Schleswig-Holstein Long-Covid und ME/CFS: Anhörung nimmt Betroffene in Fokus
Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie befasst sich der Landtag erneut mit den Langzeitfolgen. Im Sozialausschuss in Kiel berichten unter anderem Mediziner über die aktuelle Situation von Menschen, die an Long Covid und der sogenannten ME/CFS Erkrankung leiden.
Husten, Verlust des Geruchssinns, langanhaltende Erschöpfung, Herzrasen, Schwindel oder Muskel- und Gelenkschmerzen - die Symptome sind bei den Patienten sehr unterschiedlich. Professor Dr. Jan Heyckendorf von der Post-Covid Ambulanz am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) sagt, es sei sehr schwer, den Patienten gerecht zu werden, und es dauere zum Teil mehrere Stunden, um überhaupt zu verstehen, was das Problem ist.
Etwa 30 bis 35 Menschen stellen sich pro Woche in der Long-Covid-Tagesklinik am UKSH vor. "Das ist eine Vollauslastung, etwa 500 Menschen warten auf der Warteliste", so Heykendorf.
Viele junge Menschen von Long Covid betroffen
Wie viele Menschen in Schleswig-Holstein tatsächlich an Long Covid oder ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) leiden, ist unklar. Die Mediziner sprechen von mehreren Tausend. Unter ihnen auch viele junge Menschen. Konkrete Zahlen gibt es nicht.
Professor Dr. Stefan Schreiber, Leiter der Klinik für Innere Medizin am UKSH in Kiel ergänzt, es gebe drei Gruppen, in die die Patienten eingeteilt werden. Die erste Gruppe umfasse Menschen, die leicht erkrankt sind, die zweite Gruppe, Menschen, die ganz klar schwer krank sind und bei denen die Erkrankung auch mit Covid in Zusammenhang steht. Und dann gebe es die dritte Gruppe: Patienten, bei denen die Ursache nicht mit einer Corona-Infektion in Zusammenhang steht. Da gelte es zu sortieren, damit die Patienten auch die Behandlung bekommen, die sie benötigen.
"Wir haben auch nicht die Wundertablette"
Professor Dr. Jan Heykendorf betont im Sozialausschuss, bei SarsCov2 und den Folgeerkrankungen sei man ganz am Anfang. Es sei eine große Herausforderung, herauszufinden, welcher Patient von welcher Therapie profitiert. "One size fits all funktioniert nicht!" Sein Kollege Schreiber ergänzt: "Wir haben auch nicht die Wundertablette. Das macht eine gewisse Unzufriedenheit bei den Patienten. Die wird immer da sein und ist nicht vermeidbar." Umso wichtiger ist es seiner Ansicht nach, dass man sich vernetzt und interdisziplinär arbeitet.
Großes Leid für die Betroffenen von ME/CFS
Besonders schwer betroffen sind Menschen, die an einer sogenannten ME/CFS-Erkrankung leiden. Rund 200 Symptome wurden inzwischen bei dieser Erkrankung gezählt, berichtet Wolfgang Ries, vom Diako Krankenhaus in Flensburg. Dazu zählen Herzrasen, Geräusch- und Lichtempfindlichtkeit, Belastungsintoleranz, starke Schmerzen und Schlafstörungen. "Das sind zum Teil sehr quälende Symptome", so Ries. Ein Problem sieht er in der Versorgung dieser Patienten.
"Hausärzte wissen auch nicht, was sie damit anfangen sollen"
Viele der Betroffenen haben laut Ries Schwierigkeiten, einen Arzt zu finden, der sie behandelt. In den Hausarztpraxen fehle oft schlicht die Zeit, sich um die Patienten angemessen kümmern zu können. Laut Ries sind 75 Prozent der ME/CFS-Erkrankten dauerhaft arbeitsunfähig, 25 Prozent seien ans Haus gebunden und häufig pflegebedürftig. "Viele dieser Menschen haben monatelang keine Dusche mehr gehabt, keine Haare mehr gewaschen bekommen, weil sie es einfach nicht mehr aushalten." Viele sagten, dass man ihnen nicht glaube und psychische Gründe hinter den Symptomen vermute, so Ries. Das Hauptproblem: "Die Hausärzte wissen auch nicht, was sie damit anfangen sollen."
Er fordert Einrichtungen, die für die Erkrankten passen. Die gebe es bundesweit nicht. Da müsse dringend mehr getan werden, so Ries. "Wir brauchen mehr Leute, die diese Krankheit kennen, da ist noch sehr viel Luft nach oben." Selbst Reha-Maßnahmen seien vielfach nicht geeignet, weil die Patienten zu schwer betroffen sind.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 16.01.2025 | 17:00 Uhr