Ein Traktor fährt mit einer Feldspritze über einen Acker.

Thüringen EU-Millionen für Thüringer Landwirte: Vor allem Großbetriebe profitieren von Direktzahlungen

Stand: 19.12.2024 12:36 Uhr

217 Millionen Euro an Agrarsubventionen fließen in diesen Tagen von der EU an Thüringer Landwirte. Besonders die großen Betriebe profitieren davon. Viele Landwirte mahnen, dass ihre Unternehmen ohne die Gelder nicht überlebensfähig wären.

Von MDR THÜRINGEN

Knapp 4.000 Thüringer Agrarbetriebe erhalten in diesen Tagen EU-Gelder in Höhe von 217 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um die jährliche Auszahlung.

90 Prozent davon sind in diesem Jahr laut Thüringer Landwirtschaftsministerium Direktzahlungen, die unabhängig von der Produktion pro Hektar Betriebsfläche an die Landwirte fließen, um deren Einkommen abzusichern. Je mehr Ackerflächen ein Betrieb also hat, desto höher ist dieses Einkommen.

Traditionell viele große Betriebe in Thüringen

Die Leistungen sind laut Ministerium notwendig, weil die Unternehmen unter Weltmarktbedingungen über die eigentliche Nahrungs- und Rohstoffproduktion hinausgehende Leistungen für Wirtschaft und Umwelt erbringen. Als Folge der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) in Ostdeutschland sind die Betriebe bis heute in Thüringen größer als in westdeutschen Bundesländern. Damit ist auch zu erklären, warum der Anteil an Direktzahlungen so hoch ist.

Neben den Direktzahlungen gibt es Gelder für bestimmte ökologische oder landschaftserhaltene Maßnahmen. Damit können zum Beispiel Agroforstsysteme etabliert werden. Damit sind Hecken oder Bäume gemeint, die zum Schutz vor Erosion und als Lebensraum für Tiere auf Felder gepflanzt werden. Außerdem sind in diesem Teil auch Subventionen für die Pflege von Flächen enthalten, die an ungünstigen Standorten liegen und deshalb weniger Ertrag bringen. Diese Flächen würden zu Brachen, sollten sie nicht bewirtschaftet werden. Zum Ausgleich fließen laut Ministerium 21 Millionen Euro an 2.200 betroffene Betriebe.

Ohne Ausgleichszahlungen gäbe es in Thüringen keine Landwirtschaft. Klaus Wagner | Präsident Thüringer Bauernverband

Viele Landwirte argumentieren, dass ihre Betriebe ohne die EU-Mittel nicht überlebensfähig sind. So auch der Präsident des Thüringer Bauernverbands und CDU-Mitglied Klaus Wagner. Sein Betrieb bei Erfurt erhielt im vergangenen Jahr etwa eine Million Euro an Förderungen. "Ohne Ausgleichszahlungen gäbe es in Thüringen keine Landwirtschaft", sagte Wagner jüngst dem MDR. Wie viel und für was genau die Betriebe Geld erhalten, ist öffentlich einsehbar.

EU gibt größten Haushaltsanteil an Bauern

Die Gelder kommen aus dem Topf der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Sie sollen den Landwirten helfen, den Klimawandel zu bewältigen, natürliche Ressourcen nachhaltig zu nutzen und den ländlichen Raum weiterzuentwickeln. Die GAP ist kompliziert ausgestaltet und wegen ihres Volumens immer wieder heftig umstritten: Jährlich zahlt die EU deutschen Landwirtinnen und Bauern 6,3 Milliarden Euro. Details erfahren Sie in dem folgenden Erklärkasten oder in diesem Text.

Zum Aufklappen: So verteilt die EU die Landwirtschaftshilfen

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ist kompliziert ausgestaltet und wegen ihres Volumens immer wieder heftig umstritten: Jährlich zahlt die EU deutschen Landwirtinnen und Bauern 6,3 Milliarden Euro. Sie will damit einerseits Betriebe wettbewerbsfähig halten und bezahlbare Lebensmittel sichern - gleichzeitig aber auch den Umweltschutz fördern. Über die sogenannte erste Säule - den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) - fließen vorwiegend die Direktzahlungen, die erst einmal das wirtschaftliche Überleben sichern sollen.

Neu ist mit der Förderperiode ab diesem Januar, dass fast ein Viertel der Mittel aus dieser Säule für sogenannte Öko-Regelungen reserviert werden. Betriebe können mit verschiedenen freiwilligen Maßnahmen also nachhaltiger werden, indem sie zum Beispiel Agroforstsysteme pflanzen und dafür Geld bekommen.

In der zweiten Säule - dem Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) - stecken Fördergelder für den Umwelt- und Klimaschutz, aber auch für den Hochwasserschutz, den beispielsweise Landesministerien abrufen können.

Nicht eindeutige Ziele der Brombeere

Die aktuelle Förderperiode der EU läuft bis 2027. Für die darauffolgende Periode ringen die EU-Staaten um die Ausgestaltung. Auch im neuen Thüringer Koalitionsvertrag haben CDU, BSW und SPD eine Position dazu formuliert: Die GAP soll "weiterentwickelt" werden.

Die Partner der sogenannten Brombeer-Koalition schreiben: "Derzeit werden zu viele Betriebe für Naturschutz nicht ausreichend honoriert, das wollen wir generell ändern." Was das im Detail bedeutet, schreibt die neue Koalition nicht. Auch die Politik-Seiteneinsteigerin und neue Ministerin für Wirtschaft und Landwirtschaft, Colette Boos-John (CDU), hat sich dazu bislang nicht geäußert.

Das fordern die Bauern

Die Position der Thüringer Brombeer-Koalition deckt sich dabei mit der des Thüringer Bauernverbandes. Das ist wenig überraschend, denn der frisch gewählte Verbandspräsident Klaus Wagner ist selbst CDU-Mitglied und hat die entsprechenden Verhandlungen für die Ministerpräsidenten-Partei geführt.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) steht in Teilen für andere Positionen. Die AbL vertritt traditionell eher die kleinbäuerlichen Betriebe und fordert vor allem von der Bundesregierung, dass sie sich für eine Änderung der EU-Förderpolitik einsetzt: Laut AbL soll das Geld weniger nach der reinen Fläche eines Betriebs, sondern noch mehr nach ökologischen Kriterien verteilt werden. Die AbL fordert außerdem einen besseren Zugang zu Ackerland für Junglandwirte oder auch eine gentechnikfreie Erzeugung.

MDR (wer/dst)/dpa