Thüringen Bürgeler Café nach Schicksalsschlag wieder geöffnet
Ein Unfall hat das Leben der Bürgeler Café-Betreiberin Daggi Posse von jetzt auf gleich verändert. Vor zwei Monaten verlor sie ihren geliebten Ehemann und Mitstreiter im Café "Petit Cockette", sie selber wurde bei dem Unfall schwer verletzt. Doch Aufgeben ist nicht ihr Ding - seit dieser Woche steht sie wieder im Café und verwöhnt ihre Gäste mit selbst gebackenen Torten.
Wenn sie von ihrem Café spricht, fangen ihre Augen an zu leuchten. Und das, obwohl sie zwei Monate nach einem schweren Unfall doch noch etwas mitgenommen aussieht. Auf die Frage, wie es ihr geht, antwortet Daggi Posse: "Ist okay!" Die Familie sei da und das helfe unheimlich. Außerdem seien da noch die Gäste im Café, vor allem die Stamm-Gäste.
Ich versuche einfach, so weiter zu machen, wie wir gemeinsam aufgehört haben. Das ist nicht einfach, aber das geht. Daggi Posse | Café-Betreiberin aus Bürgel
Vor ihrer Wiedereröffnung im Café sei sie übelst aufgeregt gewesen, sagt Daggi Posse. Vor allem die Angst, dass keiner kommt und sie alle vergessen hätten, habe sie umgetrieben. Aber ganz im Gegenteil: Das Café ist an den beiden ersten Öffnungstagen voll besetzt. "Es war unglaublich!"
Demütig und ergriffen sei sie gewesen von all der Anteilnahme, die ihr entgegengebracht wurde. So viele Blumen habe sie bekommen, sie habe gar keine Vase mehr im Café gefunden.
Es passiere jeden Tag, in jeder Familie etwas, aber die Reaktionen der Gäste seien umwerfend gewesen. "Selbst die Kinder kamen hinter den Tresen gerannt und haben sich gefreut, dass ich wieder da bin", sagt die 60-Jährige.
Noch Tage danach hallt all das in ihr nach. Sie könne es kaum begreifen. Die initiierten Spendenaktionen für sie haben Daggi Posse fast sprachlos gemacht. Das sei eine riesige Hilfe gewesen, denn jetzt sei sie allein und müsse auch alles allein stemmen.
Ich bin so demütig und so ergriffen von dieser Anteilnahme. Und das hilft auch ungemein über diese Zeit hinweg. Daggi Posse | Café-Betreiberin aus Bürgel
An den Unfall in Dresden kann sich Daggi Posse selbst nicht erinnern. Nur an die Schnauze der großen, gelben Straßenbahn. "Er war sofort tot". Uwe, ihr Mann, saß am Steuer. Alle Versuche, ihn zu reanimieren, waren erfolglos.
Sie selbst kam schwer verletzt ins Krankenhaus: doppelter Beckenbruch, Kieferbruch, auch Schlüssel- und Brustbein waren gebrochen. Aber schon nach dem dritten Tag auf Station habe sie es im Bett nicht mehr ausgehalten. Sie wollte heim, raus aus der Dresdner Uniklinik, nach Hause nach Schwarzbach.
Ich wollte nach Hause. Ich habe gesagt: Ihr könnt kein Dorfkind einsperren. Und nach einer Woche habe ich mich selber entlassen. Daggi Posse |
Ihr gewohntes Umfeld und ihre beiden Hunde helfen Daggi Posse, den Alltag zu meistern. Jeden Tag geht sie ihre Strecken mit den Tieren, auch wenn es noch etwas langsam geht. Die Tochter wohnt gleich nebenan. Sie sei eine große Stütze, vor allem was das Organisatorische und Finanzielle angeht.
Immer wieder kommt mit einem Schlag der "Trauer-Hammer"
Und dann komme immer wieder mal so ein "Trauer-Hammer" - mit einem Schlag. Es sei schwer, damit umzugehen. Dann sucht sie sich etwas, das ablenkt.
Zwei Monate nach einem Schicksalsschlag hat das Bürgeler Café wieder geöffnet.
Als kreativer Kopf fällt die Suche nach Beschäftigungen eigentlich nicht schwer: Sie strickt, bastelt oder steht an der Staffelei im Wintergarten und malt ihre geliebten Bilder. Und gebacken habe sie, "wie eine Irre".
32 gemeinsame Jahre - davon 23 Jahre verheiratet. Am meisten vermisse sie das gemeinsame Lachen, sagt Daggi. Und wie ihr verstorbener Mann immer die Fliege - sein Markenzeichen - am Hemdkragen richtete. Das habe sie lebhaft vor Augen und das werde auch so bleiben.
Lebendige Erinnerungen an langjährigen Partner
Sie wünsche wirklich jedem Menschen auf dieser Erde, dass er so einen Partner findet, mit dem das so hinhaut, sagt sie. Er fehle, aber er sei immer noch hier - er sei nicht weg. Im Frühjahr möchte sie ihn im eigenen Garten am Haus in Schwarzbach begraben, dann wenn das Wetter wieder schöner ist. Es sei jetzt möglich, die Asche von Verstorbenen in den Wurzelballen eines Baumes geben zu lassen. Ein Kirschbaum soll es werden.
Ich darf ihn jetzt im Garten begraben. Es gibt die Möglichkeit, die Asche in einen Baum geben zu lassen. Ich habe einen Kirschbaum ausgesucht - das ist wirklich schön. Daggi Posse | will ihren Mann im Frühjahr zu Hause beerdigen
Ihr Café "Petit Cockette" öffnet sie schon jetzt zu altbewährten Zeiten. Immer dienstags und mittwochs sowie am Wochenende. Über Weihnachten und Neujahr gibt es ein paar Einschränkungen. So steht sie am vierten Advent nicht hinter ihrem Tresen, sondern wird auf dem Weihnachtsmarkt in Beulbar ihre kreativen Produkte verkaufen, allen voran ihre Bilder.
Im nächsten Jahr will Daggi Posse auch ihr Lese-Café weiterführen (Archivfoto).
Am Zweiten Weihnachtsfeiertag und Neujahr werde sie ihr Café öffnen, schon jetzt seien Reservierungen eingegangen. Und im nächsten Jahr will Daggi Posse auch ihr so genanntes Lese-Café weiterführen. Monatlich sind Autoren geladen, im Café aus ihren Werken zu lesen. Die ausgefallene Lesung mit dem bekannten Krimi-Autor Hans Thiers soll nachgeholt werden.
MDR (caf)