Eine Wochenendhäuser-Siedlung an einem Wald von oben.

Thüringen Wochenendhäusern droht Abriss: Wie ein Verein sie retten will

Stand: 19.07.2024 20:28 Uhr

In den vergangenen 50 Jahren haben sich viele den Traum vom Häuschen im Grünen in Ölsnitzgrund in der Gemeinde Lippersdorf-Erdmannsdorf erfüllt. Vor ein paar Wochen dann der Schock: Die Häuser und Anbauten sollen abgerissen werden. Laut Bauordnungsamt fehlen die Genehmigungen. Die Mitglieder des Vereins "Grundstückseigentümer Ölsnitzgrund" wollen jetzt ihre Häuschen retten.

Von Johanna Ratz, MDR THÜRINGEN

Ein grüner Wald direkt vor der Nase. Kühe, die grasen, und das einzige, was zu hören ist, ist Vogelgesang. Für viele Wochenendhaus-Besitzer im Ölsnitzgrund Grund genug, nicht mehr in den Urlaub zu fahren. Ihre Erholung finden sie hier.

Joachim Poser sitzt auf einem Sessel.

Joachim Poser hat viel Geld und Arbeit in seine Gartenparzelle gesteckt.

Auch Familie Poser hat sich vor mehr als 20 Jahren so ein Häuschen gekauft. Hier hat sich seitdem viel getan. Ein komplett renovierter Bungalow, neue Gartenmauern, eine Holzüberdachung und vieles mehr. Sieben Jahre harte Arbeit und 30.000 Euro stecken heute in der Gartenparzelle.

Ende April kam dann der Schock - ein Brief vom Bauordnungsamt. Die Familie müsse ihre Anbauten wieder abreißen, die Genehmigungen fehlten, hieß darin. Von ihrem Wochenendhaus bliebe dann fast nichts mehr übrig.

Unterschiede zum Bau in der DDR

So wie Familie Poser geht es fast allen mit einem Wochenendhaus im Ölsnitzgrund. Seit den 1970er-Jahren gibt es die kleine Anlage an dem Hang in der Gemeinde Lippersdorf-Erdmannsdorf. Damals wurde noch nach DDR-Recht gebaut. Deswegen sind die kleinen Häuschen teilweise auch zweistöckig. Heute wäre das gar nicht mehr erlaubt.

Ein altes Foto der Wochenendhäuser-Siedlung Ölsnitzgrund.

So sah die Anlage zu DDR-Zeiten aus.

Die Besitzer sind deshalb unterschiedlich stark von den Abrissen betroffen. Auf Anfrage von MDR THÜRINGEN heißt es aus dem Landratsamt:  "... Des Weiteren schreitet das Bauordnungsamt nicht bauaufsichtlich gegen bauliche Anlagen ein, wenn der Eigentümer nachweisen konnte, dass die betroffene bauliche Anlage bereits vor August 1985 in gleicher Weise und mit der gleichen Nutzung bereits bestanden hat (vgl. § 11 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke der DDR)."

Der sogenannte Bestandschutz der restlichen Anlagen muss mit einer Baugenehmigung nachgewiesen werden. Wer wann wie viel gebaut hat und ob mit oder ohne Genehmigung, das wird jetzt überprüft.

Renovierungen waren notwendig

Als Joachim Poser sich 2003 das Haus mit seiner Frau gekauft hatte, war das schon ordentlich sanierungsbedürftig. "Als ich das erste Mal auf dem Dach war: Bumm, weg war ich. Fast durchgebrochen," erzählt er MDR THÜRINGEN.

Als ich das erste Mal auf dem Dach war: Bumm, weg war ich. Fast durchgebrochen. Joachim Poser |

Es ist also kein Wunder, dass viele die Häuschen renoviert und verschönert haben. Das geschah aber oft ohne die benötigten Genehmigungen. Im Brief des Bauordnungsamtes enthalten: viele Paragrafen, die genau das erklären. Poser rief in der Behörde in Eisenberg an und ließ sich genauer informieren. Dann kam er zu dem Schluss: "Ich muss alles zurückbauen."

Viele Planzen stehen vor einem Haus.

2003 hatte Familie Poster das Häuschen gebaut.

Vereinsgründung zum Erhalt der Häuschen

Als Sebastian Koschny und Enrico Walther ihr Schreiben erhalten haben, suchten sie sich juristische Hilfe. Der Rat der Anwältin: eine Vereinsgründung. Im Ölsnitzgrund müsse man sich jetzt zusammenschließen. Ein neuer Bebauungsplan könnte die Situation retten und die Gebäude baurechtlich zulässig machen.

Das erfordert aber viel Geld. Hier sollen die Mitglieder des Vereins helfen. "500 Euro werden bezahlt als Einmaleinlage und die weiteren Gebühren erfolgen dann über die jährliche Vereinsgebühr von 120 Euro pro Jahr", erklärt Vorstandsmitglied Enrico Walther. So soll das Geld zusammenkommen.

Vorstandsmitglied Enrico Walther gibt ein Interview.

Vorstandsmitglied Enrico Walther will mit einem neuen Bebauungsplan die Situation retten.

Ein anderer Aspekt ist die Zeit. Drei bis fünf Jahre und noch länger kann es dauern, bis das Ziel des Bebauungsplans erreicht wird. Die Zeit sei aber auch notwendig, um das Geld anzusparen, so Walther.

Wichtig ist daher auch, dass der Verein genug Mitglieder bekommt. Bei der Informationsveranstaltung am Donnerstagabend war der Saal voll - ein gutes Zeichen aus Sicht der Betroffenen. Nach der Veranstaltung war die Nachfrage nach Vereinsbeitritten groß - auch wenn der eine oder andere noch mal darüber schlafen wollte.

Unterstützung von außen

Während der Veranstaltung gab es immer wieder Fragen von den Betroffenen zum Ablauf und zur Planung. Viele davon konnte auch die anwesende Bauingenieurin Ina Bernsdorf-Koch aus Gera beantworten. Sie will dem Verein mit ihrer Arbeit helfen und Tipps geben, worauf der Verein achten muss. Laut Bernsdorf-Koch ist es auch von Vorteil, dass die Gemeinde die Grundstückseigentümer unterstützt.

Die nächsten Schritte sind, dass wir jetzt erst mal einen Bebauungsplan als Entwurf verfassen. Enrico Walther |

Am Donnerstagabend waren dafür Gemeinderatsmitglieder und Bürgermeister Mario Nojack (parteilos) anwesend. Wegen hoher Schulden könne die Gemeinde nicht finanziell helfen. Der ehrenamtliche Bürgermeister, bemüht sich aber beispielsweise um Vermittlung mit den Behörden in Eisenberg und lässt sich dort auf den aktuellen Stand bringen.

Ein Mann und eine Frau stehen an einem Tisch und unterschreiben etwas.

Bei der Informationsveranstaltung war die Nachfrage nach Vereinsbeitritten groß.

Aber nicht nur dafür ist die Gemeinde wichtig. "Die nächsten Schritte sind, dass wir jetzt erst mal einen Bebauungsplan als Entwurf verfassen", erklärt Vorstandsmitglied Enrico Walther. "Die Gemeinde ist beauftragt, diesem Bebauungsplan auch zuzustimmen. Das werden sie jetzt in der ersten Augustwoche hoffentlich tun."

Anzeigen führten zur genauen Überprüfung

Es gibt innerhalb der Wochenendhausbesitzer viele Gerüchte, wie das ganze Problem zustande gekommen ist. Aus dem Landratsamt heißt es schriftlich: "Es gab dort mehrere Anzeigen. Die Untere Bauaufsichtsbehörde muss daher das gesamte Gebiet prüfen - das verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz." Wer die Anzeigen gemacht hat, ist nicht bekannt.

MDR (jn)