Sondervermögen der Bundeswehr Rüstungsindustrie fordert Aufträge ein
100 Milliarden Euro Sondervermögen - mit dieser Summe sollte die Bundeswehr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine fit gemacht werden. Doch die Rüstungsindustrie klagt: Bisher seien kaum Aufträge bei den Unternehmen eingegangen.
Bei der Rüstungsindustrie sind nach Angaben einer Branchenvertreterin bislang kaum Aufträge aus dem milliardenschweren Paket der Bundesregierung eingegangen. "Bis heute ist der Bestelleingang bei der deutschen Industrie aus dem Sondervermögen verschwindend gering", sagte die Chefin des Panzergetriebe-Herstellers Renk, Susanne Wiegand, der "Augsburger Allgemeinen".
"Irgendwann frage ich mich schon: Deutschland, was muss eigentlich noch passieren?" Die Industrie benötige Planungssicherheit. Zudem sei ein Kulturwandel nötig. "Wir brauchen eine Normalisierung im Verhältnis der Deutschen zu ihrer Rüstungsindustrie", sagte Wiegand, die auch Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist.
Union mahnt: Zeitenwende müsse sich "endlich materialisieren"
Auch der CSU-Politiker und verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, kritisierte die mangelnden Bestellungen des Bundes: "Die Bundeswehr wartet in allen Bereichen auf die Nachbeschaffungen, doch es kommt einfach nichts bei der Truppe an." Die "Zeitenwende" müsse sich endlich materialisieren: im Haushalt, beim Personal, Material, Munition und der Infrastruktur.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht eine schnellere Beschaffung von Ausrüstung, Munition und Waffen als eine Hauptaufgabe. Erst am Freitag hatte er eine zehnprozentige Aufstockung des Ende Februar 2022 nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine auf den Weg gebrachten Sondervermögens von 100 Milliarden Euro gefordert.
„Welt“: Sondervermögen könnte um 13 Milliarden Euro abschmelzen
Laut „Welt am Sonntag“ könnte die für Waffenkäufe zur Verfügung stehende Summe des Sondervermögens deutlich geringer ausfallen als erwartet. Die Zeitung beruft sich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Ingo Gädechens. Grund sei demnach eine steigende Zinslast, die aus dem schuldenfinanzierten Fonds selbst getragen werden müsse - und die derzeit hohe Inflation, die die Kaufkraft der verbliebenen Summe senke.
Der CDU-Politiker hatte in seiner Anfrage eine Summe von 13 Milliarden Euro genannt, die von den 100 Milliarden Euro des Sondervermögens abgezogen werden müsse. Das Verteidigungsministerium nannte in seiner Antwort keine konkrete Zahl über die bereits bekannten sieben Milliarden Euro an Zinsbelastung hinaus.
Verteidigungsministerium: Höhe der Zinskosten nicht zu beziffern
Dem ARD-Hauptstadtstudio gegenüber konnten sowohl das Verteidigungs- als auch das Finanzministerium diese Berichte nicht bestätigen. "Die Höhe der Zinskosten des Sondervermögens lässt sich nicht abschließend beziffern, sie ist abhängig von dem zu finanzierenden Volumen und dem Zeitpunkt der Finanzierung sowie von den Konditionen, zu denen das Sondervermögen Mittel aufnimmt", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Die Höhe der Zinsausgaben zu Lasten des Sondervermögens "Bundeswehr" für die Aufnahme von Krediten sei unter anderem abhängig von den fiskalpolitischen Entscheidungen des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit der Anhebung der Zinsen durch die EZB stiegen dementsprechend auch die zu erwartenden Zinsausgaben zu Lasten des Sondervermögens.
Verträge im Umfang von zehn Milliarden Euro geschlossen
Laut Verteidigungsministerium wurden für Projekte aus dem Sondervermögen bisher Verträge im Umfang von rund zehn Milliarden Euro abgeschlossen, etwa für die Beschaffung von F-35A Kampfjets, Funkgeräten und Überschneefahrzeugen.
Allerdings wurden bis Ende 2022 von den 100 Milliarden Euro noch nichts ausgegeben. Grund sei, dass das Sondervermögen erst Mitte des vergangenen Jahres in Kraft getreten ist und Gelder erst ausgegeben werden können, "wenn die Industrie die bestellten Güter liefert, diese abgenommen werden können und Rechnungen als Zahlungsgrundlage vorliegen", heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Für das Haushaltsjahr 2023 sind im Wirtschaftsplan des Sondervermögens "Bundeswehr" rund 8,4 Milliarden Euro vorgesehen.