Holzbündnis

Thüringen Statt Bayern oder China: Wie heimisches Holz mehr in Thüringen verwendet werden soll

Stand: 05.08.2024 06:44 Uhr

Das Land Thüringen will den Holzbau weiter vorantreiben. Mit dem nachwachsenden Rohstoff soll nicht nur umweltfreundlich gebaut, sondern auch die Wirtschaft in Thüringen gestärkt werden. Was es dafür vor allem braucht: eine nachhaltige regionale Wertschöpfungskette. Ein wirtschaftsnahes Forschungsinstitut ist dafür in Suhl geplant. Ein Interview mit dem Erfurter Professor Erik Findeisen.

Von Lisa Wudy, MDR THÜRINGEN

Noch geht ein Großteil des in Thüringen geernteten Holzes, nachdem es in regionalen Sägewerken bearbeitet wird, zur Weiterverarbeitung in andere Teile Deutschlands oder raus in die Welt. Das Bündnis "Holz-21-regio" ist dem Weg des Holzes auf der Spur, erforscht in mehreren Projekten innovative Ideen zur Holznutzung und will den Thüringer Wald zur Vorbildregion entwickeln.

Welche Vorteile das für Thüringen bieten kann und wie das gelingen soll, haben wir den Bündnissprecher und Professor an der Fachhochschule Erfurt, Erik Findeisen, gefragt.

Das von Land und Bund geförderte Bündnis "Holz-21-regio" besteht aus vielen unterschiedlichen Mitgliedern wie Unternehmen, Instituten, der Landesforstanstalt oder auch Kommunen. Das gemeinsame Ziel: eine Wertschöpfungskette basierend auf dem heimischen Holz in Thüringen aufbauen. Warum halten Sie das für notwendig?

Einmal deswegen, weil wir im Sinne des Klimaschutzes uns Gedanken machen müssen, welche Materialien, welche Rohstoffe wir zukünftig verwenden wollen. Bis jetzt ist unsere Wirtschaft ja im Wesentlichen darauf aufgebaut, dass wir Rohstoffe aus anderen Ländern, anderen Erdteilen beziehen. Teilweise mit erheblichen Transport- und Energieaufwendungen.

Nun kann man nicht alle Materialien ersetzen, aber man könnte in vielen Bereichen holz- oder pflanzenbasierte Materialien nutzen. Und da spielt Holz insbesondere aus nachhaltiger Forstwirtschaft eine erheblich große Rolle.

Vor allem im Holzbau steckt viel Potenzial, denn dadurch kann zum Beispiel langfristig CO2 gespeichert werden. In welchen Bereichen bietet Holz noch Potenzial?

Also im Bauwesen liegt das größte Potenzial, weil ja auch der größte Teil der CO2-Emissionen aus dem Bauwesen kommt. 60 Prozent des Abfalls, den wir erzeugen, kommt aus dem Bauwesen. Es geht aber weiter. An so einem Baum sind ja nur circa 50 Prozent Holz, was wir so per se im Bau verwenden können.

Blick über Holzstämme vor Gebäude, Sägewerk.

Das Bündnis "Holz-21-regio" hat sich zum Ziel gesetzt, dass das Holz aus dem Thüringer Wald verstärkt in der Region weiterverarbeitet wird somit die Wertschöpfung vor Ort bleibt.

Der restliche Anteil könnte beispielsweise für den Fahrzeugbau und ganz klassisch in der Möbelindustrie verwendet werden. Auch in der Zellstoffproduktion mit allen möglichen Nachfolgeproduktionen wie Textilherstellung, wo Holzfasern genutzt werden können. Auch Lignin kann im Rahmen der Zellstoffproduktion extrahiert werden und ist für Zwecke verwendbar, die wir vom Erdöl kennen. Aber hier bedarf es eben noch erheblicher Forschung.

Für den Thüringer Wald hat es natürlich den Vorteil, dass wir sehr viel Holz im Vorrat noch stehen haben, auch wenn natürlich jetzt die Fichte stark zurückgeht. Aber diese Flächen werden Wald bleiben. Im Rahmen des Waldumbaus werden natürlich auch andere Baumarten, vor allen Dingen auch Laubholz, wachsen.

Wenn wir uns jetzt mit der Holzverwendung und innovativen Produkten beschäftigen, sorgen wir dafür, dass auch die nachfolgenden Generationen dann mit diesem Holz, was dort wächst, eben ähnliche klimaschutzfreundliche Wirtschaftsformen etablieren und fortsetzen können.

Welche Chancen kann das konkret für Thüringen bedeuten?

Dass die starken industriellen Bereiche, die auch in der Forschung stark sind - also Optik, Sensorik, Fahrzeug- und Sondermaschinenbau, Robotik -, angefangen vom klimaresilienten Waldumbau bis zur Verwendung des Holzes gute Möglichkeiten haben, neue Technologien zu entwickeln.

Damit verbunden ist auch eine wirtschaftliche Entwicklung. Das heißt also, dass Firmen, die in Thüringen und dem Thüringer Wald angesiedelt sind, Produkte entwickeln, herstellen und vertreiben können und damit auch eine Strukturentwicklung insbesondere in der ländlichen Region im Thüringer Wald wiederbeleben. Dafür braucht es das Know-how, Fachkräfte und junge Leute.

In unterschiedlichen Forschungsprojekten wird der Ist-Stand in Thüringen untersucht. Was braucht es, um diese Strukturen einer regionalen Wertschöpfungskette – von der nachhaltigen Fortwirtschaft bis zur Holzverarbeitung und dem Holzbau – aufzubauen?

Der Ist-Stand ist, dass wir in diesen starken Industriebereichen gut aufgestellt sind. Allerdings fehlt eine Vernetzung insbesondere mit der Forst- und Holzwirtschaft. Das hat sich jetzt im Rahmen der Tätigkeit des Bündnisses schon verbessert. Zum Beispiel arbeiten das Fraunhofer Institut oder auch Fakultäten oder Institute der Technischen Universität Ilmenau mit Firmen aus dem Thüringer Wald zusammen. Da wird zum Beispiel Robotertechnik entwickelt, die in der Forstwirtschaft zum Einsatz kommt.

Das Problem ist, dass die Wertschöpfungsketten im Wesentlichen nach der ersten Verarbeitungsstufe des Holzes, also nach den Säge- oder Zellstoffwerken, abreißen. Dort haben wir also nur sehr wenige Beispiele von Firmen, die Holz wertschöpfend verwenden oder Produkte aus dem Holz fertigen. Dort müssen wir auf alle Fälle etwas tun.

Um mal ein konkretes Beispiel zu nehmen: Wir brauchen Betriebe, die serielle Holzbauteile herstellen, aus denen man dann mehrstöckige Holzgebäude bauen oder Dämmungen für vorhandene Gebäude errichten kann. Hier sind wir also noch nicht so gut aufgestellt. Wir haben einzelne kleinere Firmen, die auch im Holzbau tätig sind. Aber hier brauchen wir unbedingt noch innovative Firmen dazu. Dabei geht es nicht darum, jetzt irgendwelche Gigafabriken zu bauen, sondern wir brauchen kleinere mittelständische Betriebe, die einen geringen Einzugsradius haben.

Sie sagten, die Wertschöpfungskette reißt ab. Was passiert mit dem Holz, nachdem es in den Säge- oder Zellstoffwerken verarbeitet wurde?

Die Produkte die daraus gefertigt werden, im Sägewerk etwa Bretter und Kanthölzer, werden eben nicht mehr hier für eine werthaltige Produktion verwendet, sondern werden exportiert, gehen in andere Länder. Im Projekt AgiHolz soll das optimiert werden. Wir sehen aber in diesem Projekt auch, dass es sehr schwierig ist, überhaupt nur Daten zu bekommen, wo genau welches Holz hingeht, wie weit es transportiert wird und für welche Wertschöpfungskette es am Ende genutzt wird. Das ist sehr, sehr schwer nachzuvollziehen und es gibt kaum ernsthaft verwendbare Daten.

Aber klar wird, dass wir den Großteil des Rohholzes und anderer Produkte, die hier genutzt werden könnten, eben leider nicht für eine Wertschöpfung in Thüringen oder gar im Thüringer Wald verwenden. Größtenteils geht es nach Süddeutschland, Österreich und in die USA. Rohholz geht im Moment viel nach China. Nach den Daten die wir ermittelt haben - auch wenn es nicht 100-prozentig nachvollziehbar ist -, gehen etwa 70 bis 80 Prozent dieser Produkte aus Thüringen raus und werden dort veredelt.

Um die Wertschöpfungskette Holz - vom Rohstoff bis zu innovativen Baustoffen und Holzprodukten - hier in Thüringen zu etablieren, soll ein Holzcluster aufgebaut werden. Das ehemalige Plattengebiet Suhl-Nord spielt dabei eine große Rolle, denn dort soll unter anderem ein wirtschaftsnahes Forschungsinstitut entstehen. Wie soll das Institut dazu beitragen, die Wertschöpfung in Thüringen zu halten?

Ganz wesentlich ist, dass wir das Zusammenbringen der Firmen, der Organisationen, der Forschungseinrichtungen im Thüringer Wald verstetigen. Dass wir den direkten Kontakt zu Firmen, Kommunen und den Bürgern haben, die mit sehr guten Ideen dort auch an uns herantreten. Das soll in Form eines wirtschaftsnahen Forschungsinstituts passieren.

Es geht wirklich um die Vernetzung der unterschiedlichen Kompetenzen, um dort gemeinsam neue Produkte zu entwickeln - und die Firmen diese Produkte eben auch produzieren können, damit Geld verdienen können und damit natürlich wieder Strukturen entwickeln. Da haben wir sehr gute Firmen in Thüringen, die sich beteiligen.

Welche Rahmenbedingungen braucht es noch, damit der Aufbau eines Holzclusters in Thüringen funktionieren kann?

Wenn wir beim Beispiel Holzbau bleiben, brauchen wir ganz einfach die Nachfrage aus dem Baubereich nach Holzbau. Dort müssen entsprechende Rahmenbedingungen vorhanden sein, dass das Holz auch so verbaut werden kann, dass keine künstlichen Hindernisse etwa in Sachen Brandschutz aufgebaut sind.

Auf der anderen Seite wird der Markt natürlich dadurch eröffnet, in dem auch Produkte da sind, die seriell produziert werden, also nicht mehr erheblich teurer sind als andere Bauweisen. Im Moment fehlen die Produkte.

Zum anderen braucht es natürlich auch den politischen Willen, etwas zu verändern. Das heißt also, dass Gelder auch bereitgestellt werden, um Bürger gerade jetzt aus dem Thüringer Wald eben in solchen Bemühungen zu unterstützen. Bei den gesetzlichen Vorschriften im Baubereich hat sich schon viel getan in den letzten Jahren, das muss natürlich weitergehen und auch deutschlandweit harmonisiert werden.

Wenn wir nach Österreich gucken oder in die Schweiz, dann sieht man ja, was mit Holz alles möglich ist. Da hat Deutschland noch etwas Nachholbedarf. Aber da sind derzeit schon erhebliche Bewegungen im Gange, auch in unseren Nachbarländern. In Thüringen ist der Wille bei vielen schon da, nur muss es jetzt in die Tat umgesetzt werden. Aber da bin ich sehr positiv gestimmt, dass das in Thüringen auch gelingen wird.

Vielen Dank für das Interview!

Anmerkung der Autorin: Das Interview ist im Artikel gekürzt. Die ungekürzte Fassung hören Sie im Audio. 

MDR (gh)