Andreas Bühl (l-r, CDU), Katharina Schenk (SPD) und Tilo Kummer (BSW) präsentieren eine Druckschrift mit den Ergebnissen der Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD in der Erfurter Zentralheize.

Regierungsbildung in Thüringen CDU, BSW und SPD legen Sondierungsergebnis vor

Stand: 18.10.2024 15:47 Uhr

CDU, BSW und SPD in Thüringen haben am Freitag die Ergebnisse ihrer bisher geführten Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit vorgelegt. In einem gemeinsamen Papier formulieren sie Themenbereiche, über die Koalitionsverhandlungen gesprochen werden soll. Es enthält auch konkrete Forderungen und Absichten etwa in der Bildungs- und der Migrationspolitik. Nun müssen die Gremien der drei Parteien entscheiden, ob es Koalitionsverhandlungen geben wird.

Von MDR THÜRINGEN

Ergebnis der Sondierungen vorgelegt

CDU, BSW und SPD in Thüringen stehen vor Koalitionsverhandlungen. Vertreter der drei Parteien sagten am Freitag in einer gemeinsamen Pressekonferenz, man habe sich nach den Sondierungsgesprächen in den zurückliegenden Wochen auf ein gemeinsames Positionspapier geeinigt. Dieses trage den Titel "Mut zur Verantwortung. Thüringen nach vorne bringen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Andreas Bühl. Das Papier enthält inhaltliche Schwerpunkte einer möglichen Zusammenarbeit, über die in formellen Koalitionsverhandlungen gesprochen werden soll. Jedoch müssten die am Freitagabend und Samstag tagenden zuständigen Gremien der drei Parteien dem noch zustimmen, hieß es.

"Finden von Gemeinsamkeiten lohnt sich"

Im Vorwort zu dem Papier heißt es unter anderem, CDU, BSW und SPD kooperierten "gemeinsam, um Thüringen nach vorne zu bringen". Unterschiedliche Traditionen und SIchtweisen seien nicht Hindernisse, "sondern Treiber für neue politische Kreativität". Die drei Partner nähmen die durch Unternehmen, Familien, Freundeskreise verlaufenden gesellschaftlichen Risse wahr und wollten zeigen, "dass sich das Finden von Gemeinsamkeiten und die Arbeit daran lohnt". Mit ihrer Kooperation wollten sie "einen Aufbruch und neue Hoffnung entfachen". Man wolle "das Land aus der Mitte heraus zusammenführen", Sorgen wahrnehmen und Ängste abbauen.

Bildungspolitik: Verpflichtende Deutschtests vor Einschulung

Das Papier nennt mehrere Themenbereiche, über die in Koalitionsverhandlungen gesprochen werden soll. Darinter sind etwa Bildung und Familie, Wirtschaft, Gesundheit und Pflege, Migration, Sicherheit und Justiz. Landwirtschaft, Finanzen und politische Kultur. In der Bildungspolitik soll es unter anderem um verpflichtende Deutsch-Tests vor der Einschulung, Nutzungseinschränkungen für Handys in der Kern-Schulzeit und die Vermittlung von Medienkompetenz sowie Demokratiebildung im Unterrichzt geben. Familien sollen unter anderem durch die Abschaffung von Hortgebühren und den Ausbau von Ganztagsangeboten für Schülerinnen und Schüler entlastet werden.

Wirtschaft: Konzentrierte Gründer- und Nachfolgeförderung

In der Wirtschaftspolitik werden unter anderem die Einrichtung eines Transformations-, Technologie- und Innovationsfonds für Mittelstand und Industrie und eine "konzentrierte Gründer- und Nachfolgeförderung" in Zusammenarbeit mit der Thüringer Aufbaubank, Sparkassen und Genossenschaftsbanken genannt. Die Meisterausbildung soll nach dem Willen der drei Parteien kostenfrei werden. Außerdem wollen die drei Partner eine Anwerbeoffensive für ausländische Fachkräfte und Auszubildende. In der Energiepolitik setzen CDU, BSW und SPD auf einen Energimix aus Geo-, Bio-, Solar-, Wasser- und Windenergie und die Nutzung von Wasserstoff.

Erhalt aller Krankenhaus-Standorte

In der Gesundheitspolitik wollen sich die drei Parteien unter anderem für den Erhalt aller Krankenhaus-Standorte einsetzen sowie für eine Übernahme der Investitionskosten für Pflegeeinrichtungen. In der Migrationspolitik wollen die drei Parteien einen "Richtungswechsel" herbeiführen und etwa die Kommunen durch eine Erhöhung der Aufnahmekapazität von Einrichtungen des Landes entlasten. Es soll eine zentrale Landesausländerbehörde geben, "die Aufnahme, Anerkennung, Integration und Rückführung bündelt".

Mehr Polizisten und Cyber-Sicherheitsagentur

In der Sicherheitspolitik wird etwa die Einstellung von 1.800 neuen Polizisten genannt. Die Polizei-Ausrüstung soll "auf den modernsten Stand" gebracht werden. Jusitz und Justizvollzug sollen besser personell ausgestattet werden. Auch soll es eine Cyber-Sicherheitsagentur und eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Cybercrime geben.

Keine Zusammenarbeit mit AfD

Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließen die drei Parteien in ihrem Papier aus, jedoch seien aufgrund der Sperrminorität dieser Partei Gespräche zu notwendigen parlamentarischen Verfahren und Entscheidungen zu führen. Es bedürfe "keiner gesonderten Vereinbarung mit der Linken", was Gespräche zu Sachfragen aber nicht ausschließe.

Thema Frieden soll in Koalitionsverhandlungen besprochen werden

In der gemeinsamen Pressekonferenz sagte CDU-Vertreter Bühl, die Gespräche hätten in einer vertrauensvollen und konstruktiven Atmosphäre stattgefunden. Auch BSW-Vertreter Tilo Kummer sprach von einem "fairen Umgang" miteinander. Ein wichtiger Streitpunkt wurde bislang indes ausgeklammert: die Forderungen der BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht unter anderem nach einem Verbot einer Stationierung von US-Mittelstrecken-Raketen in Deutschland und einem Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine. "Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen", heißt es in dem Papier.

Reaktionen

Linke: Ideenloses Papier

Die Linke-Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig sprach von einem "ideenlosen" Papier, das keinen Politikwechsel widerspiegele. Es bestehe vor allem aus Belanglosigkeiten und biete nichts, was Thüringen wirklich weiterbringt. Festhalten an der Schuldenbremse, kaum Ideen für den Schutz der Demokratie, eine Stärkung des Inlandsgeheimdienstes und eine wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft als Leitlinie - das sei weder links noch neu, so Grosse-Röthig. Das Papier atme "den Geist der alten CDU-Herrschaft in Thüringen, ergänzt um populistische Schlagworte im Bereich der Asyl-, Innen- und Bildungspolitik".

Grüne: Wunschkonzert ohne Konzepte

Die Thüringer Grünen nannten das Papier der drei Parteien ein "Wunschkonzert ohne Konzepte", das gesellschaftlich wichtige Themenkomplexe komplett außen vor lasse. Willkommenskultur und Weltoffenheit kämen darin nicht vor, kritisierte Landessprecherin Ann-Sophie Bohm. Die Bedrohung durch den erstarkenden Rechtsextremismus werde nicht einmal erwähnt, "geschweige denn Maßnahmen dagegen". Überlegungen zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen gebe es darin nicht, Tierschutz und Naturschutz tauchten nicht auf. Auch die Perspektive von Frauen, queeren Menschen und Mitgrantinnen und Migranten werde ignoriert.

DGB wirbt für Vereinbarung mit der Linken

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, dass in dem Papier Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte und Mitbestimmung nicht vorkämen. Tarifbindung werde nur im Zusammenhang mit dem Vergabegesetz genannt. Es enthalte an vielen Stellen nur reine Absichtserklärungen, so die stellvertretende Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Renate Sternatz. Sie warb zudem für eine konkrete Vereinbarung der drei Parteien mit der Linken über eine Zusammenarbeit.

MDR (dr), Reuters, AFP

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 18. Oktober 2024 um 15:47 Uhr.