Thüringen Single-Wanderung durch Westthüringen: Hier ist man nicht das fünfte Rad am Wagen
Analoges Dating in digitalen Zeiten: Wie Singles beim gemeinsamen Wandern vielleicht die Liebe finden - oder einfach nur nette Gesellschaft genießen. Ein Besuch beim "Singlewandern" mit überraschenden Begegnungen, persönlichen Geschichten und der Suche nach Verbundenheit.
In Zeiten des Online-Datings wirkt "Singlewandern" wie ein ziemlich analoges Angebot. Ganz ohne Internet geht es jedoch auch nicht, denn die Termine, zu denen Naturparkführerin Susanne Heinrich ihre Gruppen mitnimmt, stehen online. Hier melden sich die Teilnehmer auch an.
Susanne ist die Thüringer Wanderführerin der geschützten Marke "Singlewandern", die bereits im Rheinland, in der Eifel, der Schweiz und anderen Regionen etabliert ist.
Wanderführerin Susanne Heinrich (blaue Jacke) ist mit ihrer kleinen Single-Wandergruppe diesmal im Hainich unterwegs.
Vier Frauen und ein "Hahn im Korb"
Wir sind verabredet zu einer Runde auf dem Wildkatzenpfad bei Hütscheroda im Wartburgkreis. Zwei Männer und vier Frauen hatten sich für die achteinhalb Kilometer lange Runde angemeldet. Einer ist kurz vorher krank geworden, und so ist Michael aus Eisenach der "Hahn im Korb". Und das fühlt sich gut für ihn an. Michael ist hier, um eine Frau kennenzulernen, und zwar eine ganz bestimmte: Antje. Die beiden haben heute hier ihr erstes Date. Antje hatte von der Wanderung für Singles gelesen und ihn gefragt, ob er sich auch anmelden wolle.
Vorneweg - Michael und Antje bei ihrem ersten analogen Date.
Das erste Date
"Ich habe auch digital gesucht - so sind wir ja in Verbindung gekommen", erzählt Michael. "Sie hat mich darauf aufmerksam gemacht und gesagt: Da gibt es diese Wanderung, da können wir uns beim Wandern kennenlernen." Auf den ersten Blick wirken die beiden bereits wie ein Paar. Ob sie es werden, ist noch unklar, auch wenn Michael die Begegnung toll findet und Antje sagt, dass "der Geist" stimme.
Für Antje und die anderen Teilnehmer bietet die Gruppe auch eine gewisse Sicherheit. Es sind andere Leute dabei, die nach einem gucken und mit denen man sich unterhalten kann. Ein schöner Ausflug wird es so oder so - und vor allem ist es hier "frei und nicht so gezwungen, wie wenn man sich direkt zum Kaffeetrinken verabredet", wie sie sagt. "Auch wenn man alleine nach Hause geht, hat man ein schönes Erlebnis gehabt."
Wenn man sich unter dem Fokus zum Kaffeetrinken trifft, dass beide einen Partner suchen, ist das manchmal zu gezwungen. Hier ist das sehr schön frei. Wanderin Antje |
Tipps für neue Wanderschuhe
Antje ist bei einer anderen Tour schon mal mit Teilnehmerin Andrea unterwegs gewesen. Die beiden Frauen habe sich zum Beispiel über Urlaub unterhalten und über neue Wanderschuhe. Als sie davon erzählen, ist die Stimmung locker. "Man ist an der frischen Luft, man sieht mal was anderes und trifft andere Menschen und man kriegt Tipps für neue Wanderschuhe", sagt Andrea. Und Antje ergänzt: "Wir sind zusammen gelaufen und das hat dein Leben verändert!". Die Gruppe lacht. "Laufschuhtechnisch hat es mein Leben auf jeden Fall verändert", scherzt Andrea.
Auf der achteinhalb Kilometer langen Tour gibt es einige Pausen an besonderen Punkten auf der Strecke.
Von Freunden empfohlen
Sie kommt aus Hessen und ist auf Empfehlung einer Freundin dabei. Diese wohnt in Düsseldorf, wo es "Singlewandern" schon länger gibt. Deshalb schenkte sie Andrea einen Gutschein. Heute wandert Andrea schon das zweite Mal mit.
Dass nur ein Mann mit auf Tour ist, stört sie nicht. Sie erzählt von ihrer erfüllenden Arbeit, der Pflege von Mutter und Tante, von ihrem großen Bekanntenkreis und den guten Gesprächen mit den anderen Frauen. Aufgeschlossen, hier einen Mann zu finden wäre sie, aber es muss nicht sein. Jedenfalls findet sie die Atmosphäre schöner als beim Online-Dating.
Wenn ich jemanden kennenlernen würde, wäre es auch schön. Aber ich muss nicht. Online-Dating ist mir zu anstrengend. Die Erwartungen sind so hoch - die kann man beim ersten Date ja kaum erfüllen. Wanderin Andrea |
Außerdem wolle sich online keiner mehr festlegen. Alles sei austauschbar. Echter Kontakt, wie hier, sei einfach erfüllender. Deshalb würde sie auch wieder an einer Tour durch Thüringen teilnehmen.
Mistelzweige in den Bäumen - wer wollte, hätte hier eine gute Gelegenheit zum Küssen.
An einer Ecke mit Holzskulpturen erzählt Naturparkführerin und Singlewander-Organisatorin Susanne etwas zu den Kunstwerken. Es geht um die Region und um die Schüsse einer Jagd, die im Hintergrund zu hören sind. Susanne ist das dritte Mal mit Singles auf Wanderung. Sie erinnert sich noch gut an die erste Tour - bei der etwas sehr Ungewöhnliches passierte: Männerüberschuss.
Jagd im Wald - aber nicht unter den Singles.
"Für die erste Wanderung hatten sich vier Männer angemeldet. Ich habe die Nacht davor kaum geschlafen - denn die waren schon etwas enttäuscht, dass keine Frau dabei war. Aber das ist ja hier keine Partnervermittlung oder irgendwas. Wir machen das deshalb, damit man Kontakt herstellt, nicht zu Hause sitzt, in Bewegung ist und vielleicht auch Nummern austauscht zum Kaffeetrinken oder weiteren Wanderungen."
Fühlt sich nicht als Partnervermittlerin: Naturparführerin Susanne Heinrich.
Das ist ja keine Partnervermittlung. Wanderguide Susanne Heinrich |
Einer der Männer sei dann bei der zweiten Wanderung wieder dabei gewesen. Und da sei es so gewesen wie meistens: "Die Frauen gehen mehr raus, tun und machen."
Frauen trauen sich eher raus, um Leute kennenzulernen, hat Naturparkführerin Susanne beobachtet.<br/> <br/>
Anschluss finden nach dem Tod des Partners
Die Teilnehmerinnen Gerlinde und Doreen teilen ein Schicksal. Ihre Männer sind verstorben. Bei Doreen war es im Frühjahr. Die Wanderung heute ist für sie "das erste Mal", was schon Überwindung gekostet" habe. "Die Pärchen, mit denen wir sonst etwas unternommen haben, die unternehmen auch weiter etwas mit mir", sagt sie. Doch manchmal fühle sie sich "wie ein kleines, fünftes Rad am Wagen". Außerdem kämen auch schmerzhafte Erinnerungen hoch - wenn sie etwa den Zwiebelmarkt besuchten, bei dem der Mann im Jahr zuvor noch dabei gewesen ist.
Nach einem neuen Lebenspartner sucht Doreen hier nicht, sie hofft auf Anschluss, "damit ich eben nicht mehr alleine am Wochenende etwas unternehmen muss, um Freunde oder Gleichgesinnte zu finden, mit denen man sich auch mal verabreden kann und man sagen kann: Wir gehen jetzt mal wandern, da musst du nicht alleine los."
Bei der geplanten Wanderung durch die Drachenschlucht will sie auch wieder dabei sein, wenn das Wetter passt. Wanderführerin Susanne hat sich vorgenommen, nach der Tour am 7. Dezember mit den Teilnehmern noch auf den Weihnachtsmarkt zu gehen - natürlich nur mit denen, die möchten.
Sicherheit in der Gruppe
Gerlinde ist auch nicht allein hier - sie hat Yole dabei, ihren kleinen grauen Hund. Die beiden gehen oft wandern, auch große Touren. Als sie mal mit einer Wandergruppe unterwegs war, die "schon ewig und drei Tage" gemeinsam wandert, fühlte sie sich als Frau ohne Begleitung wie ein "Außenseiter". Das Singlewandern nennt sie deshalb eine "Superidee". Es sei auch eine "sichere Sache", lobt Gerlinde. "Wenn man alleine wandert, ist man auch alleine, wenn etwas passiert."
Gerlinde (rote Jacke) gefällt die Idee des Singlewanderns.
Weiteres Singlewandern im Dezember
Susanne hat alle Teilnehmer im Blick. "Es geht nicht nur darum, den Partner fürs Leben zu finden", sagt sie. Es geht darum, Spaß zu haben und in Kontakt zu kommen." Das hat auch diesmal gut geklappt.
Im Dezember gibt es die nächsten beiden Wanderungen: Am 7. Dezember wird an der Drachenschlucht gewandert - am 28. Dezember am Betteleichenweg.
MDR (ifl)