Ein Mann mit Bart und blauem Oberteil in einem herbstlichen Kleingarten.

Thüringen Erfurter kämpft nach Tod der Partnerin um Kleingarten

Stand: 08.11.2024 15:51 Uhr

Beim Tod des Partners gerät die Welt aus den Fugen. Neben der tiefen Trauer muss auch viel Bürokratisches erledigt werden. Was passiert zum Beispiel mit dem geliebten Kleingarten, den man gemeinsam viele Jahre beackert hat? Ein Erbfall im Kleingarten beschäftigt aktuell einen Mann aus Erfurt.

Von Antje Kirsten, MDR THÜRINGEN

Im Hochbeet steht noch ein verlassenes Salatpflänzchen. Thomas Großmann zupft es mit dem Unkraut raus. "Wir haben uns Hochbeete gebaut, weil wir nicht mehr so ganz fit sind", sagt er. Er spricht von "Wir" - und ist seit dem Sommer nur noch "Ich". Seit seine Frau mit 61 Jahren ganz plötzlich nach einer Schilddrüsenoperation im Klinikum Jena gestorben ist, steht er allein da. Einziger Trost: Kinder, Freunde - und der geliebte Kleingarten. Doch da türmen sich dunkle Wolken auf.

25 Jahre Herzblut, Geld und Arbeit investiert

Fast 25 Jahre hat Thomas Großmann die 380 Quadratmeter große Parzelle in der Kleingartenanlage "Am Bachstelzenweg" in Erfurt mit seiner Frau bewirtschaftet. Hier haben sie gefeiert, gepflanzt, gebaut, umgebaut und immer wieder Geld investiert. "Wir haben jedes Jahr was Neues gemacht. Pflanzen rein, Pflanzen raus. Die kleine Terrasse da vorm Gewächshaus gebaut. Es war unser Hobby".

Stolz ist der 59-Jährige auf sein Gärtchen. Er wohne in einem Neubaublock in Erfurt. "Da ist man froh rauszukommen. Hier im Garten habe ich Natur, Ruhe, kann mich erholen. Wir wollten immer einen Garten", sagt er und zeigt sein kleines Paradies. Rote Gartenhütte, kleiner Pool, Gewächshaus, Gerätehaus.

Gekauft hatte den Garten-Inhalt damals seine Schwiegermutter: also die Hütte, die Bäume, die Pflanzen. "Mit drei Kindern hatten wir vor 20 Jahren nicht das Geld dazu." Der Kleingarten - also das Land - ist gepachtet.

Die Crux: nur seine Frau war Mitglied im Kleingartenverein

Nach dem Tod seiner Frau hat der 59-Jährige schriftlich den Antrag gestellt, Mitglied im Kleingartenverein zu werden - denn dies war er bisher nicht. "Doch der Vorstand lehnt das ab. Es soll die Mitgliederversammlung entscheiden", sagt Großmann.

Er kann nicht fassen, dass er nach dem harten Schicksalsschlag nun auch seinen Garten verlieren soll. Er habe wohl zu oft kritische Punkte in der Kleingartenanlage angesprochen und sich so unbeliebt beim Vorstand gemacht, vermutet er. Die Crux: Nur seine Frau war Mitglied im Kleingartenverein.

Erfurter Stadtverband hofft auf Einigung

Der Fall sei ungewöhnlich und selten, sagt Frank Möller. Er leitet den Stadtverband der Kleingärtner in Erfurt. "In der Regel werden die Familien der Kleingärtner bevorzugt behandelt, wenn sie den Garten von einem verstorbenen Ehepartner oder die Kinder den Garten von den Eltern übernehmen wollen - immer abhängig vom Zustand des Gartens."

Die Vereine haben das Recht zu entscheiden, wer den Garten bekommt und wer nicht. "Aber allein aus dem sozialen Aspekt heraus raten wir immer dazu, den Garten an die Hinterbliebenen zu geben", sagt Möller und hofft auf ein Einlenken des Gartenvorstandes in Erfurt-Hochheim. "Der Ehepartner hat sich ja auch jahrelang mit eingebracht, hat den Garten mit gepflegt und somit seinen Lebenspartner unterstützt."

In 98 Prozent der Fälle werde die Erbfolge in Erfurt so geregelt, dass der Hinterbliebene seine Parzelle behalten darf. Dass die Mitgliederversammlung über die Aufnahme eines Erben in den Kleingartenverein entscheiden soll, nennt Möller auch ungewöhnlich. Normalerweise sei das für den Vorstand eine reine Formsache.

Im Bundeskleingartengesetz heißt es dazu:

"Mit dem Tode des Kleingärtners geht dessen Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere Personen (Erben) über, das auch ohne Wissen des Erben und sogar gegen seinen bzw. deren Willen. Die Erben treten an die Stelle des Kleingärtners in den noch nicht beendeten Pachtvertrag mit allen Rechten und Pflichten ein. Allerdings endet der Kleingartenpachtvertrag - entgegen sonstiger Miet- und Pachtverträge des Erblassers nach § 12 Abs. 1 BKleingG ohne Zutun der Erben mit Ablauf des Kalendermonats, der auf den Tod des Kleingärtners folgt."

Stadtverbandschef Frank Möller rät allen, schon zu Lebzeiten Mitglied im Kleingartenverein zu werden, dann geht der Kleingarten automatisch im Erbfall an die Hinterbliebenen: "Dann gibt es keinen Schwebezustand beim Tod des Partners."

Großmann will um seinen Garten kämpfen

Thomas Großmann hat seinen Garten schon lange winterfest gemacht. Der gemütliche Hängesessel ist unters Dach geschoben. Auf der Veranda seines Gartenhäuschens ist es kühl an diesem Samstagvormittag und doch genießt er es, hier zu sein. "Der Garten ist mein Ein und Alles".

Ein Mann mit Bart und blauem Oberteil in einem herbstlichen Kleingarten.

Kleingärtner Thomas Großmann aus Erfurt.

Über seinen Antrag auf Mitgliedschaft im Gartenverein ist bis heute nicht entschieden. Der Gartenvorstand möchte sich zu dem Fall nicht äußern. Der Vorstandvorsitzende, der seinen Namen nicht veröffentlicht haben möchte, erklärt MDR THÜRINGEN am Telefon, er werde dazu nichts sagen. Er beruft sich auf das Europäische Datenschutzgesetz. Das erlaube ihm nicht, Auskünfte über Mitglieder zu geben. Auf den Einwand, dass Thomas Großmann noch gar kein Mitglied ist, heißt es: Es gehe um Vereinsangelegenheiten, über die er nicht rede.

Ich sitze dann nur noch in der Neubauwohnung. Außer meinem Garten habe ich nichts mehr. Thomas Großmann | Kleingärtner

Thomas Großmann will sich wehren; wenn es sein muss, auch mit einem Anwalt. Und er hätte vermutlich gute Karten. Der Stadtverbandschef rät deshalb dem Gartenvorstand, es nicht darauf ankommen zu lassen: "Da wird der Verein großen Schiffbruch erleiden. Aus der Erfahrung heraus sagen die Richter dann immer: Die Familie hat Vorrang. Das steht so auch in Kommentierungen zum Bundeskleingartengesetz. Es sei denn, der Pächter hat grob fahrlässig oder vereinsgefährdend gehandelt."

Garten ist für Thomas Großmann Leidenschaft, und so sieht sein Garten auch aus. Gepflegt, mit inzwischen vielen Hochbeeten. Das Bücken geht nicht mehr so gut. Nach einer Halswirbel-OP, bei der Nerven durchtrennt worden sind, hat der gelernte Zerspanungsfacharbeiter Pflegestufe eins und bezieht Bürgergeld.

Die Vorstellung, nun seinen Garten aufgeben zu müssen, macht ihm Angst. "Ich sitze dann nur noch in der Neubauwohnung. Außer meinem Garten habe ich nichts mehr."

MDR (gh)