Thüringen Gera als Smart City: Was ist aus der Euphorie geworden?
2020 startete Gera mit viel Elan als Smart-City-Modellkommune. Damals mit großer Bürgerbeteiligung. Fünf Jahre später scheint allerdings nicht mehr viel übrig zu sein von der Euphorie. Wir haben nachgefragt.
Etwas versteckt am Rande des Geraer Märchenmarktes, nahe dem Gymnasium "Rutheneum", bereiten Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung den großen Gera-Würfel vor. Ein Messestand, an dem sich die Einwohner über das Smart-City-Projekt informieren können.
Der Platz abseits vom Weihnachtstrubel ist für Weihnachtsmarktbesucher leicht zu übersehen. So wie auch das Smart-City-Projekt selbst, das 2020 mit 7,5 Millionen Euro Fördermitteln und viel Öffentlichkeit ins Leben gerufen wurde. "Es sind eben viele kleine Teilprojekte", sagt die neue Projektleiterin Petra Rassmann. "Je nach Interessenlage ist es eben für den einen sichtbarer als für andere."
Geras Weg zur Smart City
Elf Projekte bearbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung aktuell. Viele davon wurden bereits in der "Strategiephase" ab 2019 entwickelt. Damals wurden die Bürger selbst aktiv und entwickelten ihre Vorstellungen von einer smarten Stadt Gera. In verschiedenen Arbeitsgruppen und Workshops wurden Ideen gesammelt. Auch während der Corona-Pandemie gab es einen regen Austausch. Dafür wurden neue Online-Formate getestet. Ende 2020 konnten die Projektteams 17 Pilotprojekte vorstellen.
Doch für die Vergabe der Fördermittel gelten hohe Hürden. Deshalb wurden zunächst nur drei der Projekte bestätigt. Ein wichtiger Faktor ist zum Beispiel, dass die Projekte nicht nur einen Gera-Bezug haben dürfen. Die verschiedenen Smart City-Modellkommunen sollen sich vernetzen und voneinander lernen. "Dass wir das Wissen, was wir sammeln, weiternutzen", sagt Stadtverwaltungs-Mitarbeiter Sven Gruner. "Und es anderen Kommunen weitergeben, die die gleichen Probleme haben wie wir."
Altglas-Container mit Sensoren ausgestattet
Schon früh rollten die Geraer mehrere Sensorik-Projekte aus. Eines beschäftigt sich mit den 240 Altglas-Containerstandorten in Gera. Inzwischen wurden alle mit Sensoren ausgestattet, die den Füllstand der Container messen. Laut André Rudolph von der Abfallwirtschaft Gera ein Erfolgsmodell: "Wir haben viel weniger Anrufe von Bürgern, dass Glasbehälter überfüllt sind." Die Fahrer des Entsorgungsunternehmens würden für ihre Tourenplanung das digitale Cockpit von Smart City Gera nutzen.
Sensoren auf den Altglas-Containern messen die Füllstände der Behälter.
Das digitale Cockpit ist das Herzstück des Projektes. Hier laufen alle gesammelten Sensordaten aus dem Stadtgebiet zusammen. Nicht nur die von den Altglas-Containerstandorten.
Für das Smart-City-Projekt wurden überall in der Stadt Sensoren für Temperatur, Feinstaub und Feuchtigkeit verbaut. Außerdem Pegelmesser in den Flüssen. Sie dienen dem Hochwasserschutz und sollen frühzeitig vor steigenden Pegelständen warnen. In Zukunft sollen sie selbstständig Alarm auslösen.
Bei allen Smart-City-Projekten steht der langfristige Nutzen im Vordergrund. Auch nach Abschluss der Projektlaufzeit sollen die smarten Helfer weiter genutzt werden.
Smart-City-Projekt will sichtbarer werden
Nicht nur mit Sensoren, auch mit QR-Codes wollen die Smart City-Pioniere in Gera punkten. Auf dem Märchenmarkt können die Besucher die Codes bei den aufgestellten Figuren scannen und dann den Märchen lauschen. Ein Riesenspaß vor allem für die kleinen Gäste. Inzwischen gibt es QR-Codes auch im Tierpark - mit vielen Informationen über die Tiere in Geras beliebtestem Ausflugsziel.
Mit QR-Codes können die Besucher des Märchenmarktes mehr über die Figuren erfahren.
Viele kleine Schritte sollen Gera smarter machen. Laut Petra Rassmann erwarten viele aber vom Smart-City-Projekt plötzlich eine völlig neue Stadt. Dass funktioniere nicht, sagt sie. Schließlich müssen alle Projekte Stück für Stück in eine vorhandene Infrastruktur eingebaut werden. Trotzdem sprechen viele in diesem Jahr von Stillstand bei Smart City.
Jetzt wollen wir zeitnah sichtbarer für die Menschen werden. Petra Rassmann | Projektleiterin Smart City Gera
Das liege vor allem an der neuen Struktur und dem Umzug ins Stadtplanungsamt, heißt es aus der Stadtverwaltung. Das neue Team habe sich erst einmal finden müssen. "Wir haben uns alle Projekte noch mal angeschaut", sagt Petra Rassmann. "Jetzt wollen wir zeitnah sichtbarer für die Menschen werden."
Petra Rassmann leitet das Projekt Smart City Gera.
Bürgerbeteiligung und Energieeffizienz im Fokus
Zwei Jahre hat Gera noch Zeit für die smarte Wende. Dann verfallen die Fördermittel. Deshalb geben die neuen Mitarbeiter nun Gas und nehmen sogar noch zwei neue Projekte in Angriff: ein Portal zur Bürgerbeteiligung bei der Stadtplanung. Und eine Webseite, auf der Vereine Zeiten in Geras Sportstätten buchen können.
Außerdem setzen die Geraer ein weiteres Sensorik-Projekt um. Gemeinsam mit der Hochschule Zwickau und dem größten Vermieter TAG Wohnen wollen sie dem Wärmeverbrauch bei Wohnblöcken, Schulen und Verwaltungsgebäuden auf den Grund gehen. Drei frühere DDR-Systembauten sind Blaupause für die energetische Sanierung in der "Platte".
Auch die "Platten" sollen künftig mit Sensorik ausgestattet werden.
Hier will auch Klimamanager Thomas Krauße beweisen, dass die Häuser besser sind als ihr Ruf. "Vor allem sind die Wohnblöcke deshalb so interessant für uns, weil es so viele gibt", sagt Krauße. "Wenn wir es schaffen, in einem den Energieverbrauch zu senken, können wir die Erfahrungen auf viele übertragen."
Niedrigere Energiekosten in Geras größtem Wohngebiet Lusan? Das dürfte sicher auch die noch immer über 20.000 Bewohner dort freuen. Damit kommt die Smart City Gera sicher auch endlich in den Köpfen der Geraer an.
MDR (alb/cfr)