Menschen sitzen in einem Fernsehstudio an Tischen.

Thüringen "Politiker auch mal in die Bredouille bringen": Das sagen Besucher der MDR-Wahlarena

Stand: 27.08.2024 16:02 Uhr

Wählerinnen und Wähler aus Thüringen mit ihren Anliegen zu Wort kommen lassen - das war das Ziel der MDR-Sendung "FAKT IST!"-Wahlarena Thüringen. Rund 40 Personen haben die Spitzenkandidaten mit ihren Fragen gelöchert. Wer war mit dabei und waren die Gäste mit den Antworten zufrieden?

Von Elisabeth Czech, MDR THÜRINGEN

Paula Wallendorf ist die Jüngste unter den Publikumsgästen. Die 19-Jährige studiert Staatswissenschaften im 2. Semester in Erfurt. Was sie dazu motiviert hat, bei der Sendung dabei zu sein: Ihr sei aufgefallen, dass nur wenige junge Menschen ihre Zukunft in Thüringen sehen würden.

Fakt ist! Wahlarena Thüringen: Fragen aus dem Publikum

Weniger Jobmöglichkeiten für Geisteswissenschaftler

Sie fragt die Spitzenkandidatin der Grünen, Madeleine Henfling: "Welche Ansätze haben Sie, um Thüringen unter anderem für junge Frauen wie mich attraktiv zu machen?"

Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen: In Thüringen gibt es einige Regionen, in denen es einen Männerüberschuss von über 20 Prozent gibt. Zum Beispiel im Ilm-Kreis, wo in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen 100 Frauen 140 Männern gegenüberstehen. In Suhl kommen auf 100 Frauen 138 Männer in der Altersgruppe.

Paula Wellendorf, Studentin in Erfurt

Paula Wallendorf ist Studentin der Staatswissenschaften in Erfurt.

Zunächst gibt Henfling der Studentin Recht, dass Strukturen fehlen, um Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftlern in Thüringen Jobs zu ermöglichen. Es gäbe wenige Nichtregierungsorganisationen als Arbeitgeber in Thüringen, aber dafür die Möglichkeit, in Museen oder Kultureinrichtungen zu arbeiten. Sie erklärt Paula Wallendorf zu ihrem Studiengang, "dass gerade Staatswissenschaftler zunehmend in Verwaltungen und im öffentlichen Dienst gebraucht werden".

Thüringer Unternehmen sollen höhere Löhne zahlen

Ein anderes Thema beschäftigt Silvio Bürger: Die niedrigen Löhne und Renten in Thüringen. Er arbeitet im IT-Support einer Softwareentwicklungsfirma in Erfurt und möchte, "dass man den Kleinunternehmen und mittelständischen Unternehmen Anreize gibt, höhere Löhne zahlen." 

Wenn man seinen Rentenbescheid bekommt, weiß man nicht, ob man darüber heulen oder lachen soll Silvio Bürger |

Er steigt mit seiner persönlichen Geschichte ein: "Ich habe zu einer Zeit angefangen zu arbeiten, bei der die Löhne bei fünf Euro in der Stunde und weniger lagen." Er arbeite seit 20 Jahren und zahle lange in die Sozialversicherung ein. Und trotzdem: "Wenn man seinen Rentenbescheid bekommt, weiß man nicht, ob man darüber heulen oder lachen soll", erklärt der 40-Jährige. FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich soll für ihn die Frage beantworten: "Wie gelingt es, dass in Thüringen mehr Lohn gezahlt wird und die Renten steigen?"

Kemmerich

Für FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich baucht Thüringen mehr Firmen mit "High End Produkten".

Das Schulsystem muss besser werden

Laut Kemmerich müsste man einen Schritt früher ansetzen. Es bräuchte mehr Firmen mit "High End Produkten" in Thüringen. Damit diese Firmen sich für Thüringen als Standort entscheiden, "dazu muss das Schulsystem besser werden, denn dann kommen die Firmen auch hierhin wegen des Potenzials der Mitarbeiter."

Zoltan Sviderszky hingegen brennt die Corona-Aufarbeitung auf den Nägeln. Er unterstellt, dass die Politiker lügen würden: "Viele versuchen, sich jetzt wegzuducken, Menschen, die gebrandmarkt wurden, die diffamiert wurden, die ihre Jobs verloren haben, Kinder, die nicht in die Schule gehen können - das hätte nicht sein müssen."

Covid-Patienten aus Thüringen nach Hannover geflogen

Der 53-Jährige konfrontiert Ministerpräsident Bodo Ramelow mit der damals in der Wochenzeitung "Die Zeit" abgedruckten Aussage, dass Ungeimpfte in Krankenhäusern in Thüringen nicht mehr behandelt werden können. Bodo Ramelow erklärt, "an dem Tag sind mehrere Patienten in ein Krankenhaus in Hannover mit dem Hubschrauber geflogen worden." Er sei missverstanden worden, denn es ging ihm darum, Menschenleben zu retten. 

Es sind mehrere [Corona-]Patienten in ein Krankenhaus in Hannover mit dem Hubschrauber geflogen worden. Bodo Ramelow | Ministerpräsident

AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke erläutert danach, dass seine Partei die Einzige gewesen sei, die Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen geleistet habe. Er verspricht einen Untersuchungsausschuss und dass die Verantwortlichen "zur Rechenschaft" gezogen werden, sollte er in Regierungsverantwortung kommen.

Die Spitzenkandidaten hinter den Rednerpulten: Katja Wolf (BSW), Thomas Kemmerich (FDP), Madeleine Henfling (Grüne), Georg Maier (SPD), Björn Höcke (AfD), Mario Voigt (CDU), Bodo Ramelow (Linke)

Mit dabei waren am Montag (v.l.n.r.) Katja Wolf (BSW), Thomas Kemmerich (FDP), Madeleine Henfling (Grüne), Georg Maier (SPD), Björn Höcke (AfD), Mario Voigt (CDU), Bodo Ramelow (Linke).

Aussagen für Gäste nicht konkret genug

Nach der Sendung sind sich viele der Gäste einig, dass die Aussagen der Politiker nicht konkret genug waren. Studentin Paula Wallendorf findet, dass "viele Kernproblematiken gar nicht richtig angesprochen wurden". Mit Madeleine Henflings Antwort auf ihre Frage war die 19-Jährige aber zufrieden: 

"Ich fand auf jeden Fall, dass sie Einiges gesagt hat, was mir neu ist. Die Möglichkeit, mit ihr persönlich zu sprechen nach der Sendung, war auch aufschlussreich", sagt die Erfurterin.

Silvio Bürger fand den Abend aufregend, doch er hätte sich definitiv mehr erhofft, konkretere Gedanken auch zu seiner Frage mit den höheren Löhnen und Renten: "Wie könnte man das umsetzen? Denn das Thema schwebt schon seit Jahrzehnten in Thüringen."

Viel Raum für Fragen, wenig Raum für Antworten

Die Antwortzeit der Politiker betrug pro Frage eine Minute. "Es ist natürlich schwierig, wenn nur so kurze Antwortzeit ist. Den Fragenden wurde sehr viel Zeit gegeben. Das fand ich sehr schön." Meint Paula Wallendorf.

Prinzipiell habe ich das Vertrauen in die Politik schon seit einigen Jahren verloren. Zoltan Sviderszky |

Zoltan Sviderszky sagt nach der Sendung, dass es ihm gefallen hat: "Auch mal Politiker in die Bredouille zu bringen." Die Antworten geben dem 53-Jährigen aber nicht viel Hoffnung: "Prinzipiell habe ich das Vertrauen in die Politik schon seit einigen Jahren verloren."

Die Hoffnung von Silvio Bürger für die Zeit nach den Landtagswahlen ist, dass die Wahlversprechen nicht gebrochen werden. Vielleicht wächst dann bei einigen auch wieder das Vertrauen in die Politik.

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MDR (jn)