - das als normalen Alterungsprozess verstehen. Das ist es aber nicht. Es ist schon ein Krankheitsbild", betont sie. Hunde, bei denen Verdacht auf Demenz besteht, werden oft zu ihr geschickt. Die Neurologin klärt dann, ob es sich tatsächlich um die Krankheit handelt - oder ob es sich zum Beispiel um einen normalen Alterungsprozess handelt.
Welche Symptome weisen auf Demenz bei einem Hund hin?
- Desorientierung: Hunde finden nicht mehr zur Tür hinaus oder bleiben hinter dem Sofa stehen.
- Verändertes Sozialverhalten: Sie begrüßen ihren Halter nicht mehr oder verweigern Streicheleinheiten.
- Veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus: Die Tiere sind nachts wach, wollen ständig hinaus.
- Verlust der Stubenreinheit: Hunde machen in die Wohnung.
- Ängstlichkeit: Sie zittern, jaulen oder winseln.
- Veränderte Aktivität: Sie sind bis zur Erschöpfung in Bewegung (Drangwandern).
- Vergessen: Hunde vergessen erlernte Kommandos, können diese nicht mehr ausführen.
Gestörter Tag-Nacht-Rhythmus kann Hinweis sein
Wie aber unterscheidet man einen alten von einem dementen Hund? "Ein alt werdender Hund zeigt keine Verwirrtheit, der weiß immer, wo er ist und was er machen wollte. Ein dementer Hund wirkt oft verwirrt, er vergisst zum Beispiel manchmal, wenn er raus wollte, dass er Wasser lassen wollte. Oder er steht plötzlich vor der falschen Tür und wundert sich, dass es da gar nicht raus geht", berichtet die Neurologin. Oft hätten die Tiere zudem einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus, würden ohne ersichtlichen Grund beginnen, zu bellen oder in die Wohnung urinieren, obwohl das zuvor nie vorgekommen sei.
Demenz ist nicht heilbar
Leidet ein Hund an Demenz, medizinisch Cannies kognitives Dysfunktionssyndrom (CCD), dann verfallen Nervenzellen im Gehirn. Heilbar ist Demenz nicht. Um dem Tier zu helfen, sei es wichtig, die Demenz auch als Demenz zu diagnostizieren, betont Carola Leithäuser. "Was auf jeden Fall positiv zu beeinflussen ist, ist der Verlauf der Erkrankung, also die Progression. Die kann man verlangsamen", so Dr. Leithäuser.
Medikamente können helfen
Dem Hund kann dann zum einen mit Medikamenten geholfen werden. Die können dafür sorgen, dass die Sauerstoffversorgung verbessert, die Durchblutung gefördert und die Gehirnfunktion unterstützt wird. Viele Hunde mit Demenz bekommen aber auch Medikamente gegen andere altersbedingte Erkrankungen, die nicht direkt mit der Demenz zusammenhängen. So bekommt Bobby derzeit kein Medikament gegen seine beginnende Demenz. Seine Arthrose und seine Schilddrüsenunterfunktion, beides Alterserkrankungen, werden aber medikamentös behandelt.
Leichte Herausforderungen wirken gegen Demenz
Aber: Hunden mit Demenz kann man nicht nur mit Medikamenten helfen. "Nicht zu unterschätzen ist auch die körperliche Auslastung, also das Angebot, was man dem Tier macht: Was spielt man mit seinem Hund? Wo geht man spazieren? Fordert man noch leichte Kunststücke?" - All das könne dazu beitragen, dass die Demenz beim Hund weniger schnell fortschreite, so Leithäuser.
Carola Leithäuser schaut regelmäßig auf den an Demenz erkrankten 15 Jahre alten Goofy.
Die Tiere können sich noch freuen
"Hunde mit Demenz können sich auch noch über ihre Besitzer freuen. Sie freuen sich über kleine Spiele, über Gewohnheiten, darüber, spazieren zu gehen - auch wenn alles etwas langsamer und nicht mehr so sprühend ist", so Leithäuser.
Und Tierarzt Pasquale Piturru betont, auch das eigene Verhalten müsse man an den dementen Hund anpassen. "Man kann von dem Hund nicht mehr verlangen, dass er alles so macht, wie er es vorher gemacht hat. Wenn der Hund vorher sehr sportlich gewesen ist und schafft das jetzt nicht mehr, dann muss man das akzeptieren."
"Es ist ein toller Hund geworden"
Bobby hat die Untersuchung für heute überstanden - und ist sichtlich froh, dass er mit Georg Bakos jetzt die Praxis verlassen kann. Der 59-Jährige und seine Frau nahmen Bobby auf, als er drei Jahre alt war. Vorher hatte der Hund keine guten Erfahrungen mit Menschen gemacht. "Mit viel Liebe und viel Erziehung haben wir ihn dann auf den Weg gebracht. Und es ist so ein toller Hund daraus geworden", schwärmt Bakos. Bei jedem Urlaub sei Bobby dabei. Auch wenn das für seinen Halter bedeutet, lange Anfahrten mit Auto und Fähre auf sich zu nehmen. "Er gehört einfach dazu", so Bakos. Auch mit seiner Demenz. "Man weiß ja, dass Dinge endlich sind und auch Leben endlich sind. Es ist natürlich auch ein Stück Wehmut, weil man weiß, dass es in näherer Zukunft leider zu einer Trennung kommen wird", sagt er. Für Georg Bakos ist klar: Er wird seinen Hund begleiten, solange es möglich ist.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 02.01.2025 | 19:30 Uhr