Andreas Busch vom "Erfurter Netzwerk für kulturelles Leben e.V."

Thüringen Einfluss auf Inhalte, weniger Geld: Was Erfurter Kulturschaffende nach einem AfD-Wahlsieg fürchten

Stand: 24.08.2024 18:57 Uhr

Kulturschaffende in Erfurt fürchten einen großen Stimmenzuwachs der AfD bei der Landtagswahl in Thüringen - und haben sich deshalb zusammengetan. Was würde AfD-Politik für die Kulturszene bedeuten?

Von Anna Hönig, MDR THÜRINGEN

Hundert Kulturschaffende haben sich im "Erfurter Netzwerk für kulturelles Leben" (ENkl e.V.) zusammengeschlossen. Die Künstler, Musiker, DJs, Grafiker und Clubbetreiber sorgen sich um einen großen Stimmenzuwachs für die AfD bei der Landtagswahl in Thüringen am 1. September.

Sophia Dürrbeck, die als DJ "Aura" im Erfurter Club "Kalif Storch" auftritt, macht bei der Aktion mit dem Titel "100 gegen Rechts" mit. Sie sagt: "Diese ganzen Sachen die man jetzt gerade mit verschiedenen Veranstaltungen erreicht, zum Beispiel queere Veranstaltungen, das ist natürlich super schwierig umzusetzen, sollte es jetzt dazu kommen, dass die AfD so viel Macht bekommt", sagt Dürrbeck.

Das Club-Café "Franz Mehlhose"

Das Erfurter Club-Café "Franz Mehlhose" beteiligt sich auch an der Aktion "100 gegen Rechts".

Weniger Diversität in der Kultur befürchtet

Hubert Langrock, Geschäftsführer des "Kalif Storch", ist an der Aktion beteiligt. In seinem Club treten unter anderem Drag-Künstler auf. Außerdem wirbt das Programm zum Beispiel explizit mit DJ-Workshops für "Flinta*". Die Bezeichnung steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender, also sich keinem Geschlecht zugehörig fühlende, Personen.

Ich hoffe, dass sich Dinge aus der Geschichte nicht wiederholen. Hubert Langrock | Geschäftsführer des Clubs "Kalif Storch"

Langrock befürchtet, dass extrem rechte Parteien solchen Veranstaltungen Steine in den Weg legen könnten. "Ich hoffe, dass sich Dinge aus der Geschichte nicht wiederholen und uns zum Beispiel unser Programm, was wir spielen, vorgegeben wird", sagt Langrock.

Das "Kalif" positioniert sich offen links. Manchmal würden sich auch Rechtsgesinnte in den Club verirren, sagt der Geschäftsführer. "Da hebt dann plötzlich jemand den rechten Arm und ruft 'Sieg Heil'". Bei solchen Vorfällen kontaktiert Langrock die Polizei und erstattet Anzeige.

Hubert Langrock vom "Kalif Storch" macht sich auch Sorgen, dass Menschen aus seinem Umfeld durch rechtsradikale Parteien bedroht werden könnten.

Hubert Langrock ist der Geschäftsführer des Erfurter Clubs "Kalif Storch".

Langrocks Gedanken kreisen aber nicht nur um seinnen Club, sondern auch um seine Freunde. "Ich habe Angst um Menschen in meinem Umfeld, die zum Beispiel einen Migrationshintergrund haben, dass die einfach weggeschickt werden", sagt er. Mit der Aktion will Langrock vor allem zeigen: "Wir sind noch da und wir schaffen Räume". Dennoch vermutet er, dass er wohl kaum die "eingefleischten AfD-Wähler" damit überzeugen wird.

AfD will bisherige Kultursubventionen in Thüringen streichen

Der Organisator der Aktion und Vorstandvorsitzender des ENkl e.V., Andreas Busch, will auch Menschen erreichen, die sich nicht für Politik interessieren. Eine der Aktionen war ein Vortrag über die "Extreme Rechte", der laut Busch sehr gut besucht gewesen sei. Außerdem gab es Karaoke-Veranstaltungen und Gesprächsrunden.

Viele Kulturbetriebe in Thüringen sind auf Subventionen angewiesen und können ohne die gar nicht ihr buntes Programm machen. Andreas Busch | Initiator und Vorsitzender der Aktion

Busch hält es ganz konkret für möglich, dass die AfD das Zuwendungen für bestimmte Kulturveranstaltungen streichen will. "Eine Sache ist, dass im Wahlprogramm der AfD steht, dass sie grundsätzlich gegen Subventionen sind. Viele Kulturbetriebe in Thüringen sind auf Subventionen angewiesen und können ohne die gar nicht ihr buntes Programm machen." Für Busch bedeutet das: "Wenn das gestrichen wird, würde auf jeden Fall ein großer Teil einer wichtigen Kulturbranche wegfallen".

zum Aufklappen: Thüringer AfD zum Vereinsleben und dem Landesprogramm

"Dem freien Vereinsleben steht zudem die Politisierung der öffentlichen Vereinsförderung entgegen, wie sie insbesondere durch das 'Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit' betrieben wird. Anstatt die Vereine für die Realisierung ihres jeweiligen Vereinszwecks zu fördern, erfolgt im Rahmen dieses Programms eine an weltanschauliche Gesinnung gekoppelte Förderung, die mit den Vereinszwecken gar nicht im Zusammenhang steht. Eine so ins Werk gesetzte Politisierung des Vereinslebens und des kulturellen Lebens überhaupt lehnt die AfD Thüringen entschieden ab. Anstatt Gesinnung zu fördern, gilt es, den Beitrag zum kulturellen Leben unserer Heimat zu unterstützen. Wir fordern daher die Abschaffung dieses Landesprogramms und die Etablierung eines neuen Förderprogramms, das die reguläre und satzungsgemäße Tätigkeit der Vereine unter dem Aspekt ihres Beitrages zum kulturellen Leben unserer Heimat fördert." (AfD-Wahlprogramm zur Thüringer Landtagswahl 2024, Seite 115)

2024 hatte die Kulturstiftung des Freistaates 125 Projekte und Stipendien mit rund 800.000 Euro gefördert. Im AfD-Wahlprogramm zur kommenden Landtagswahl steht unter anderem, dass sie das "Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit" abschaffen will, was unter anderem Demokratieprojekte und Gedenkstättenfahrten unterstützt.

MDR (rom)