Dobrindt blockierte Pläne für Sammelklagen "Lehnen wir ab!!! Komplett streichen!"
Mit einer handschriftlichen Notiz hat sich Verkehrsminister Dobrindt dagegen gewandt, dass eine Art Sammelklage mit mehr Rechten für Verbraucher Gesetz wird. Das belegen Recherchen von NDR, WDR, und SZ.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat während der VW-Affäre persönlich eingegriffen, um eine Musterfeststellungsklage für Verbraucher zu blockieren. Das geht aus internen Vermerken und E-Mails hervor, die WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" vorliegen.
Bei den Unterlagen für den Rechtsausschuss des Bundestages handelt es sich um ein Papier, das zwischen Justiz-, Finanz-, Umwelt- und Verkehrsministerium bereits weitgehend abgestimmt war, ehe Dobrindt im vergangenen Dezember einschritt. In dem zwölfseitigen Papier strich er den Passus zur deutschen Variante der Sammelklage kurzerhand komplett.
Handschriftliches Veto
"Lehnen wir ab!!! Komplett streichen!", notierte Dobrindt handschriftlich neben dem entsprechenden Passus, in dem es um diese in Deutschland neuartige Klagemöglichkeit und deren Realisierbarkeit ging. Auch eine begleitende E-Mail zeigt, dass Dobrindt selbst die Änderungen vorgenommen hatte.
Dobrindt bestätigte WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung", dass diese Notizen aus seiner Hand stammen. Grundsätzlich sei er mehr Verbraucherschutz gegenüber nicht abgeneigt, relativierte er. Ob Musterklagen ein gutes Instrument dafür seien, lasse sich noch nicht sagen. Bislang gebe es ja gar keinen Gesetzentwurf. "Wenn es ihn gibt, stehen wir dem offen gegenüber und werden prüfen, ob das machbar ist", sagte Dobrindt.
Hin und Her zwischen den Ministerien
Das Verkehrsressort versucht nun offenbar, den Ball zum Koalitionspartner zurückzuspielen. Hätte Justizminister Heiko Maas von der SPD die Musterklage wirklich gewollt, dann hätten er oder seine Staatssekretäre ja vorstellig werden können, war aus Dobrindts Haus zu hören. Geschehen sei das aber nicht.
Für Dobrindt sind die nun aufgetauchten Vermerke politisch brisant: Noch am Montag hatte sich das Bundesverkehrsministerium gegen Vorwürfe verwehrt, wonach es die Einführung der Musterfeststellungsklage durch seinen Widerstand seit Beginn der Abgasaffäre verhindert oder auch nur verzögert habe.
WDR, NDR und "Süddeutsche Zeitung" hatten am Sonntag über interne Regierungsunterlagen berichtet, die zeigten, dass ein fertiges Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums bereits seit Ende vergangenen Jahres in der Schublade liegt, jedoch bis jetzt verschleppt wurde.
Regierung kündigt Gesetz an
Nachdem sich nun Medien und auch Verbraucherschützer für das Thema interessiert hatten, kündigte die Bundesregierung am Montag an, dass noch in diesem Jahr ein Entwurf vorgelegt und das Gesetz vor der Bundestagswahl im kommenden Herbst auf den Weg gebracht werden solle. Mit diesem rechtlichen Instrument könnten etwa Verbraucherverbände stellvertretend für viele Kunden vor Gericht ziehen. Bisher muss jeder Betroffene selbst beweisen, dass er einen Schaden erlitten hat.
Die nun aufgetauchten Dokumente aus Akten von Justiz- und Verkehrsministerium zeigen, dass sich das Haus von Maas darum bemühte, das Verkehrsministerium umzustimmen - jedoch erfolglos blieb. Das Papier ging schließlich ohne den Passus zur längst angekündigten und von Verbraucherschützern geforderten Sammelklage an den Rechtsausschuss, obwohl Dobrindts Mitarbeiter dem Passus ursprünglich zugestimmt hatten.
Kein Gespräch zwischen Dobrindt und Maas?
Das Verkehrsministerium beharrte gegenüber dem Justizressort darauf, dass der Konflikt - wenn überhaupt - auf Ministerebene ausgetragen werden müsse, also zwischen Dobrindt und Maas. Ob ein solches Gespräch stattgefunden hat, ist unklar. Doch vieles spricht dafür, dass sich die beiden nicht persönlich ausgetauscht haben.
Eine Begründung, warum Dobrindt die Musterfeststellungsklage im vergangenen Jahr so entschlossen blockierte, lieferte er offenbar nicht, was E-Mails aus dem Justizministerium zu entnehmen ist: "Die Streichung ist auf Leitungsebene ohne Kommentar erfolgt, auf Fachebene war dieser Abschnitt nicht streitig. Vermutet wird hier allenfalls, dass es grundsätzlich Vorbehalte aus Kreisen der CDU/CSU geben könnte", schrieb eine Mitarbeiterin der Verbraucherschutzabteilung. Und schloss lapidar: "Der Bericht wird jetzt ohne die Ausführungen zur Musterfeststellungsklage an den Rechtsausschuss übermittelt."