Todendorf: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r-l), Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, und Ingo Gerhartz (l), Inspekteur der Luftwaffe, nehmen an der feierlichen Indienststellung des Luftverteidigungssystems IRIS- T SLM in der Kaserne Todendorf teil.

Schleswig-Holstein Neues Luftverteidigungs-System: Scholz und Pistorius in Todendorf

Stand: 04.09.2024 16:50 Uhr

Im schleswig-holsteinischen Bundeswehrstandort Todendorf haben Bundeskanzler Scholz und Bundesverteidungsminister Pistorius ein hochmodernes Luftverteidigungssystem in den Dienst gestellt. Es soll der europäischen Sicherheit dienen.

"Hier in Todendorf nimmt heute ein neues Kapitel der europäischen Luftverteidigung Gestalt an", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Bundeswehrstandort in Todendorf im Kreis Plön. Zusammen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nahm er symbolisch das Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM in Betrieb. Die Technologie sei weltweit führend, überall stark nachgefragt und biete lebenswichtigen Schutz - zum Beispiel ganz aktuell für die Ukrainer, betonte Scholz. Und weiter: Es sei nicht irgendein Projekt, es gehe um die Wahrung von Sicherheit und Frieden in Europa.

Pistorius spricht von Zukunftsstandort Todendorf

Scholz machte deutlich, dass es Deutschland um Abschreckung gehe. "Es geht uns darum, den Frieden zu sichern und den Krieg zu verhindern." In der Ukraine habe sich das System als Schutzwall erwiesen. Deutschland habe Interesse daran, dass in Europa viele über die gleiche Technik verfügen.

Dass diese Technik in Deutschland gebaut werde, mache ihn stolz, sagte Verteidigungsminister Pistorius. Er sprach vom "Zukunftsstandort Todendorf" und einer "gelebten Zeitenwende". "Wir füllen eine wichtige Lücke, was unsere Luftverteidigungs-Fähigkeit angeht." Pistourius betont, dass alle Hand in Hand und in Rekordgeschwindigkeit gearbeitet hätten - seit Anfang August würde das erste von sechs IRIS-T-Systemen in Todendorf auf dem Hof stehen.

Indienststellung des Luftverteidigungssystems IRIS- T SLM in der Kaserne Todendorf teil.

Am Bundeswehrstandort Todendorf befindet sich bundesweit das erste Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM.

System bietet Schutz auf 200 Quadratkilometern Fläche

Das neue Luftverteidigungssystem am Standort der Flugabwehrraketengruppe 61 an der Hohwachter Bucht besteht unter anderem aus drei Lkw, die mit Raketenwerfern bestückt sind. Zusätzlich gibt es einen Lkw mit Radarsystem und einen Feuerleitstand - insgesamt also fünf Laster. Damit sollen künftig feindliche Drohnen, Flugzeuge, Hubschrauber oder Marschflugkörper auf einer Fläche von 200 Quadratkilometern abgefangen werden können, teilte die Bundeswehr mit.

Es ist für die Bundeswehr das erste Exemplar seiner Art und ergänzt die bereits vorhandenen Luftabwehrsysteme vom Typ Patriot mit mittlerer Reichweite. Fünf weitere sind laut Kanzler Scholz bestellt. Das Ziel: eine effektivere deutsche Luftverteidigung. Vier dieser Waffensysteme und drei verwandte Systeme hatte die Bundesregierung bereits in die Ukraine zur Abwehr von russischen Angriffen mit Drohnen und Marschflugkörpern ausgeliefert. Das System "rettet dort täglich Leben", sagte Luftwaffenchef Ingo Gerhartz im September 2023.

Beim Ortstermin in Todendorf sagte Bundeskanzler Scholz, dass von der Ukraine aus mehr als 250 russische Marschflugkörper, Drohnen und Raketen damit abgeschossen und so zahlreiche Menschenleben gerettet worden sein. Die Trefferquote liege bei mindestens 95 Prozent. Bundeskanzler Scholz sagte der Ukraine bei dem Termin am Mittwoch weitere Flugabwehrsysteme zu. Insgesamt 17 Systeme von IRIS-T SLM und SLS seien verbindlich für die Ukraine bestellt, sagte der SPD-Politiker.

Ausbildung für Soldaten aus verschiedenen Nationen

Das bodengestützte Waffensystem wurde im Rahmen der durch Bundeskanzler Scholz ausgerufenen "Zeitenwende" aus dem Sondervermögen der Bundeswehr beschafft. Ein einziges IRIS-T SLM kostet 140 Millionen Euro. Laut Verteidigungsministerium ist es ein wichtiger Schritt bei der Schaffung des europäischen Raketenabwehrschilds "European Sky Shield Initiative" (ESSI). Vier dieser Waffensysteme und drei verwandte Systeme hatte die Bundesregierung bereits in die Ukraine zur Abwehr von russischen Angriffen mit Drohnen und Marschflugkörpern ausgeliefert.

In Todendorf sollen von 2026 an Soldaten aus 19 Nationen an dem Flugabwehrsystem ausgebildet werden. Schon jetzt werden in dem Ausbildungszentrum ukrainische Soldaten geschult. Für die technische Betreuung ist das Rüstungsunternehmen und IRIS-T-Hersteller Diehl Defence zuständig, Spezialisten der Luftwaffe übernehmen das taktische Training.

Das Bild zeigt, wie das Luftabwehrsystem der Iris-T SLM in drei Schritten aufgebaut ist: 1. Radareinheit, 2. Leitstand, 3. Raketenwerfer

Diese Grafik zeigt, wie das Luftabwehrsystem IRIS-T SLM in drei Schritten aufgebaut ist.

Die Abkürzung IRIS-T steht für "Infra Red Imaging System Tail". IRIS-T SLM ist ein Luftabwehrsystem. Es ist laut Bundesregierung das modernste Flugabwehrsystem Deutschlands. Dem Hersteller zufolge bietet es Schutz vor Angriffen durch Flugzeuge, Hubschrauber, Marschflugkörper und Kurzstreckenraketen.

IRIS-T-SLM bekämpft Drohnen oder Flugzeuge in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern und einer Höhe von bis zu 20 Kilometern. Eine Feuereinheit besteht aus dem Gefechtsstand, einem Radargerät mit 250 Kilometern Reichweite und mehreren Startgeräten zum Verschießen der Lenkflugkörper. Sie haben einen Infrarot-Suchkopf und fliegen mit GPS-Satellitennavigation mit dreifacher Schallgeschwindigkeit Richtung Ziel.

Es kann mehrere Ziele gleichzeitig bekämpfen. Laut Bundeswehr sorgt ein zusätzlicher Raketenmotor für eine schnelle Beschleunigung. Die Lenkflugkörper sollen extrem manövrierfähig sein. Ein Ausweichen oder Auskurven ist laut Bundeswehr nahezu unmöglich.

Es handelt sich um Luftabwehr "made in Germany". Hergestellt wird IRIS-T durch den deutschen Rüstungskonzern Diehl Defence mit Sitz im baden-württembergischen Überlingen. Das Radar kommt vom bayerischen Partner Hensoldt, die Gefechtssoftware von Airbus. 

Ein IRIS-T kostet 140 Millionen Euro. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte im Juni 2023 die Beschaffung von sechs Feuereinheiten und zugehöriger Lenkflugkörper für die Bundeswehr gebilligt. Dafür wurden insgesamt bis zu 950 Millionen Euro aus Mitteln des Sondervermögens für die Bundeswehr bereitgestellt.

An dem schleswig-holsteinischen Standort ist ausreichend Platz für Gebäude und Know-How für Übungen vorhanden. Bisher war dort das System MANTIS stationiert. Es wurde an die Slowakei abgegeben. In Todendorf werden in einem Ausbildungszentrum die Soldaten außerdem künftig an dem System ausgebildet werden.

Das System hat sich laut Verteidigungsministerium bereits im Ukraine-Krieg bewährt. Deutschland hatte der Ukraine seit Oktober 2022 vier solcher Systeme geliefert und acht weitere zugesagt. Das System ist neben Deutschland auch in Estland, Litauen und Slowenien einsatzbereit. Vier weitere Länder beraten über die Anschaffung von IRIS-T SLM.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 04.09.2024 | 08:00 Uhr