Schleswig-Holstein Neues Kita-Gesetz in Schleswig-Holstein: Was ändert sich?
Die Liste der Baustellen im Kita-Bereich ist lang. Das Land will einige davon mit dem neuen Gesetz abarbeiten. Für Auseinandersetzungen sorgen die Pläne nach wie vor. Ein Überblick über Argumente und Auswirkungen.
Nach einer Stunde ist die Debatte im Landtag erst einmal unterbrochen: Die Wellen sind derart hoch geschlagen, dass der Ältestenrat zusammenkommen muss. Eine Abgeordnete hatte im Eifer des Gefechts die falschen Worte gewählt.
Das Thema Kita ist emotional, und die Reform ist viel diskutiert worden. Wie erfolgversprechend sie ist, darüber gibt es nach wie vor unterschiedliche Meinungen: Während die zuständige Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) sagt, man habe "die Zukunft unseres Kita-Systems auf neue Beine gestellt", spricht Oppositionsführerin Serpil Midyatli (SPD) von "Mängelverwaltung."
Änderungen bei Personalquoten, keine bei Elternbeiträgen
Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Kitas in Randzeiten von der starren Fachkräfte-Quote abweichen können. Damit will das Land dafür sorgen, dass Kitas seltener die Öffnungszeiten verkürzen oder schließen müssen. Die Elternbeiträge werden nicht erhöht, aber auch nicht gesenkt.
Eine Finanzierungslücke im System von 110 Millionen Euro sieht das Land mit dem Gesetz geschlossen. Die Kita-Reform soll Anfang des kommenden Jahres in Kraft treten.
Die wichtigsten Fragen zur Kita-Reform
Die Jamaika-Vorgängerregierung aus CDU, Grünen und FDP hatte mit ihrer großen Kita-Reform das Ziel verfolgt, die Eltern bei den Beiträgen zu entlasten, die Kommunen zu unterstützen und die Qualität der Betreuung zu verbessern. Einige Jahre später gibt es weiterhin Probleme: Die hat im Februar der Evaluationsbericht zum Kita-Gesetz offengelegt. Unter anderem gibt es demnach Schwierigkeiten, den Betreuungsschlüssel umzusetzen - was zu kürzeren Öffnungszeiten oder sogar Schließungen führt. Hier soll die Reform helfen.
Die Frage der Betreuungsqualität wird kontrovers diskutiert: Eigentlich wollte das Land die Qualität erhöhen, also mehr Fachpersonal einsetzen. Das wird nicht passieren. Denn einerseits ist der Personalmarkt in diesem Bereich ohnehin schon maximal angespannt, andererseits fehlt das Geld. Stattdessen soll das Personal in Kitas flexibler eingeplant werden können, soll heißen: In Randzeiten etwa müssen nicht mehr zwingend zwei Fachkräfte da sein. Den Kitas soll das den Druck nehmen - gleichzeitig soll es Schließungen wegen Personalmangels verhindern. Die Landeselternvertretung befürchtet, dass der geringere Betreuungsschlüssel die Qualität der Betreuung verschlechtert, Bildungs- und Beziehungsarbeit dabei zu kurz kommen.
Geringere Kosten jedenfalls nicht: Eigentlich wollte schwarz-grün die Elternbeiträge weiter senken. Die knappe Haushaltslage verhindert das nun. Immerhin: Steigen sollen die Beiträge auch nicht. Und: Das Land verspricht mehr Verlässlichkeit bei den Kitas. Zuletzt sah die Realität in Kitas oft so aus, dass bei Krankheitswellen Betreuungszeiten eingeschränkt wurden oder teilweise die Kita komplett geschlossen werden musste. Das soll mit dem abgesenkten Betreuungsschlüssel künftig verhindert werden. Inwieweit das gelingt, muss sich erst noch zeigen.
Der Paradigmenwechsel beim Betreuungsschlüssel soll Druck von den Kita-Beschäftigten nehmen. Sie waren es in der Vergangenheit, die Schließungen oder eingeschränkte Betreuungszeiten vor Eltern rechtfertigen mussten. Die Flexibilität soll ihnen mehr Gestaltungsspielraum geben, den Mangel zu organisieren. Der andere Punkt: "Zu viel Bürokratie - zu wenig Arbeit am Kind", so lautete die Kritik von Kitaleitungen oft. Diese Dokumentationspflichten sollen künftig erleichtert werden. Dafür wird die Software des Kitaportals gerade aktualisiert. Daten sollen dann unkomplizierter eingegeben und direkt überprüft werden können.
Unklar. Städte, Kreise und Gemeinden sollen entlastet werden. Heißt konkret: Die Finanzierungslücke im Kita-Bereich von 110 Millionen Euro soll geschlossen werden. Einen Teil davon - jeweils 20 Millionen Euro - nehmen Land und Kommunen zusätzlich in die Hand. Die verbleibenden 70 Millionen Euro will das Land einsparen, indem die Personalkosten sich stärker an der tatsächlichen Zahl der Stellen orientieren - denn häufig können in den Kitas nicht alle besetzt werden. Die Kommunalverbände sehen es anders: "Das Ziel einer dringend erforderlichen und nachhaltigen Entlastung der Kommunen ist durch das jetzt beschlossene Gesetz nicht erreicht worden." Mit Blick auf die verbleibenden 70 Millionen Euro sagen sie: "Für den Rest wird das Risiko allein auf die kommunale Ebene verlagert."
Vielleicht - aber wenn, dann erst später. Ministerin Touré will "Ruhe" im Kita-System, die Reform soll erst einmal ihre Wirkung entfalten. Allerdings soll in den kommenden zwei Jahren genau beobachtet werden, wie die Maßnahmen wirken. Erst danach wolle man "nachsteuern, wenn notwendig, und auch bewusst in einer Zeit, wo wir auch noch politische Verantwortung selbst tragen", so Touré. Den wahren Praxischeck, so formulierte es Oppositionsführerin Midyatli heute, machten die Eltern.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 20.11.2024 | 14:00 Uhr