Drei Männer und eine Frau bei Schwimmübungen.

Thüringen Schwimmkurs in Eisenach: Wie Erwachsene fürs Seepferdchen üben

Stand: 26.06.2024 15:36 Uhr

Im Sommer geht’s zum Abkühlen ins Wasser- aber nicht jeder kann schwimmen. Kurse für Erwachsene sind schwer zu finden. In Eisenach bietet die DLRG sie jetzt an und musste schon eine Warteliste anlegen. Besonders gefragt sind die Schwimmkurse von Menschen aus anderen Ländern, die als Kind nicht schwimmen lernen konnten. Deutsche nehmen weniger teil, beobachtet die DLRG - vermutlich auch aus Scham.

Von Ruth Breer, MDR THÜRINGEN

Gar nicht so einfach, wenn man darüber nachdenkt: die Beinbewegungen beim Schwimmen. "Anhocken, weggrätschen, langschließen!", rufen die beiden Trainerinnen. Fünf Frauen und Männer halten sich am Rand des Nichtschwimmerbeckens fest und üben. Anhocken. Grätschen. Beine langmachen und schließen. Immer wieder. Sie üben es einzeln, als Gruppe an Land und versuchen es dann quer durchs Becken, unterstützt mit Schwimmbrett, Nudel oder Gürtel.

Bein- und Armbewegungen in Einklang bringen. Dabei möglichst flach auf dem Wasser liegen, den Kopf hochhalten, um Luft holen zu können. Wirklich nicht einfach.

Je älter man wird, desto mehr macht man sich Gedanken und hat auch Angst. Steffen Schulze | DLRG Eisenach

Für Erwachsene ist Schwimmenlernen viel schwieriger als für Kinder, sagt Steffen Schulze von der DLRG Eisenach. "Je älter man wird, desto mehr macht man sich Gedanken und hat auch Angst", sagt er. Zum anderen sei es schwer, so einen komplexen Bewegungsablauf im höheren Alter zu lernen. "Man sagt, so mit fünf bis sechs Jahren ist das 'goldene Alter', um Bewegungsabläufe zu lernen."

Kein Wasser, kein Schwimmbad

Dieses Alter haben die Kursteilnehmer schon länger hinter sich. Mit 25 Jahren ist Haschim Darbo der Jüngste. Er kommt - wie die beiden Frauen, die aber nicht fotografiert werden möchten - aus dem Irak. In ihrer Heimat gebe es wenig Wasser und Schwimmbäder, erzählen sie. So haben sie bisher nicht schwimmen gelernt.

Bei Rajesh Goel war es die Sorge der Eltern, die das verhindert hat. Er ist in einem indischen Dorf aufgewachsen, wo man im Fluss schwimmen lernte - das fanden die Eltern wohl zu gefährlich. Yonathan Tesfay Bein erzählt von den langen Stränden am Roten Meer in seiner Heimat Eritrea - aber er hatte als Kind Angst vor dem Wasser.

Drei Männer schauen in die Kamera.

Sie wollen es lernen: Rajesh Goel, Haschim Darbo und Yonathan Tesfay Bein (v.l.n.r.)

Im Schwimmkurs geht es jetzt erst einmal darum, ein "Wassergefühl" zu bekommen, sagt Trainerin Kerstin Leonhardt. Das versuchen sie mit allen möglichen Übungen und Hilfsmitteln. Auch mit Spielen, wenn die Gruppe beispielsweise zum Abschluss im Wasser eine Runde bildet, sich alle an den Händen fassen, im Kreis laufen und zwei die Füße abheben, sich auf den Rücken legen und spüren, wie das Wasser und die Bewegung der anderen sie trägt.

Warteliste für den dritten Kurs

Kerstin Leonhardt hatte ganz privat mit dem Schwimmtraining begonnen - eine Arbeitskollegin hatte sie gefragt. Dann kamen immer mehr dazu, so dass die DLRG Eisenach im vergangenen Jahr den ersten Schwimmkurs für Erwachsene einrichtete. Inzwischen gibt es für den dritten Kursus, der im Herbst startet, bereits eine Warteliste.

Zwei Frauen blicken in die Kamera

Kerstin Becker und Kerstin Leonhardt von der DLRG trainieren die erwachsenen Schwimmschüler.

Wie viele solcher Angebote es in Thüringen gibt, sei nicht zentral erfasst, sagt Steffen Schulze. Generell seien die Kapazitäten knapp. Selbst bei Kinderkursen gebe es in vielen DLRG-Ortsgruppen Wartezeiten von bis zu einem Jahr.

Es gibt auch sehr viele Deutsche, die nicht schwimmen können, aber die trauen sich nicht zu fragen. Steffen Schulze | DLRG Eisenach

Auffällig ist, dass in Eisenach bisher vor allem Menschen mit Migrationsgeschichte diese Kurse besuchen. "Es gibt auch sehr viele Deutsche, die nicht schwimmen können", sagt Steffen Schulze, "aber die trauen sich nicht zu fragen. Ich weiß nicht, ob das mit der Mentalität zu tun hat?"

Er verweist auf eine Studie der DLRG, dass fast ein Drittel der Grundschüler in Deutschland nicht richtig schwimmen kann. "Das ist beängstigend und zieht sich natürlich ins Alter hoch."

Ein Mann schaut in die Kamera

"Für Erwachsene ist Schwimmenlernen viel schwerer als für Kinder" - Steffen Schulze von der DLRG Eisenach

Schwimmen statt baden

Und warum trauen sich die Kursteilnehmer - warum wollen sie Schwimmen lernen? "Weil es Spaß macht", sagt Yonathan Tesfay Bein. Ausgerechnet der, der immer Angst vor dem Wasser hatte. Die anderen lachen. Er gehe oft ins Schwimmbad, erzählt er, aber könne dort bisher nur baden. Er arbeitet als Pflegehelfer bei einem ambulanten Pflegedienst in Eisenach.

Haschim Darbo war kürzlich in Griechenland in Urlaub. Da wäre er am Strand auch gern ins Wasser gegangen, sagt er. Das habe ihn gewurmt. "Schwimmen ist mir sehr wichtig", betont der junge Mann, der gerade seine Ausbildung als Lagerlogistiker abschließt.

Eine Frau hilft einem Mann mit Schwimmübungen

So lang strecken: Kerstin Becker erklärt Yonathan Tesfay Bein, wie er im Wasser vorankommt.

Das wohl zwingendste Motiv hat Rajesh Goel: seine beiden Kinder. Der achtjährige Sohn lernt demnächst schwimmen, der Vater will seine Kinder ins Schwimmbad begleiten können. Goel arbeitet als Arzt am St. Georg Klinikum.

So wie ihm geht es vielen, die in die Schwimmkurse kommen, erzählt Trainerin Kerstin Becker: "Sie haben ihre Kinder hier in der Schule, die Kinder können schwimmen - und die Eltern nicht."

Wenn man sich Mühe gibt, kann man alles schaffen. Haschim Darbo | Schwimmschüler

So üben sie, unverdrossen, Anhocken und Grätschen, immer wieder. Yonathan Tesfay Bein ist nach seinem ersten Training ganz zufrieden: "Ich denke, es geht ganz gut." Rajesh Goel findet Rückenschwimmen leichter, weil man einfacher atmen kann.

Und Haschim Darbo stellt nach seiner dritten Übungsstunde fest: "Es ist sehr anstrengend, man muss sich Mühe geben. Aber wenn man sich Mühe gibt, kann man alles schaffen." Als es den ersten gelingt, ohne Hilfsmittel das Nichtschwimmerbecken zu queren, gibt es Beifall.

Für die Trainerinnen gibt es viel Lob. "Die sind sehr nett zu uns, versuchen uns alles beizubringen, korrigieren uns, wenn wir was falsch machen - besser könnte es nicht sein", sagt Haschim Darbo.

Ziel: Seepferdchen machen

Und was ist das Ziel der Kursleiterinnen für ihre Schützlinge? "Erstmal überhaupt schwimmen können, eine Bahn schaffen", sagt Kerstin Becker. "Vielleicht sich trauen, mal reinzuspringen. Und dann gerne das Seepferdchen." Wer Spaß am Wasser gefunden hat, macht weiter.

Nebenan im tiefen Becken trainiert ein junger Mann, der im vergangenen Jahr beim ersten DLRG-Kurs Schwimmen gelernt hat. Er hat mittlerweile die Schwimmstufe Bronze geschafft und übt jetzt weitere Schwimmstile.

MDR (dst)