Mario Voigt (CDU, M), Vorsitzender der CDU in Thüringen und Spitzenkandidat, verlässt in einem Fernsehstudio eine Runde der Spitzenkandidaten neben Björn Höcke (AfD), Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen und Spitzenkandidat, und Katja Wolf, Spitzenkandidatin des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen.

Schleswig-Holstein AfD gewinnt erstmals Landtagswahl: Norddeutsche Politiker entsetzt

Stand: 02.09.2024 09:51 Uhr

AfD und BSW gehen als Wahlgewinner aus den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hervor. Teils dramatische Verluste gab es für die Linke, SPD, FDP und die Grünen. Aus Norddeutschland kamen entsetzte Reaktionen.

In Sachsen wird die CDU vor der AfD stärkste Kraft, in Thüringen ist es genau umgekehrt: Dort gewinnt die AfD erstmals die Wahlen zu einem Landesparlament. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreicht aus dem Stand in beiden Bundesländern ein zweistelliges Ergebnis, die SPD verharrt jeweils im einstelligen Bereich. Die Grünen fliegen in Thüringen aus dem Landtag, in Sachsen schaffen sie es knapp über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Linke stürzt in Thüringen um fast 18 Prozent ab. In Sachsen bleibt sie dem Landtag nur durch den Gewinn von zwei Direktmandaten erhalten, wodurch die Fünf-Prozent-Hürde aufgehoben ist. Die FDP ist - wie bereits schon in Sachsen - nun auch in Thüringen nicht mehr im Landesparlament vertreten.

Niedersachsen: Weil nennt Ergebnisse "erschreckend"

Als "erschreckend" hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Ergebnisse der AfD bezeichnet. Es stelle sich die Frage, wie es gelingen könne, diese Wählerinnen und Wähler wieder für Parteien zu gewinnen, die klar auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Es sei "offenkundig", dass das Resultat "weit vom Anspruch der SPD als bundesweiter Volkspartei entfernt" sei, sagte er.

Niedersachsens CDU-Landeschef Sebastian Lechner sieht seine Partei als Gewinner der Landtagswahlen - aber ein "Gewinner-Gefühl" wolle sich angesichts der AfD-Ergebnisse nicht einstellen. Deren Landesvorsitzender, Ansgar Schledde, nannte die Wahlen "eine echte Zeitenwende". Für die Landesvorsitzende der Grünen, Greta Garlichs, ist das Ergebnis eine "Niederlage aller demokratischen Kräfte". Es stelle eine Zäsur in der Geschichte ihrer Partei dar, sagte sie im Gespräch mit NDR Niedersachsen.

Schleswig-Holstein: Hoffnung ruht laut Günther auf CDU

Wahlen in Thüringen und Sachsen: Reaktionen aus SH

Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ruhen die demokratischen Hoffnungen in Sachsen und Thüringen allein auf seiner Partei. Angesichts der schockierend hohen Zustimmung für die AfD und das BSW stünden seine Kollegen in den beiden Bundesländern jetzt vor der großen Herausforderung, in dieser schwierigen Situation handlungsfähige Regierungen zu bilden, sagte er. Nach Ansicht der Grünen-Vorsitzenden Anke Erdmann müssen sich nach den Landtagswahlen stabile Koalitionen jenseits der AfD finden.

Für SPD-Fraktionschefin Midyatli ist das Abschneiden ihrer Partei "keine wirkliche Überraschung, aber trotzdem insgesamt mehr als ernüchternd". Zudem müsse die hohe Zustimmung für die AfD in beiden Ländern ein Weckruf an alle demokratischen Kräfte sein, sagte sie. Schleswig-Holsteins FDP-Vorsitzender Oliver Kumbartzky nannte das Abschneiden seiner Partei "erschreckend", aber erwartbar. AfD-Landessprecher Kurt Kleinschmidt sagte, dass aus seiner Sicht "hervorragende Wahlprogramm" sei für das gute Abschneiden der Partei verantwortlich. Es handle sich bei den Wählern nicht um Protestwähler - die AfD habe ein festes Potential, das sogar noch wachse.

Mecklenburg-Vorpommern: Schwesig sieht SPD bei Minimalziel

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig bezeichnete die Ergebnisse als "erschreckend". "Es ist für alle Demokraten ein schlimmes Ergebnis, wenn eine als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei stärkste Kraft in Thüringen ist", sagte sie. In Sachsen habe sich hingegen gezeigt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in schwierigen Zeiten hinter dem Ministerpräsidenten sammeln. Die SPD hätte ihr Minimalziel in beiden Bundesländern erreicht. Laut einer der beiden Landesvorsitzenden der Grünen, Katharina Horn, müssten beide Landtagswahlen "allen Demokratinnen und Demokraten zu denken geben".

Von einem "riesigen Erfolg" sprach AfD-Landeschef Leif-Erik Holm. Selbstbewusst gab sich auch der Vorsitzende des CDU-Landesverbandes, Daniel Peters. Seine Partei sei "im Osten die letzte verbliebene Volkspartei", erklärte er. An den Christdemokraten werde es liegen, in Thüringen und Sachsen Regierungen zu bilden. Der Chef der Linken im Nordosten, Hennis Herbst, zeigte sich mit Blick auf den Machtverlust in Thüringen enttäuscht. FDP-Landesgeneralsekretär David Wulff nannte das doppelte Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde besorgniserregend.

Hamburg: "Ein bitterer Schlag" für die Grünen

In Hamburg versammelten sich am Sonntagabend mehrere Hundert Menschen, um gegen den Rechtsruck und die AfD zu demonstrieren. Ein Teil der Demonstrierenden startete im Schanzenviertel, ein anderer am Jungfernstieg in der Innenstadt. Sie zogen zur AfD-Parteizentrale an der Schmiedestraße.

Nils Weiland, einer der beiden SPD-Vorsitzenden in Hamburg, bezeichnete das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten im Hamburg Journal des NDR Fernsehens als "ziemlich gruselig". Die Grünen-Chefin in Hamburg, Maryam Blumenthal, sagte: "Für uns ist das heute Abend ein bitterer Schlag." Aber auch für die gesamte Demokratie seien die Wahlergebnisse eine Zäsur. Die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende in der Hamburgischen Bürgerschaft, Anke Frieling, sagte dem Hamburg Journal, ihre Partei sei die einzige gewesen, die sich in einem schwierigen Umfeld behauptet habe.

Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechts halten ein Banner mit der Aufschrift «Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!».

Unter dem Motto "Ob Thüringen oder Hamburg: Kein Fußbreit der AfD!" hatte das Hamburger Bündnis gegen Rechts zu einer Demonstration in der Innenstadt aufgerufen.

Der Landesvorsitzende der Linken, Thomas Iwan, bezeichnete das Ergebnis der Landtagswahlen insgesamt als "super bitter". AfD-Chef Dirk Nockemann fand es hingegen "sehr erfreulich". Der stellvertretende Vorsitzende der Hamburger FDP, Andreas Moring, nannte die Wahlergebnisse seiner Partei "mies - da gibt es auch nichts dran rumzudeuteln."

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NDR Info | 02.09.2024 | 00:00 Uhr