Thüringen "Das sind Verbrecher hier": Mieter in Hartmannsdorf im Winter ohne Heizung - Vermieter abgetaucht
Als Mieter nichts falsch machen, immer pünktlich zahlen - und trotzdem in der Kälte sitzen. Undenkbar? In Hartmannsdorf bei Eisenberg offenbar nicht mehr. Dort gibt es große Schwierigkeiten mit einer Reihe von Wohnblöcken - für Mieter, Versorger und die gesamte Gemeinde.
Kurz vor 10 Uhr steht eine kleine Gruppe vor dem Haus Am Raudabach Nummer 7. "Ja, jetzt ist sie abgestellt. Die Heizkörper sind noch etwas warm. Aber bald werden sie kalt sein", sagt Gitta Hahnemann. Auf 54 Quadratmetern wohnt sie hier schon viele Jahre, aktuell für 394 Euro. Inklusive Nebenkosten. Macht eine Warmmiete von etwa 7,30 Euro pro Quadratmeter.
Und trotzdem ist die Heizung abgestellt worden. Zu hoch die Forderungen, die der Eigentümer der Wohnblöcke, zu denen auch die Nummer 7 gehört, offenbar nicht beglichen hat.
Hier wohnt Gitta Hahnemann in Hartmannsdorf.
Viele Fragezeichen zum Vermieter
Wer der Vermieter ist, weiß hier niemand. "Die Gebäude sind nach der Wende x-mal weiterverkauft worden", sagt Martin Bierbraucher, Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft. Auch die Hausverwaltungen seien immer wieder ausgetauscht worden. Derzeit ist ein Jenaer Unternehmen beauftragt, das auf Nachfrage von MDR THÜRINGEN sagt, man dürfe den Eigentümer nicht offenbaren und ansonsten keine Auskunft geben.
Aus Schreiben, die der Gemeinde vorliegen und die MDR THÜRINGEN einsehen konnte, geht hervor, dass die eingesetzte Verwaltung nur die unterste Ebene ist. Offenbar gehören die Gebäude in Hartmannsdorf zu einem größeren Immobilienbestand in der gesamten Republik.
Wärme, Wasser, Müll - nichts wird mehr bezahlt
Die Konten, von denen auch Wärme und Wasser bezahlt wurden, waren zuletzt offenbar nicht mehr ausreichend gedeckt. "Auch die Müllgebühren und die Grundsteuer sind nicht mehr bezahlt worden", sagt Bürgermeister André Böhme (Heimatverein). Immerhin, das mit dem Müll habe man regeln können, auch damit der Straßenzug nicht noch mehr verschmutzt.
Eines der Gebäude ist eingezäunt, Büsche und Bäume wurden schon lange nicht mehr beschnitten, das Gras steht hoch. Zerschlagene Scheiben, verrammelte Türen. "Da hausen auch immer mal wieder Leute drin, wahrscheinlich kommen sie mit Leitern rein", berichtet der Bürgermeister. Immerhin ist das Erdgeschoss komplett mit Metall- oder Holzplatten vernagelt.
Der Hartmannsdorfer Bürgermeister André Böhme hat nur wenig Mittel, mit denen er helfen kann. Die Gemeinde ist weder Mieter noch Vermieter. Aber er hilft, die Mieter aufzuklären und wirft sich in die Spur, um für die Betroffenen andere Wohnungen aufzutreiben. Zur Not außerhalb von Hartmannsdorf.
Mehr als 200 Wohnungen sind es hier, die beiden leeren Gebäude eingerechnet. Wie viele hier in den drei übrigen Häusern genau wohnen, ist nicht ganz klar. Etwas mehr als 50, schätzt der Bürgermeister. In denen wird es nun ungemütlich.
Und dann krabble ich unter die Decke. Gitta Hahnemann |
"Ich habe einen Heizkörper, so einen kleinen Ölradiator. Der kostet eine Menge Strom. Und dann krabble ich unter die Decke", sagt Anwohnerin Hahnemann. So etwas hat das Ehepaar Schröder in seiner Wohnung noch nicht. "Aber das wird wohl jetzt anstehen. Dann müssen wir natürlich für Strom mehr bezahlen."
Mindestens 80 Prozent Mietminderung sind möglich
Immerhin, die Miete dürfen die Bewohner jetzt radikal kürzen. Das haben sie vom Mieterschutzbund Gera und Umgebung erfahren, dessen ehrenamtlicher Berater Dietmar Rauh vor Weihnachten im Dorfgemeinschaftshaus war. Mindestens um 80 Prozent, so sagen sie hier untereinander. Es gibt auch Gerichtsurteile, die in einem solchen Fall bis zu 100 Prozent Mietminderung für rechtens erklärt haben.
Fernwärme liegt im Gebäude nicht an, aber es gibt einen Wärmedienstleister aus Magdeburg, die Firma Getec. Von der hängt im Dezember das Schreiben in den Häusern, in dem das Abdrehen der Wärme für den 7. Januar angekündigt wird. Wegen der nicht beglichenen Forderungen an den Vermieter.
"Es gibt ja auch schon lange keine Nebenkosten-Abrechnung mehr", sagt Gitta Hahnemann. Für sie sei das in Ordnung gewesen. "Ich hatte meistens eine Nachzahlung." Aber wer besonders viel eingespart hat, bekam nichts zurück.
Wir bewegen uns bei den nicht pünktlich bezahlten Beiträgen im fünfstelligen Bereich. Michael Kieslich | Zweckverband Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Eisenberg
Im Raum stand auch, dass der Zweckverband Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Eisenberg (ZWE) das Wasser abdreht. Das ist vorerst kein Thema mehr.
"Wir bewegen uns bei den nicht pünktlich bezahlten Beiträgen im fünfstelligen Bereich", sagt Verbandsvorsitzender Michael Kieslich (CDU), im Hauptamt Bürgermeister der nahen Kreisstadt Eisenberg. Normalerweise reagierten die meisten Schuldner auf die erste Mahnung, spätestens die zweite Mahnung mit Androhung der Abschaltung zeige in der Regel Wirkung. Und wenn es doch Schwierigkeiten gibt, könne man sich in der Regel einig werden, vielleicht eine Ratenzahlung vereinbaren.
Michael Kieslich (CDU) ist Bürgermeister von Eisenberg und Vorsitzender des Eisenberg Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Eisenberg. Der Verband versorgt auch die Häuser in Hartmannsdorf mit Wasser und hat oft mit säumigen Schuldnern zu tun. Aber nach eigener Aussage nie zuvor in dieser Dimension. Es geht um eine fünfstellige Summe.
Wasser-Zweckverband hat Konto gepfändet
In Hartmannsdorf musste der ZWE noch einen Schritt weiter gehen. "Wir mussten alle Instrumente verwenden", sagt Kieslich. Ein Mittel ist die Kontopfändung. "Da muss man schauen, was der Eigentümer oder Verwalter an Kontobeziehungen hat", erläutert er. Schließlich sind ja irgendwann auch Abschläge für die betroffenen Gebäude bezahlt worden.
"Wenn das aufgeklärt ist, können Kontopfändungen erfolgen. Diesen nächsten Schritt sind wir unverzüglich gegangen, um unsere Forderung zu sichern." Ob ein Antrag auf Insolvenz des Vermieters zielführend ist, daran hegt unter anderem der Mieterschutzbund Zweifel, am Ende könnten sie vor Ort trotzdem ohne Geld dastehen.
Hahnemann zieht aus
Wie hoch die Ausstände des Heizungs-Dienstleisters sind, ist unklar. Bisher blieben die Kontaktaufnahmen unserer Redaktion ohne Antwort auf unsere Fragen. Gitta Hahnemann hat sich eine neue Wohnung besorgt, einige Hundert Meter entfernt. Über hundert Euro mehr im Monat. "Jetzt räume ich hier aus. Das hält auch ein bisschen warm."
Wann sie umziehen kann, ist noch nicht ganz klar. Das Ehepaar Schröder sucht noch. "Wir sind hergezogen, weil mein Junge in Schkölen wohnt, wir wollten ihm nahe sein. Und sitzen jetzt hier in der Scheiße." Sie haben noch keine neue Bleibe. "Meine Schwiegertochter hat mir ein Angebot aus Schkölen geschickt. Wunderschön, würde ich sofort nehmen. Aber das ist zu teuer."
Fünf Wohnblöcke in Hartmannsdorf gehören einem problematischen Vermieter. Zwei davon sind inzwischen nicht mehr bewohnt und buchstäblich verriegelt und vernagelt. Eines der Häuser ist umzäunt, die Umgebung teilweise verwildert.
Mieterin: "Verbrecher sind das"
Der Bürgermeister sagt, man habe neben einer Handvoll Wohnungen im Rittergut im eigenen Ort auch in den Nachbarorten Vermieter angefragt. In Crossen, in Silbitz, in Caaschwitz, in Bad Köstritz. Ein paar Gespräche laufen noch. "Wichtig ist, dass die Leute eine gute Bleibe haben, auch wenn es für uns als Ort natürlich schade ist, wenn Leute fortgehen müssen."
Drei Wohnungen in dem Komplex hatte zudem das Landratsamt angemietet, für Geflüchtete, eine davon sei derzeit bewohnt. Der Familie habe man eine Alternative beschaffen können. Der Rest wird leer bleiben. "Die Wohnungen werden unverzüglich gekündigt", heißt es aus dem Eisenberger Schloss auf MDR THÜRINGEN-Anfrage.
Mieterin Gitta Hahnemann zieht ihr eigenes Fazit: "Das sind Verbrecher hier, die Vermieter. Was die mit uns treiben, ist nicht normal. Man zahlt pünktlich jeden Monat seine Miete und das Geld versickert in irgendwelchen dunklen Kanälen."
MDR (kna)