Thüringen Erinnerungsort Topf & Söhne: Besucherstärkstes Jahr seit Eröffnung
Die Erfurter Firma Topf & Söhne baute Verbrennungsöfen und Lüftungstechnik für die Gaskammern im Vernichtungslager Auschwitz. Heute ist der einstige Betriebssitz ein Erinnerungsort.
Für den NS-Erinnerungsort Topf & Söhne in Erfurt zeichnet sich 2024 als besucherstärkstes Jahr seit seiner Eröffnung ab. Seit Jahresbeginn hätten bereits etwa 15.000 Menschen die Gedenkstätte besucht, sagte Leiterin Annegret Schüle. Im vergangenen Jahr waren es etwa 14.300 Menschen.
Verbrennungsöfen in der Gedenkstätte Buchenwald.
Am 2011 eröffneten Erinnerungsort wird die Geschichte der Erfurter Firma Topf & Söhne erzählt, die während der NS-Zeit u.a. die Verbrennungsöfen für das Vernichtungslager Auschwitz und das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar baute.
Gut besuchte Sonderausstellungen
Neben der Dauerausstellung seien zuletzt auch zwei Ausstellungen zu den nationalsozialistischen "Euthanasie"-Verbrechen an Kranken und Menschen mit Behinderung und zur Geschichte einer jüdischen Schülerin besonders gut besucht gewesen. Zudem habe der Erinnerungsort zuletzt auch aus Schulen eine deutlich größere Nachfrage verzeichnet.
Schüle interpretiert die gestiegenen Besucherzahlen auch als Reaktion "auf die zunehmende gesellschaftliche Relevanz unserer Angebote und eine Reaktion auf den Rechtsruck in der Gesellschaft", wie sie sagte.
Menschen, die Angst um die Demokratie in Deutschland hätten und sich gegen einen erstarkenden Rechtsextremismus wehren wollten, könnten im Erinnerungsort Topf & Söhne Orientierung und Ermutigung finden. Immerhin werde dort nicht nur die Mittäterschaft "ganz normaler Menschen" für die nationalsozialistischen Verbrechen thematisiert. Auch die Verantwortung des Einzelnen beim Handeln gegen Ausgrenzung und Menschenverachtung stehe im Zentrum, sagte Schüle.
In der Bildungsarbeit mit Schulklassen, die zuletzt stärker nachgefragt sei, beobachtet Schüle sowohl gesellschaftlich und politisch interessierte Schüler als auch Schüler mit einer "Haltung des Desinteresses".
Hinter Letzteren verbergen sich demnach manchmal Abwehr, Ablehnung und Sympathien für den historischen Nationalsozialismus. Durch die Arbeit des Erinnerungsorts sei es möglich, dass solche Haltungen infrage gestellt werden könnten.
Thema: "Baseballschläger-Jahre"
Im nächsten Jahr will der Erinnerungsort noch stärker als zuletzt die sogenannten Baseballschläger-Jahre nach der Wiedervereinigung in den Blick nehmen.
In den Jahren nach der Wiedervereinigung gab es viel Gewalt.
Der Begriff steht für die damals aufkommende massive Gewalt von Rechtsextremen mit teils tödlichen Angriffen auf Ausländer und Attacken gegen Andersdenkende, bei denen Neonazis häufig Baseballschläger einsetzten.
Geschichte lange nicht gewürdigt
Der heutige Gedenkort sollte Anfang der 2000er vollständig abgerissen werden. Nach öffentlichen Protesten und großer medialer Aufmerksamkeit blieb das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma erhalten und beherbergt heute die Ausstellungen. Das restliche Firmengelände wich fast vollständig dem Einzelhandel.
Luftaufnahme von einem Gelände
In Jena erinnert derzeit ein Forschungsprojekt an die sogenannten Eugenik-Verbrechen. In der NS-Zeit war es körperlich oder geistig beeinträchtigten Menschen verboten, Kinder zu bekommen. Viele wurden zwangssterilisiert. Forschende wollen das Thema nun aus der Vergessenheit holen.
MDR (gh)