Thüringen Mundgeblasener Christbaumschmuck: Wie es um das traditionelle Handwerk aus Thüringen steht
In Lauscha eröffnet am Samstag der traditionelle Kugelmarkt. Zum 32. Mal präsentieren sich regionale Glasbläser mit ihren neuesten Kreationen. Doch das traditionelle Kunstgewerbe steht unter Druck: Die Energiepreise sind hoch, die Verpackungskosten gestiegen, hinzu kommt Konkurrenz aus dem Ausland. Wirklich existenzbedrohend ist jedoch ein anderer Faktor.
Einen Glasbläser aus Lauscha zu dieser Zeit im Jahr zu erreichen, ist ziemlich schwierig. Entweder ist er auf der Autobahn unterwegs zu Weihnachtsmärkten, oder er arbeitet unter Hochdruck Bestellungen ab.
Wie zum Beispiel Andreas Tresselt. Der Glasbläser hat seine Produktionsstätte, die gleichzeitig Ladenlokal ist, direkt an der Hauptstraße in Lauscha. Hautnah kann man dort erleben, wie er aus Glasstäben Kunstwerke formt. Es einer dieser authentischen Orte, die Lauscha ausmachen.
Andreas Tresselt arbeitet in seinem Lauschaer Ladenlokal an neuen Christbaum-Kreationen.
Auch Helmut Bartholmes hat jede Menge zu tun: "Obwohl die Märkte gerade erst eröffnen, gehen jetzt schon Nachbestellungen ein." Ihm gehört der Familienbetrieb "Thüringer Weihnacht" in Limbach, einem Ortsteil von Neuhaus am Rennweg. Bartholmes ist außerdem Obermeister der Thüringer Kunstglasbläserinnung.
Gerade zu Weihnachten wollen sich Menschen eine Freude machen und dann lassen sie sich handgefertigte Produkte auch etwas kosten. Helmut Bartholmes | Obermeister der Thüringer Kunstglasbläserinnung
Stabile Absatzzahlen trotz schwachem Saisonauftakt
Das Jahr 2024 ist für die Glasbläser eher schwach gestartet, sagt Bartholmes. Auf der wichtigsten Messe der Branche, der "Christmasworld" in Frankfurt seien die Händler im Januar zurückhaltend gewesen.
Offenbar herrschte Unsicherheit darüber, wie kauffreudig die Kunden in diesem Jahr sein werden. Nach den Weihnachtsbestellungen hätten sich die Absatzzahlen aber stabilisiert und befänden sich nunmehr auf Normalniveau, so die Einschätzung des Innungsobermeister.
Helmut Bartholmes ist Obermeister der Thüringer Glasbläserinnung. Er kennt die Branche gut.
Bartholmes hat in seinem schon einige Jahre dauernden Berufsleben die Erfahrung gemacht, dass die Glasbläserbranche im Großen und Ganzen ziemlich krisensicher ist: "Gerade zu Weihnachten wollen sich Menschen eine Freude machen und dann lassen sie sich handgefertigte Produkte auch etwas kosten."
Produkte mit "kulturellem, sozialem und ökologischem Wert"
Ähnlich beschreibt das auch Norbert Zitzmann. Er ist seit einigen Monaten Geschäftsführer der Farbglashütte in Lauscha. Vorher war er 18 Jahre lang Bürgermeister in Lauscha und damit voll in der Materie drin.
Er sagt: "Die Menschen schätzen den kulturellen Wert des Produkts." Dazu versuche die Farbglashütte auch die ökologischen und sozialen Vorzüge für die Kunden sichtbar zu machen: "Unsere Produkte müssen nicht um die Welt geschifft werden, gleichzeitig ernähren sie hier vor Ort Familien und stärken die regionale Wirtschaft."
Norbert Zitzmann ist Geschöftsführer der Farbglashütte in Lauscha. Er betont den kulturellen Wert des Lauschaer Christbaumschmucks.
Produktpreise haben Schmerzgrenze erreicht
Dennoch berichtet auch Zitzmann von einem zögerlichen Verhalten bei den Händlern in diesem Jahr. In seinem Unternehmen sei die Zahl der Bestellungen um einen Wert im zweistelligen Bereich eingebrochen. Ein Grund ist sicher, dass die Produkte teurer geworden sind.
Die Glasbläser sehen sich gezwungen, gestiegene Produktionskosten zumindest teilweise auf die Kunden umzulegen. Neben den hohen Energiepreisen sind vor allem die gestiegenen Verpackungskosten, weil auch Pappe teurer geworden ist, eine Belastung.
Jedes Teil ein Unikat: Doch das kostet auch immer mehr.
Innungsobermeister Bartholmes beziffert den Preisanstieg für den Endkunden bei seinen Produkten mit durchschnittlichen acht Prozent. Für ihn ist klar: "Wir sind bei einer Schmerzgrenze angekommen, mehr können wir den Kunden nicht zumuten."
Wir sind bei einer Schmerzgrenze angekommen, mehr können wir den Kunden nicht zumuten. Helmut Bartholmes | Obermeister der Thüringer Kunstglasbläserinnung
Zitzmann von der Farbglashütte verfällt bei den Herausforderungen und diesjährigen Schwankungen in den Bestellzahlen trotzdem nicht in Panik: "Es kann natürlich auch an unseren neuen Designs liegen", scherzt er - nachdem er gerade stolz einen gläsernen Füllfederhalter aus einer neuen Upcycling-Linie, bei der Bruchreste verarbeitet werden, vorgeführt hat.
Onlinehandel wächst seit Corona kontinuierlich
Für viele etabliert, hat sich laut Batholmes indessen der Onlinehandel: "Viele Hersteller haben das während der Coronakrise eingeführt und sind dabei geblieben." In seinem Betrieb macht das Onlinegeschäft mittlerweile etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes aus - bis zu 60 Pakete verschickt der Glasbläser pro Tag aus dem kleinen Südthüringischen Limbach in die ganze Welt.
Konkurrenz aus Osteuropa
Ein weiteres Thema für die Lauschaer Glasbläser ist die Konkurrenz aus dem Ausland. Mit maschinell gefertigter Massenware aus China steht die Marke Lauscha nicht im Wettbewerb, dafür aber mit ebenfalls handgemachten Produkten aus beispielsweise Polen und der Ukraine, so Innungsobermeister Bartholmes.
Auch dort gebe es Anbieter von mundgeblasenem Christbaumschmuck - mit dem Unterschied, dass er dort günstiger produziert werden kann. Dennoch kommt an das Maß an Tradition und Originalität, für das Lauscha steht, wohl bisher niemand ran. Das zeigt auch der Titel immaterielles Unesco-Weltkulturerbe, der dem in Südthüringen produzierten Christbaumschmuck im Jahr 2021 verliehen wurde.
Geschrumpfter Kugelmarkt macht drängendstes Problem sichtbar
In den nächsten Wochen bereitet sich Lauscha beim 32. Kugelmarkt wieder auf tausende Besucher vor. Laut Stadt werden sich in diesem Jahr mindestens 30 regionale Christbaumschmuck-Hersteller präsentieren. Im Vergleich zu den Vorjahren fällt auf, dass der Markt deutlich geschrumpft ist - noch vor ein paar Jahren gab es doppelt so viele Stände.
Fehlender Nachwuchs im Glasbläserhandwerk
Ein Umstand, der Licht auf das drängendste Problem der Branche wirft: Es fehlt der Nachwuchs. Viele Glasbläser sind in den vergangenen Jahren in den Ruhestand gegangen und es gibt keine Nachfolger. Anderen noch existierenden Betrieben fehlt es an Mitarbeitern, die für den Markt abgestellt werden können.
Auch Glasbläser Andreas Tresselt berichtet, dass er sich verkleinern wird. Seinen authentischen Laden mit Produktionsstätte will er im kommenden Jahr aufgeben. Die Miete als fixer Posten sei zu teuer. Bis zum Ruhestand werde er zuhause produzieren, wenngleich die Kapazitäten dadurch schrumpfen.
MDR (jw)