Ein Luchs auf einer Wiese.
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Thüringen "Sehr gut eingelebt im Thüringer Wald": So geht es den heimischen Luchsen

Stand: 28.03.2025 11:45 Uhr

Der Luchs ist die größte Wildkatze in Europa. In Thüringen einst ausgerottet, soll er nun wieder heimisch werden. Dafür wurden im vergangenen Sommer zwei Luchs-Pärchen ausgewildert. Wir haben gefragt, wie es den Pinselohren geht.

Von Bettina Ehrlich, MDR THÜRINGEN

Der Luchs ist die größte wildlebende Katzenart bei uns in Europa. In Thüringen wurde er im 19. Jahrhundert ausgerottet.

Einer der letzten Thüringer Luchse 1819 im Kreis Gotha "ausgeräuchert"

Bei Luisenthal im Kreis Gotha muss 1819 einer der letzten Luchse auf grausame Weise von Jägern getötet worden sein. "In einem Felsen hatte das angeschossene Tier Zuflucht gesucht. Die Jäger haben den schwer verletzten Luchs dann noch ausgeräuchert, um ihm endgültig den Garaus zu machen", erzählt Revierförster Ronny Eckhardt. "Das muss man sich mal vorstellen", schüttelt Eckhardt den Kopf. Das sei alles nur geschehen, weil die Adeligen den Luchs als Konkurrenten um das Wild loshaben wollten.

Revierleiter Ronny Eckhardt

Ronny Eckhardt ist Leiter des Forstreviers Schneekopf im Forstamt Oberhof.

Streng geschützt: 20 Luchse sollen bis 2027 ausgewildert werden

Heutzutage ist der Luchs eine streng geschützte Tierart. Die Katzen mit den Pinselohren dürfen weder gejagt, gefangen oder getötet werden. "Gott sei Dank", sagt Markus Port vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Zusammen mit Max Boxleitner vom World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland leitet er das Luchs-Projekt in Thüringen. Für insgesamt rund 2,9 Millionen Euro sollen bis 2027 bis zu 20 Luchse ausgewildert werden.

Frieda und Viorel waren im vergangenen Jahr die ersten. Vreni und Kilian kamen später hinzu. Alle Vier, so berichtet Markus Port, hätten zuvor in einem Auswilderungsgehege ein paar Wochen zugebracht.

Per GPS-Sender können die Wissenschaftler verfolgen, wo sich die Tiere aufhalten. Die Sender stecken in Halsbändern, die nach einer gewissen Zeit von allein abfallen.

Außerdem werden sie per Wildkamera verfolgt. "So können wir sehen, ob es den Luchsen gut geht. Wir schauen zum Beispiel, wie ihr Fell aussieht oder ob sie gut genährt sind", sagt Max Boxleitner. Bisher sehe es für die Vier gut aus. "Die haben sich sehr gut eingelebt hier im Thüringer Wald. Sie haben mittlerweile auch feste Reviere etabliert und sie befinden sich dort, wo wir sie haben wollen. Im mittleren Thüringer Wald."

Das Luchs-Projekt in Thüringen

Max Boxleitner (Mitte), Ronny Eckhardt (links) und Markus Port werten die Daten aus. Die Luchse werden per GPS-Sender und Wildkamera überwacht.

Hoffen auf Nachwuchs in Thüringen

Aktuell ist Paarungszeit, da legen Luchse ziemlich weite Strecken zurück. Was die Wissenschaftler besonders freut. Die GPS-Daten zeigen, dass sich Frieda und Kilian auf ihren Wanderungen mehrfach getroffen haben. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Nachwuchs ist da.

"Das war natürlich die große Hoffnung. Wir konnten nicht hundertprozentig damit rechnen. Und auch jetzt bleibt natürlich abzuwarten, ob es Nachwuchs geben wird", sagt Boxleitner. "Aber wir konnten eben anhand der GPS-Daten sehr schön nachvollziehen, dass die beiden sich gefunden haben, einige Zeit miteinander verbracht haben und sich vielleicht auch gepaart haben. Aber das werden wir dann sehen." Wenn es wirklich Nachwuchs geben würde, wäre das eine Sensation.

Porträtbild eines Manns mit Brille.

Max Boxleitner vom World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland leitet zusammen mit Markus Port vom BUND das Luchs-Projekt in Thüringen.

Einen Luchs in freier Wildbahn zu sehen, das ist selten und ein großes Glück. Das sind sehr heimliche Tiere. Den Wenigsten wird das passieren. Und wenn es doch dazu kommen sollte, kann man diesen Augenblick genießen. Max Boxleitner | Leiter des Luchs-Projekts in Thüringen

Eine Sensation hatte sich bereits im vergangenen Sommer ereignet. In der Nähe von Masserberg im Kreis Hildburghausen war eine Luchsin mit zwei Jungen in eine Fotofalle eines privaten Jägers geraten.

Das Tier, so vermutet Markus Port, könnte aus Bayern nach Thüringen eingewandert sein. Ob die Jungen in Thüringen geboren wurden, ist unklar. Dennoch zeige die Sichtung, dass der Thüringer Wald für die Luchse wieder attraktiv ist.

Luchsnachwuchs im Thüringer Wald

Auf dem Foto einer Wildkamera sind eine Luchsin und zwei Junge zu sehen. Das Bild entstand im vergangenen Jahr.

Rückschlag: Aufenthaltsort von Luchsin Vreni derzeit unklar

Zu Gesicht bekommt man ihn aber selten. "Einen Luchs in freier Wildbahn zu sehen, das ist selten und ein großes Glück. Das sind sehr heimliche Tiere. Den Wenigsten wird das passieren. Und wenn es doch dazu kommen sollte, kann man diesen Augenblick genießen", rät Boxleitner. Angst müsse man auf keinen Fall haben.

Einen Rückschlag hat das Luchsprojekt dennoch zu verkraften. Aktuell ist unklar, wo sich Luchsin Vreni befindet. Ihr GPS-Sender ist ausgefallen. Markus Port geht aber trotzdem davon aus, dass sie noch lebt. Er hofft, dass sie bald in eine Fotofalle tappt. "Dann wären wir schon sehr erleichtert, wenn wir wüssten, dass es ihr gut geht."

Markus Port vom Luchs-Projekt in Thüringen

Markus Port (im Bild) vom BUND leitet das Luchs-Projekt in Thüringen zusammen mit Max Boxleitner.

Luchs als Helfer und Mit-Jäger im Thüringer Wald

Natürlich schwinge auch immer ein bisschen Angst um die Tiere mit. Sie könnten überfahren oder von Wilderern erschossen werden. Auch heutzutage passiert das noch. 2022 wurde ein Luchs bei Buttstädt im Kreis Sömmerda illegal abgeschossen und 2023 wurde im Eichsfeld ein toter Luchs gefunden.

Der jahrhundertealte Neid auf den Luchs ist offenbar noch immer in vielen Köpfen. "Manche Jäger glauben, dass wegen der Raubkatze nicht mehr genug Wild übrig bleibt", sagt Förster Eckhardt. Dabei sei der Luchs gerade jetzt im Thüringer Wald ein wichtiger Helfer. Wegen des Borkenkäfers sind riesige Kahlflächen entstanden. Dort bildet sich oft dichtes Brombeergestrüpp, erzählt Eckhardt. "Da kann sich beispielsweise Rotwild verstecken und stark vermehren."

Das jedoch schade den frisch angepflanzten Bäumchen. "Luchse sind jetzt unsere neuen Mit-Jäger und leisten ihren Beitrag, den Wald gesund aufwachsen zu lassen und den Wildbestand auf einem gesunden Maß zu halten", ist Eckhardt überzeugt.

Revierleiter: Jäger müssen nicht neidisch sein

Jäger müssten auch nicht neidisch sein. "Es bleibt ihnen noch genug zum Jagen übrig. Wenn man sieht, wie groß die Streifgebiete der Luchse sind. Die sind wirklich riesig, stellenweise über 50.000 Hektar. Wenn da ein Luchs mal auftaucht und ein Reh entnimmt, kriegt das der Jäger meistens gar nicht mit. In der nächsten Woche ist er schon wieder ganz woanders."

Der Thüringer Wald ist eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete in Deutschland. Genau das braucht der Luchs. Markus Port | Leiter des Luchs-Projekts in Thüringen
Eine Wildkamera hat eine Luchsin aufgenommen.

Das Foto einer Wildkamera zeigt Luchsin Frieda. Sie wurde 2024 ausgewildert.

Luchs-Riss an der Ohratalsperre

In der Nähe der Ohratalsperre hat Eckhardt beispielsweise einen Luchs-Riss gefunden. Von dem weiblichen Hirschkalb sind nur noch die Läufe und das Skelett übrig. Füchse und Raubvögel haben sich ebenfalls bedient und den Kadaver ein ganzes Stück einen Hang hinabgezerrt.

Port und Boxleitner schauen sich die Knochenreste genau an. Die beiden Wissenschaftler sind heilfroh, dass sich die Luchse so geschickt anstellen und sich in der Thüringer Wildnis gut zurechtfinden.

Das Luchs-Projekt in Thüringen

Am Rand der Ohratalsperre bei Luisenthal hat ein Luchs vor drei Wochen ein Hirschkalb gerissen.

Besonders stolz sind sie auf Luchsin Frieda. Sie wurde 2022 im Wildkatzendorf Hütscheroda geboren. Obwohl sie in einem abgegrenzten Gehege aufwuchs, ist sie eine geschickte Jägerin. Und zum Glück ist der Luchs generell sehr anpassungsfähig. Deshalb kommt er auch mit den dramatischen Veränderungen nach den Dürrejahren und den kahlen Flächen im Wald gut zurecht. "Auch wenn die Bäume weg sind, bleibt es ja Wald", sagt Markus Port.

Kuder wartet auf Umzug aus Rumänien nach Thüringen

Deshalb gehe er davon aus, dass sich der Luchs dennoch wohlfühlt. "Der Thüringer Wald ist eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete in Deutschland. Genau das braucht der Luchs", sagt Port. Deshalb sei er überzeugt davon, dass der Luchs in Thüringen wieder eine starke Population bilden wird.

Der nächste Kandidat wartet schon in den rumänischen Karpaten auf seinen Umzug nach Thüringen. Kuder Ionel ist von Berufsjägern dort eingefangen worden und soll wahrscheinlich schon in der nächsten Woche ins Auswilderungsgehege in der Nähe von Oberhof kommen. Nach einer kurzen Eingewöhnung geht es dann auch für ihn in die Thüringer Wildnis.

MDR (co)