Thüringen Pocket-Quads und E-Fahrzeuge für Kinder: Diese Regeln gelten im Straßenverkehr
In Weimar stoppt die Polizei einen Siebenjährigen auf einem Pocket-Quad. Dürfen Kinder damit im Straßenverkehr fahren? MDR THÜRINGEN klärt mit Rechtsanwältin Anika Klein, welche Regeln für solche Fahrzeuge gelten.
Ende September staunte die Polizei in Weimar nicht schlecht, als sie einen Siebenjährigen auf einem sogenannten Pocket-Quad aus dem Straßenverkehr zog. In der Regel sind diese weder für den Straßenverkehr zugelassen, noch dürfen sie dort von Minderjährigen gefahren werden.
Laut Polizei gibt es im Verkehrsrecht keine eigene Kategorie für "motorisierte Fahrzeuge Kinder" oder Ähnliches. Welche Regeln und Vorschriften für das jeweilige Fahrzeug gelten, ergibt sich viel mehr aus dem Fahrzeug selbst - etwa aus Bauart und Höchstgeschwindigkeit. Weil der Durchblick im Paragrafen-Dschungel oft nicht leichtfällt, hat MDR THÜRINGEN mit Rechtsanwältin Anika Klein darüber gesprochen, welche Regeln im Straßenverkehr für Pocket-Quads und ähnliche Fahrzeuge gelten.
Anika Klein ist seit 2015 als Anwältin tätig.
Frau Klein, wenn wir uns Fragen des Straßenverkehrs widmen, in welchem Rechtsbereich befinden wir uns da? Können Sie das kurz einordnen?
Ein Verstoß gegen die verkehrsrechtlichen Vorschriften zieht ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach sich und das ist quasi "Strafrecht light". Es sind also ähnliche Vorschriften wie im Strafprozessrecht oder sogar die Strafprozessordnung ist anwendbar.
Das Verkehrsrecht oder das Ordnungswidrigkeitenrecht ist ein sogenanntes Massenverfahren, sodass es um eine möglichst schnelle Abhandlung der Verkehrsverstöße geht.
Welche Vorschriften gelten denn für solche kleinen Fahrzeuge im Straßenverkehr?
Grundsätzlich gelten bei Fahrzeugen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, des Straßenverkehrsgesetzes, der Straßenverkehrzulassungsverordnung und der Fahrerlaubnisverordnung. Das sind sehr viele Vorschriften auf einmal und man muss dann konkret schauen, welche auf den Einzelfall anwendbar sind.
Eigentlich gibt es nichts Motorisiertes, das Kinder unter 14 Jahren im Straßenverkehr fahren dürfen. Anika Klein | Anwältin
Dabei muss man zwischen den einzelnen Fahrzeugarten und den Antriebsarten differenzieren. Es gibt Elektrofahrzeuge, die werden zunächst nach der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) behandelt. Wenn das Fahrzeug nicht erlaubnisfrei ist, dann fällt es darunter. Im Fall der Pocket-Quads kann man grundsätzlich sagen, dass man eine Fahrerlaubnis für diese Fahrzeuge braucht, weil sie eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h überschreiten.
Wenn man dann einen motorisierten Antrieb hat - also sobald man da Benzin reinfüllt - gelten auch Hubraumgrenzen. Da ist man eigentlich immer in der Fahrerlaubnispflicht, weil es nie unter 6 km/h und nie unter 49 Kubikzentimeter Hubraum geht. Zum Führen dieser Fahrzeuge braucht man mindestens die Fahrerlaubnisklasse AM oder höher.
Können Sie nochmal genauer erklären, welche Fahrzeuge fahrerlaubnisfrei sind und welche nicht?
Die Fahrerlaubnisfreiheit von Fahrzeugen regelt Paragraf 4 der Fahrerlaubnisverordnung. Danach sind einspurige Fahrräder mit Hilfsmotor, die nicht schneller als 25 km/h fahren, fahrerlaubnisfrei. Das sind zum Beispiel die sogenannten E-Bikes, also Elektrofahrräder. Sobald die schneller als 25 km/h fahren, braucht man dafür eine Fahrerlaubnis und auch eine Versicherung.
Dann haben wir noch Krankenfahrstühle, die auch fahrerlaubnisfrei sind, und zweirädrige Kraftfahrzeuge der Klasse L1-eB. Nach einer EU-Verordnung fallen darunter leichte Krafträder, die aber nicht schneller als 6 km/h sein dürfen. Und das sind Pocket-Bikes und Pocket-Quads selten beziehungsweise gar nicht.
Gibt es Fahrzeuge, mit denen Kinder unter 18 Jahren am Straßenverkehr teilnehmen könnten?
Also womit sie teilnehmen könnten, sind zum Beispiel Elektroroller. Da gilt dann aber auch die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV). Die sagt, dass das Mindestalter dafür 14 Jahre ist. Das heißt, alle unter 14 dürfen auch so etwas im Straßenverkehr nicht fahren.
Wenn sie wollen, dass ihre Kinder solche Fahrzeuge fahren, dann auf keinen Fall im öffentlichen Straßenverkehr und nur auf Privatgelände. Anika Klein | Anwältin
Eigentlich gibt es nichts Motorisiertes, das Kinder unter 14 Jahren im Straßenverkehr fahren dürfen. Weiterhin bleiben Fahrzeuge möglich, die durch Muskelkraft angetrieben werden, zum Beispiel Fahrräder.
Gibt es überhaupt Fahrzeuge, die für Kinder geeignet sind?
Also es gibt Spielzeuge, die nicht schneller als 6 km/h fahren. Das sind diese kleinen Autos, die viele Kinder zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt bekommen. Die sind echten Autos nachgebildet, aber viel kleiner und sie fahren mit einer kleinen Elektrobatterie. Die haben keine höhere Geschwindigkeit als 6 km/h.
Aber auch da gilt: Die Fahrzeuge sollten nicht ohne Aufsicht von Erwachsenen gefahren werden. Und mit denen darf man auch nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Das ist viel zu gefährlich.
Was sollten Eltern im Umgang mit Fahrzeugen für Kinder beachten?
Wenn sie wollen, dass ihre Kinder solche Fahrzeuge fahren, dann auf keinen Fall im öffentlichen Straßenverkehr und nur auf Privatgelände. Wichtig ist auch - das hört man immer wieder - dass Eltern mit Kindern auf Parkplätzen vor großen Einkaufszentren fahren oder auf Feldwegen. Die zählen mit zum öffentlichen Straßenverkehr, auch dort ist es nicht erlaubt.
Welche Folgen könnte das für Eltern und Kinder haben, wenn sie sich nicht daran halten?
Kinder, die unter 14 Jahre sind, sind nicht strafmündig. Das heißt, sie können nicht bestraft werden. Erst wenn sie über 14 Jahre alt sind, droht ein Strafverfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz und dem Straßenverkehrsgesetz.
Die Eltern, die es erlauben, machen sich nach Paragraf 21 Straßenverkehrsgesetz strafbar: Fahren ohne Fahrerlaubnis. Der Tatbestand umfasst auch das Fahren lassen von Verkehrsteilnehmern, die keine Fahrerlaubnis haben. Sind werden dann genauso bestraft, als wären sie selbst ohne Fahrerlaubnis gefahren. Ihnen droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Eine weitere sogenannte Nebenfolge wäre etwa der Entzug des Führerscheins.
Hinzu kommt, dass sich die Eltern unter Umständen auch nach dem Pflichtversicherungsgesetz strafbar machen. Das heißt, wenn die Fahrzeuge versicherungspflichtig sind, also eine Haftpflichtversicherung brauchen und sie die nicht haben, dann verstößt man auch gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Dann hat man mit einer Handlung zwei Straftatbestände erfüllt und bekommt dann entsprechend eine höhere Strafe.
Eine Haftpflichtversicherung braucht man für jedes Fahrzeug mit einer Höchstgeschwindigkeit ab 6 km/h. Auch Ausnahmen sind im Gesetz geregelt. Beispielsweise braucht man für E-Bikes, die schneller als 25 km/h fahren, eine Fahrerlaubnis und für E-Roller, die schneller als 20 km/h sind, braucht man dann auch eine Versicherung.
Anika Klein ist Rechtsanwältin und Strafverteidigerin mit eigener Kanzlei in Erfurt. Sie ist im zehnten Berufsjahr und seit 2019 Fachanwältin für Strafrecht. Außerdem zählt das Ordnungswidrigkeitenrecht zu ihren Tätigkeitsfeldern, wozu auch das Verkehrsrecht zählt. Seit 2021 wurde Anika Klein von der Zeitschrift "Focus" vier Mal in Folge als eine von Deutschlands 1.000 Top-Anwältinnen ausgezeichnet.
MDR (cfr)