Ein Wohnblock in einem Dorf in Thüringen.

Thüringen Geflüchtete in Eckolstädt: Ein Dorf zwischen Herausforderung und Hoffnung

Stand: 19.08.2024 20:02 Uhr

Das kleine Dorf Eckolstädt im Weimarer Land ist in zwei Teile gespalten, den etablierten Dorfkern und die rund 600 Geflüchteten im "Ghetto". Begegnungsorte gibt es wenige, es fehlt die Infrastruktur. Nun hat auch die letzte Einkaufsmöglichkeit im Ort geschlossen.

Von Melanie Lal, MDR THÜRINGEN

Eckolstädt, ein kleiner Ort im Weimarer Land, bekannt durch einen Stützpunkt der NVA zu DDR-Zeiten, ist gespalten. Der Ort teilt sich in einen Dorfkern und ein außenstehendes "Ghetto", wie es viele Einwohner nennen - einen Wohnblock, in dem Geflüchtete leben. In den DDR-Baracken wohnen rund 600 Menschen aus der Ukraine, Syrien, Eritrea und Afghanistan. Auch Menschen aus der Romnja-Community leben dort. Der Eigentümer des Wohnblocks wollte vermieten, und die Mietpreise entsprechen den Vorgaben des Jobcenters.

Also man kann sich mit einigen auch gut unterhalten, aber ich glaube, da ist das Interesse von beiden Seiten nicht so groß, dass man sich da intensiver kennenlernt. Annalena Barth |

"Wir haben hier mehrere Hundert Geflüchtete aus verschiedenen Nationen. Die zusammenzubringen, ist eine Mammut-Aufgabe", erklärt Jörg Begerow, Sozialberater vor Ort. Begerow berät die eingezogenen Geflüchteten und hilft bei Kontakten mit dem Jobcenter und anderen Behörden. Der Aufgabe stelle er sich gern.

Ein Mann steht auf einem Sportplatz.

Jörg Begerow ist Sozialberater in Eckolstädt.

Kaum Kommunikation zwischen Dorfteilen

Doch die etablierte Dorfgemeinschaft ist skeptisch. Es gibt kaum Kommunikation zwischen dem Dorfkern und den Menschen im "Ghetto", sagen Menschen aus dem Dorfkern. Und Probleme gab und gibt es immer wieder.

Es ist schon sehr unangenehm, wenn man nur nach hinten läuft, um sich Kippen zu holen, da wird man direkt angeschaut und es gibt sexuelle Anspielungen. Rosi Schörnig |

Bei den Beschwerden geht es unter anderem um Altöl, das in den Wohnblocks in den Hausmüll geworfen worden sein soll. Dadurch gab es eine 600 Meter lange Öl-Spur, die die Feuerwehr beseitigen musste. Der Schadensverursacher war nicht ermittelbar.

Einige junge Frauen aus dem Dorf fühlen sich zudem belästigt, wenn sie an dem Wohnblock vorbeigehen: "Es ist schon sehr unangenehm, wenn man nur nach hinten läuft, um sich Kippen zu holen, da wird man direkt angeschaut und es gibt sexuelle Anspielungen", meint Rosi Schörnig, eine Jugendliche aus Eckolstädt.

Annalena Barth, auch Mitglied im Jugendklub, ergänzt: "Es gibt nette, ja, das auf jeden Fall. Also man kann sich mit einigen auch gut unterhalten, aber ich glaube, da ist das Interesse von beiden Seiten nicht so groß, dass man sich da intensiver kennenlernt."

Auch die Problematik mit dem Müll, der auf dem Gelände dort umherfliegt, ist angesichts der Masse an Menschen, die dort wohnen, nicht so schlimm. Sandra Mieske |

Und da man sich selten sehe, sei es schwer, kennenzulernen und sich als Mensch zu begegnen. Die fehlende Infrastruktur in Eckolstädt trage dazu bei. Der letzte kleine Einkaufsmarkt im Dorf, wo man sich sehen würde, wurde aus Altersgründen geschlossen.

Gemischte Reaktionen auf Ausflüge mit den Kindern

Sandra Mieske arbeitet als Streetworkerin in Bad Sulza. In Eckolstädt macht sie sogenannte aufsuchende mobile Jugendarbeit und ist auch bei den Wohnblocks tätig. Mieske beschreibt die Situation vor Ort folgendermaßen: "Ich habe vieles gehört, als ich vor einem Jahr angefangen habe, dort oben zu arbeiten."

Um Müll, Vandalismus oder Einbrüche auf das Gelände der Kita sei es gegangen. "Als ich meine Arbeit aufgenommen habe, war das meiste davon jedoch geklärt. Auch die Problematik mit dem Müll, der auf dem Gelände dort umherfliegt, ist angesichts der Masse an Menschen, die dort wohnen, nicht so schlimm."

Es braucht mehr Möglichkeiten, sich in einem zwanglosen Kontext kennenzulernen. Sandra Mieske | Streetworkerin

Sie habe einige Ausflüge mit den Kindern unternommen in das Umland und die Natur. Durch diese naturpädagogischen Angebote wolle sie ein Bewusstsein dafür schaffen, warum es wichtig ist, Müll zu entsorgen und zu trennen. "Dabei habe ich im Dorf Leute getroffen, die freundlich zurückgrüßen, welche die nur ungläubig gucken und versuchen einzuschätzen, was dort für eine komische Gruppe vorbeiläuft - und auch Leute, die abwehrend abwinken und sich abwenden", berichtet die Streetworkerin.

Viele Geflüchtete würden gern arbeiten

Es gebe wenig Berührungspunkte, die Menschen in den Blöcken lebten eigentlich in ihrem eigenen Dorf. Jetzt sei auch der kleine Supermarkt im Ort geschlossen, da hätten die Menschen im Wohnblock noch weniger Grund, in den Ort zu gehen. "Es braucht mehr Möglichkeiten, sich in einem zwanglosen Kontext kennenzulernen", sagt Sandra Mieske.

Wir wünschen uns ein Geschäft, wo wir einkaufen können, und eine bessere Verkehrsanbindung von Eckolstädt. Diana |

Viele Geflüchtete würden gern arbeiten, das würde auch die Integration erleichtern. Aber die Anerkennung von ihren ausländischen Berufsabschlüssen ist schwierig. Zudem wird für viele Jobs ein B2-Sprachnachweis in Deutsch verlangt, aber Deutschkurse dauern zwei bis zweieinhalb Jahre.

Geflüchteten fehlt Infrastruktur in Eckolstädt

Viktoria Drozdova aus der Ukraine ist 30 Jahre alt und wohnt seit zwei Jahren in Deutschland. In der Ukraine hat sie als Leiterin eines Baumarktes gearbeitet. Sie hat hier bereits Arbeit gefunden: In Deutschland putzt sie in einem Feriendorf und macht Aufräumarbeiten.

Eine Junge Frau steht vor einem Haus.

Viktoria Drozdova hat in Thüringen eine Arbeit gefunden.

Ihr Wunsch ist es, besser Deutsch zu lernen und dann einen besseren Job zu bekommen. Sie wünscht sich für Eckolstädt eine Einkaufsmöglichkeit, denn ohne Auto oder Bus gestaltet sich das Einkaufen sehr schwierig.

Es sind zu viele Menschen, die Infrastruktur haut nicht hin. Ortsteilbürgermeister Axel Schörnig |

Svitlana Makivets und Diana Nikitina, Mutter und Tochter, kommen ebenfalls aus der Ukraine. Svitlana kam ein halbes Jahr vor ihrer Tochter nach Eckolstädt. In der Ukraine machte sie Nägel in einem Beauty-Salon. Diana arbeitete als Visagistin und lernte Englisch.

Zwei Frauen stehen vor einer Hecke.

Svitlana Makivets (r.) kam ein halbes Jahr vor ihrer Tochter Diana Nikitina (l.) nach Thüringen. Beide möchten gern bleiben.

Diana möchte nun eine Ausbildung zur Fremdsprachenassistentin machen. Die beiden wollen sich hier etwas aufbauen - und in Thüringen bleiben. Auch sie vermissen Infrastruktur für den kleinen Ort: "Wir wünschen uns ein Geschäft, wo wir einkaufen können, und eine bessere Verkehrsanbindung von Eckolstädt."

Menschen zusammenführen und Vorurteile abbauen

Der Ortsteilbürgermeister Axel Schörnig (parteilos) ist sich der gespaltenen Fronten bewusst. Er fordert keine leeren Versprechungen mehr von Thüringer Spitzenpolitikern - und wünscht sich eine stärkere Präsenz der Politiker. "Es sind zu viele Menschen, die Infrastruktur haut nicht hin", kritisiert er.

Ein Mann steht vor einem Plattenwohnblock.

Ortsteilbürgermeister Axel Schörnig ist sich der gespaltenen Fronten bewusst.

Trotz der Spannungen gibt es auch Lichtblicke. Im Wohnblock der Asylsuchenden leben auch rund 200 Kinder. Ein Kindergarten und ein Jugendclub bieten Raum für Begegnungen, und die Gemeinde plant, den Sportplatz um ein Volleyballfeld zu erweitern. Diese Maßnahmen sind Schritte, um das Zusammenleben zu fördern, wie der Ortsteilbürgermeister betont.

Eckolstädt steht vor der Aufgabe, die Menschen zusammenzuführen und Vorurteile abzubauen. Die Zukunft des Dorfes hängt auch davon ab, wie erfolgreich die Integration der Geflüchteten gestaltet wird. Die Herausforderungen sind groß, doch groß ist auch die Hoffnung auf ein besseres Miteinander.

Das sagen unsere User

Die Unterbringung wurde fast einhellig kritisiert: "Kranke Idee...und sich dann wundern, dass die Integration nicht klappt" (G_Kellner) oder "Was denken sich Politiker einfach dabei" (faultier). Während mattotaupa und part ("Die meisten Asylunterkünfte waren schon immer an Orten und Immobilien, wo der Hund begraben liegt") dazu auf die niedrigeren Kosten im Vergleich zu Städten verwiesen, sah es Anni22 gelassener: Aus ihrer Sicht ziehen die Bewohner ohnehin bald aus dem "Durchgangsquartier" weiter.

Sie befürchtete aber in den Städten dann ein "Desaster" wie in Frankreich, ähnlich wie Altmeister 50, der Zustände annahm mit scharf abgegrenzten Wohngebieten je nach Herkunft, Kultur und Einkommen ohne gegenseitigen Kontakt, aber mit hoher Kriminalitätsrate. Aus Sicht von Peter aus DD wäre das aber nur die Folge, "wenn keine Integration erfolgt. Es gibt genügend Beispiele, was eine gute Integration bewirkt. Ein Dorf kann dies allerdings nicht leisten und somit ist die Chance vertan." part sah dabei den Staat in der Verantwortung "sterbende Infrastruktur" auf dem Land zu verhindern: "Steuerbegünstigung oder Subventionen für Tante-Emma-Läden und Kneipen würden hier Abhilfe schaffen, statt dessen werden noch die rollenden Versorger kujoniert."

Für Unterbringung in der Stadt warb auch Martyn_Petrowitsch mit dem Argument der besseren Integration und mehr Kontakt- und Informationsmöglichkeiten unter den Flüchtlingen - entgegnet durch Atze71 mit "Genau...und man kann dann besser Parallelgesellschaften bilden." Dagegen sah emlo die Wahrscheinlichkeit dafür höher, wenn Flüchtlinge in "Ghettos" wie den Eckolstädter Wohnblock "gepfercht" und weder in Arbeit noch die Gesellschaft integriert würden. Auch für Sigrun sind Probleme zwangsläufig, wenn so viele Menschen unterschiedlicher Herkunft in einem Wohnblock lebten. "Natürlich kann man weiter mit Ablehnung und Hetze reagieren, für uns alle ist jedoch langfristig der bessere Weg, Menschen zu helfen, in diesem Land anzukommen."

Diese Sicht teilte DIT nicht: "Allein der Umstand, dass Flüchtlinge so untergebracht werden müssen, zeigt, dass die Aufnahmekapazität erschöpft ist. Wir kommen nicht um die unangenehme Diskussion herum, wie eine Begrenzung erfolgen kann" - worauf G_Kellner grimmig erwiderte "Mit oder ohne Schießbefehl an den Grenzen?" DIT sprach sich zudem für ein transparentes Ausländerrecht aus.

MDR (lal/jn)