Der Tourbus der englischen Fußball-Nationalmannschaft fährt zum EM-Finale nach Berlin.

Thüringen Nach Lagerkoller und Fahrradunfall: Was bleibt von der Fußball-EM in Blankenhain?

Stand: 16.07.2024 16:29 Uhr

Am Sonntag verlor Englands Fußball-Nationalmannschaft das EM-Finale. Tags zuvor hatten die "Three lions" ihr Quartier in Blankenhain geräumt, in dem sie über Wochen hinweg residiert hatten. Was bleibt davon hängen?

Von Conny Mauroner, MDR THÜRINGEN

Die Fußball-Europameisterschaft ist Geschichte und auch in Blankenhain im Weimarer Land werden Spuren beseitigt. Vieles wird aber sehr lange an die Uefa Euro 2024 erinnern: Ein neuer Rasenplatz in der Stadt, ein sanierter Schlossvorplatz, ein überdimensional großer Fußball an der Hauptstraße, vor allem aber persönliche Erlebnisse werden bleiben.

Das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft im Viertelfinale der EM war für die Fans bitter genug. Auch fürs Finale hätten sich die meisten Blankenhainer wohl einen anderen Ausgang gewünscht. "Die Blankenhainer tragen die englische Flagge auf der Brust", sagt Max Knabe, der in den vergangenen Wochen viele Stunden im EM-Einsatz war. Für seinen Verein, den FSV Grün-Weiß Blankenhain stand er unter anderem hinter der Theke auf der Fanmeile.

Fünf Wochen haben die Engländer im Spa- und Golfresort Weimarer Land gewohnt. Sie haben dort während der EM trainiert, Strategien ausgetüftelt - aber auch entspannt. "Die Jungs waren sehr fokussiert. Sie haben intensiv trainiert und sich trotzdem die eine oder andere Auszeit gegönnt", berichtet Resort-Chef Matthias Grafe.

Es war ein enormer Aufwand. Matthias Grafe | Resort-Chef in Blankenhain

Nach der Abreise der DFB-Elf, die kurz vor der EM in Blankenhain im Trainingslager war, hat Grafes Team das Hotel umgestaltet. "Wir haben alles nach den Wünschen der FA, dem englischen Fußballverband, umgebaut. Räume wurden neu angeordnet. Am Pool wurde ein großer Fernseher aufgebaut und auch sonst im Hotel waren Bildschirme verteilt. Wir mussten Kabelschächte ziehen und mobile Wände aufstellen. Es war ein enormer Aufwand."

Ein Mann im Anzug schaut in die Kamera

Matthias Grafe, Leiter des Blankenhainer Resorts

Engländer verbrachten viel Zeit im Hotel

Jetzt, wenige Tage nach der EM, ist davon kaum mehr etwas zu sehen. Im Hotel ist Alltag eingekehrt. Die ersten Gäste haben bereits wieder eingecheckt. Ein großes Golf-Turnier steht an. "Eine halbe Stunde nachdem die Mannschaft weg war, sind die Trucks vorgerollt und wurden beladen. Es ist enorm, was die alles mitgebracht haben." Nach und nach wurden auch die Zimmer der Sportler freigegeben. Sicherheitspersonal der Engländer hat vorher gecheckt, ob nicht irgendetwas vergessen worden ist.

"Wir haben keine Socke von Harry Kane gefunden. Allerdings mussten wir tatsächlich an einigen Ecken renovieren. Es gab Flecken auf dem Teppich und abgefallenen Putz an der Wand, wo wohl einmal ein Plakat geklebt hat." Matthias Grafe sieht es aber gelassen. "Es sind halt große Jungs, die hier eine Menge Zeit verbracht haben."

Eine Steinmauer mit Tor in der Mitte

Auch die Türen am Medienzentrum sind nach vielen belebten Wochen nun geschlossen.

Englischer Spieler Gordon mit Radunfall

Um keinen Lagerkoller zu kriegen, haben die Fußballer alles genutzt, was ihnen angeboten wurde. Die E-Bikes, die ihnen der Bikestore Knabe ausgeliehen hat, waren der Renner. "Die meisten hatten am Ende um die 200 Kilometer auf der Uhr. Das ist schon ordentlich", sagt Geschäftsführer Max Knabe.

Nur einmal ging es etwas schief: Anthony Gordon hat wohl die Bremsen verwechselt und ist gestürzt. Der englische Nationalspieler trat mit Schürfwunden am nächsten Tag bei der Pressekonferenz auf.

Ein Mann spritzt ein Fahrrad ab

Max Knabe reinigt die E Bikes, die er an die Nationalmannschaften verliehen hat.

Phil Foden begeistert am Angeln

Phil Foden hingegen mochte es weniger actionreich, weiß Matthias Grafe zu berichten. "Foden war jeden Tag angeln. Immer am späten Nachmittag hat er sich an unseren Teich gesetzt und Karpfen rausgeholt, um sie danach wieder ins Wasser zu schmeißen." Auch Dart und Videospiele standen hoch im Kurs. Und dann gab es natürlich das Fußballtraining.

Hätten es die Engländer im Finale bis ins Elfmeterschießen geschafft - das hätten sie gewonnen. Matthias Grafe |

Abgeschirmt von hohen Sichtschutzzäunen haben die Engländer vor allem Elfmeter geübt. "Der am stärksten abgenutzte Spot auf dem Fußballplatz ist der Elfmeterpunkt. Hätten es die Engländer im Finale bis ins Elfmeterschießen geschafft - das hätten sie gewonnen", ist sich Grafe sicher.

Harry Kane trainiert mit Mannschaftskollegen

Immer wieder trainierten die Engländer um Star Harry Kane in Blankenhain.

Spiele wurden auf Blankenhain-Fanmeile gezeigt

Er selbst hat das Finale gemeinsam mit seinen Mitarbeitern auf der Blankenhainer Fanmeile erlebt. Dort, wo nur mit Blankenhain-Dollar bezahlt werden konnte, wurden alle Spiele mit deutscher und englischer Beteiligung gezeigt. "Die Stimmung war so außerordentlich. Es sind Tränen geflossen und es wurde vor Euphorie geschrien", berichtet Katja Maiwald vom städtischen Bauamt.

So eine Strahlkraft hatte Blankenhain noch nie. Jens Kramer | Bürgermeister

Auch sie hatte im Vorfeld der EM alle Hände voll zu tun. "Jetzt", sagt sie, "hoffe ich, dass dieses Gefühl weitergetragen werden kann und sich die Leute erinnern, dass auch die Stadt so einiges auf die Beine stellt." Bürgermeister Jens Kramer (CDU) ist stolz auf seine Mitarbeiter und Leute in der Stadt. "Wir haben gezeigt, zu was wir im Stande sind und dass wir gute Gastgeber sind. So eine Strahlkraft hatte Blankenhain noch nie."

Landkreis kümmerte sich auch um englische Journalisten

Tatsächlich wurde und wird der kleine Ort im Weimarer Land nun auch international wahrgenommen. Vor allem englische Journalisten haben von hier berichtet. An freien Tagen hatten sie die Möglichkeit, das Weimarer Land kennenzulernen. Das Tourismusamt kümmerte sich um sie. "Wir haben unter anderem ein Food Masters veranstaltet, bei dem sie von den besten Köchen der Region verwöhnt wurden. Außerdem haben wir ihnen Touren angeboten und sie konnten die Therme in Hohenfelden nutzen."

Franziska Thomas und ihr Team aus dem Landratsamt haben außerdem jede Gelegenheit genutzt, um Broschüren, Hüte, Becher und andere Werbegeschenke zu verteilen, um das Weimarer Land bekannter zu machen. Das Feedback war positiv. "Lovely places. Super architecture. Relaxing", hieß es vonseiten der Journalisten-Kollegen aus England.

Ich werde jetzt jedes Jahr eine großartige Mannschaft hierher holen. Matthias Grafe |

"Wie viel und nachhaltig die Gastgeberrolle dem Tourismus etwas gebracht hat, werden wir erst im kommenden Jahr sehen", sagt Thomas. Die aktuelle EM hatte wenig Auswirkungen auf die Hotelauslastung im Kreis. "Allerdings waren unsere Social-Media-Auftritte ein voller Erfolg. Das neue Image-Video auf Youtube wurde sehr oft angeschaut und die Zugriffszahlen in anderen Kanälen haben sich teils verfünfhundertfacht. Wir haben enorm viele neue Follower hinzubekommen."

Hotel wirbt mit Diskretion

Franziska Thomas ist positiv gestimmt und auch Hotelchef Grafe sieht den positiven Effekt, den die EM in der Region hinterlassen hat. Er will sprichwörtlich am Ball bleiben. "Ich werde jetzt jedes Jahr eine großartige Mannschaft hierher holen", verspricht Grafe. "Der DFB war begeistert und auch der englische Fußball-Verband. Da geht sicher was."

Konkreter wird Grafe noch nicht. Genau das ist das Pfund, mit dem er wuchern kann: Das Resort ist diskret. "Kaum einer hat bemerkt, dass Pop-Star Ed Sheeran hier war und die Engländer musikalisch motiviert hat. Die Spieler hatten ihre Ruhe und wurden nicht belästigt. Diese Sicherheit kann ich ihnen bieten." Wir dürfen gespannt sein, wen Matthias Grafe wohl 2025 beherbergen wird.

MDR (dst)