Apfelsaftflaschen in einer Abfüllanlage

Thüringen Saft, Marmelade und Obstkonserven aus Thüringen werden wohl teurer

Stand: 17.07.2024 23:15 Uhr

Die Frostnacht auf den 23. April dieses Jahres hat nicht nur verheerende Schäden für die Thüringer Obstbauern hinterlassen - auch Produzenten von Fruchtsaft, Obstkonserven oder Marmelade leiden darunter. Für Verbraucher dürfte es ab dem Herbst in vielen Fällen teurer werden, wenn sie regional hergestellten Saft kaufen wollen. Und einige Produzenten geraten in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Von Florian Girwert, MDR THÜRINGEN

Florian Steinbrück ist froh, dass er große Lagertanks hat. Denn weil im vergangenen Jahr mehr Sauerkirschen geerntet und zu Saft verarbeitet werden konnten als sonst, dürften die Vorräte noch bis nach dem Winter reichen. "Aber wahrscheinlich nicht bis zur nächsten Ernte", sagt der Chef der Fahner Frucht Handels- und Verarbeitungs GmbH aus Gierstädt im Kreis Gotha.

Das könnte zum Problem werden, denn in diesem Jahr sind bei minus fünf Grad Celsius in einer späten Aprilnacht bis zu drei Viertel der Sauerkirschen bei Thüringer Obstbauern erfroren, bei Äpfeln sind es ebenso wie bei Pflaumen und Zwetschgen fast 90 Prozent.

Wir gehen davon aus, dass es fast keine Tafeläpfel geben wird. Florian Steinbrück | Obstverarbeiter
Florian Steinbrück, Chef der Fahner Frucht Handels- und Verarbeitungs GmbH aus Gierstädt, lehnt mit einer Flasche Apfelsaft in den Händen auf Getränkekästen.

Florian Steinbrück, Chef der Fahner Frucht Handels- und Verarbeitungs GmbH aus Gierstädt.

Eine Katastrophe ungekannten Ausmaßes. An einem Hilfsprogramm im Umfang von zwei Millionen Euro arbeitet die Landesregierung derzeit. Nach Angaben des Thüringer Landwirtschaftsministeriums sollen Anträge dafür im August gestellt werden können, auch wenn alles schon abgestimmt ist. Eine Betrachtung der Gesamtsituation des Betriebs sei dafür nötig. Zudem gebe es die Möglichkeit, Überbrückungskredite der landwirtschaftlichen Rentenbank zu beantragen, um flüssig zu bleiben.

Wann genau die Hilfe gezahlt wird, ist nicht klar. Zeitnah ist die Formulierung aus dem Ministerium. Zu spät, findet Kevin Degenhardt, Chef der Döllstädter Obstgenossenschaft. "Die Hilfe muss jetzt fließen. Ansonsten sind wir in den nächsten zwei Monaten durch und haben kein Geld mehr." Er hat inzwischen im Internet zu Spenden für das Unternehmen aufgerufen. "War eine spontane Idee, ich hatte davon vorher keine Ahnung. Dann habe ich gedacht, wir probieren das einfach mal aus, ohne viel zu hoffen."

Und inzwischen haben mehr als 400 Spender mehr als 20.000 Euro gegeben - ohne Gegenleistung, einfach für einen Dank aus Döllstädt. "Damit können wir weiter Lohn zahlen und laufende Rechnungen begleichen", sagt Degenhardt. Wobei das Ministerium darauf hinweist: Auch Spenden sind Einnahmen. Mögliche Hilfe dürfte dann gekürzt werden - wobei Betriebe mit Spenden und Staatshilfe am Ende besser dastehen als nur mit der staatlichen Hilfe, heißt es aus dem Ministerium.

Kevin Degenhardt, Chef der Döllstädter Obstgenossenschaft, schaut in die Kamera und hält mit der linken Hand den Zweig eines Baumes.

Kevin Degenhardt, Chef der Döllstädter Obstgenossenschaft

Von dort ist aber auch leise Kritik an den Obstbauern zu hören. Das Land biete eine Förderung dafür an, sich gegen Ernteausfälle zu versichern. Das hätten im letzten Jahr ganze elf Betriebe getan, 93.000 Euro seien ausgezahlt worden. Wobei die Fördersumme wegen Verwaltungsproblemen erst mit einem halben Jahr Verzögerung floss. Der Punkt aber sei, so Staatssekretär Torsten Weil (Die Linke), es sei ein Stück weit unfair, die Förderung für die Versicherung auszuschlagen und dann bei einem Ernteausfall nach dem Staat zu rufen.

Da kontert der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt. Auch in seinem Wahlkreis gibt es nahe Schöngleina einen großen Obstanbaubetrieb. Das Ausmaß der Schaden sei nie dagewesen, eine Auszahlung von pauschalen Hilfen durchaus schneller möglich. "Im Landtag haben wir dafür gestimmt, Soforthilfen zu geben. Und sofort ist nicht Ende August."

Professionelle Ernte lohnt sich nicht

Neben den Obstbauern, die anstatt wie im Vorjahr nicht mit 24.000 Tonnen Äpfeln rechnen, sondern nur mit 3.000 Tonnen, spüren auch die Verarbeiter die Auswirkungen. Steinbrück ist aber nicht ohne Hoffnung. "Wir gehen davon aus, dass es fast keine Tafeläpfel geben wird." Sprich: Wer in einen Apfel beißen will, dürfte kaum heimische Ware im Handel bekommen. Weil die Äpfel durch erfrorene Kerne nicht eingelagert werden können oder aber Froststreifen die Optik des Apfels unter die Anforderungen des Handels rutschen lassen.

Die Zwei-Euro-Marke für einen Liter Apfelsaft werden wir knacken. Florian Steinbrück | Obstverarbeiter

Die kümmerliche Ernte könnte aber in weiten Teilen zur Verarbeitung genutzt werden. Für die Obstbauern ist das wenig einträglich, denn solche Äpfel bringen pro Kilogramm meist zwischen 20 und 50 Cent. Dieses Jahr könnte es auch etwas mehr sein. "Aber aktuell ist da eine Prognose kaum möglich, das wäre unseriös." Bei den genannten Summen stöhnt Kevin Degenhardt auf. Für den Chef der Döllstädter Obstgenossenschaft wäre das nicht kostendeckend.

"Wenn wir auf den Hektar ein paar Kisten rauskriegen, ist das schon viel", sagt er über das große Feld mit Apfelbäumen direkt an der B 176 zwischen Bad Langensalza und Erfurt. Eine professionelle Ernte lohnt einfach nicht. Wobei es im Anbaugebiet auch Plantagen gibt, auf denen es etwas besser aussieht, weil sie am Waldrand in größerer Höhe vom Frost im Tal nicht so stark betroffen waren.

Aber dass es für ihn als Verarbeiter wohl wegen der Ernteausfälle in weiten Teilen Ostdeutschlands schwierig und teuer wird, ist absehbar. "Die Zwei-Euro-Marke für einen Liter Apfelsaft werden wir knacken. Ohne dass wir als Betrieb dabei mehr verdienen, eher im Gegenteil." Und ob der Handel diese Preissteigerungen akzeptiere, stehe auf einem anderen Blatt. Denn in anderen Regionen hätten andere Saft-Hersteller diese Probleme nicht.

Ausreichende Mengen für Produktion schwer zu bekommen

Bei Hainich-Konserven aus Niederdorla bei Mühlhausen heißt es, alles, was Früchte betreffe, sei derzeit teurer. Auch an ausreichende Mengen zu kommen, sei schwierig, sagt Einkaufsleiter Martin Weißenborn. Auch hier zeichnet sich ab: Die Preise werden steigen. Um wie viel, das hänge auch davon ab, wie viel Zwischenhändler am Ende draufschlagen.

Schon jetzt sind Schwierigkeiten bei anderen Obstsorten spürbar. Zum Beispiel bei Rhabarber, berichtet Mareike Dietzsch, Inhaberin der Crossener Süßmostkelterei im Saale-Holzland-Kreis. "Den müssten wir aktuell aus Großbritannien zukaufen." Das aber widerspreche dem Selbstverständnis als regionales Unternehmen - und das Nischenprodukt Rhabarber-Nektar sei zumindest übergangsweise verzichtbar.

In der Fahner Frucht Handels- und Verarbeitungs GmbH konnte die Rhabarber-Schorle in diesem Jahr nicht in Bio-Qualität produziert werden. "Mussten wir in dieser Saison konventionell machen, weil der Bio-Rhabarber komplett erfroren ist." Und auch die Nachfrage von Privatpersonen stockt derzeit, auch die haben wenig an ihren Bäumen hängen. Lohmosterei sei deshalb weniger gefragt, es gebe kaum Obstanlieferungen von privat, heißt es aus Crossen.

Lieferverpflichtungen müssen eingehalten werden

Wichtiger für den Einzelhandel ist Apfelsaft. "Da gibt es Lieferverpflichtungen. Sind wir da einmal raus, dann ist die Gefahr, dass wir draußen bleiben", sagt Dietzsch. Also werde man wohl Apfelsaft oder Äpfel zukaufen müssen, um den Verpflichtungen nachzukommen. Einen Fast-Totalausfall habe man einfach noch nie erlebt und nicht erwartet. Es sei bedauerlich, dass bei staatlichen Hilfen die Bauern bedacht, die regionalen Verarbeiter aber vergessen wurden. Für die wäre im Zweifel aber das Wirtschaftsministerium zuständig.

Aus Sicht der Unternehmerin Dietzsch wäre es am besten, ein Jahr abzuschließen und dann wieder aufzumachen - wenn das denn so einfach möglich wäre. So wird es wohl darauf hinauslaufen, dass sie Geld in die Firma zuschießen muss, um diese schwierige Zeit durchzustehen.

MDR (flog/ls/cfr)