China-Reise Viele Forderungen an Kanzler Scholz
China ist nach wie vor Deutschlands wichtigster Handelspartner - doch der Umgang mit der autoritären Führung in Peking ist schwierig. Entsprechend lang ist die Liste der Forderungen an Kanzler Scholz, der in wenigen Tagen nach Peking reist.
Vor dem ersten China-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang November dringt die deutsche Wirtschaft auf ein robusteres Auftreten gegen die Führung in Peking. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) appellierte an den SPD-Politiker, deutsche Abhängigkeiten zu verringern. "Einseitige Abhängigkeiten müssen wir rasch abbauen", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. "Deutschland ist von vielen mineralischen Rohstoffen heute stark von China abhängig." Im Gegensatz etwa zu Öl und Gas gebe es bei mineralischen Rohstoffen keine nationalen strategischen Reserven in Deutschland.
Der deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fordert angesichts der von vielen deutschen Managern beklagten Gängelei durch die chinesischen Behörden sich für gleiche Spielregeln einzusetzen. "Der zunehmende Protektionismus in der Volksrepublik ist aus Sicht der deutschen Wirtschaft ein Problem", kritisiert DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Das Land setzt selbst eher auf Abschottung, will aber überall in der Welt mehr mitmischen, auch bei uns in Deutschland". Deshalb sei es so wichtig, dass der Bundeskanzler sich für "wechselseitig gleiche Regeln, also Reziprozität, einsetzt. Hier muss sich auch Europa klar positionieren."
Druck auf ausländische Unternehmen
Aktuell beliebte Druckmittel der chinesischen Behörden sind "Datenschutz" und "nationale Sicherheit": Von ausländischen Unternehmen wird verlangt, technologische Entwicklungen offenzulegen, mit dem Argument, dass die chinesischen Gesetze dies vorschrieben.
Dank jahrzehntelanger politischer Förderung sind Deutschlands Unternehmen heute so eng mit China verflochten, dass eine "Entkopplung" schwerwiegende Folgen für die deutsche Volkswirtschaft hätte. Bekanntestes Beispiel eines auf China angewiesenen Unternehmens ist Volkswagen, der Konzern macht vierzig Prozent seines Umsatzes in China. Ähnlich gilt das aber zum Beispiel auch für den Sportbekleidungshersteller Adidas, dem im vergangenen Jahr Boykottaufrufe chinesischer Nationalisten zu schaffen machten.
In der Vergangenheit agierten deutsche Spitzenpolitiker vom einstigen CSU-Chef Franz Josef Strauß bis zu Ex-Kanzlerin Angela Merkel bei Peking-Besuchen seit den 1970er-Jahren stets als Türöffner für die deutsche Wirtschaft. Verbunden war dies mit der Hoffnung, dass die chinesische Diktatur sich in Richtung Rechtsstaat wandeln werde - nicht erst seit den jüngsten Machtdemonstrationen von Chinas Präsidenten Xi Jinping ist diese Politik gescheitert.
Kritik von Merz
Entsprechend gibt es aus der Politik Kritik an der Reise des Kanzlers. "Zu einem schlechteren Zeitpunkt könnte er gar nicht fahren", sagte CDU-Chef Friedrich Merz zur Chinareise von Scholz. Erst vor eine Woche habe das Land beim Parteitag der Kommunistischen Partei Taiwan militärisch gedroht, sagte Merz der "Augsburger Allgemeinen". Er erwartet, dass die Staatsführung den Kanzlerbesuch propagandistisch ausschlachten wird.
Scholz hatte angekündigt, bei seinem Antrittsbesuch in China auch Menschenrechtsfragen anzusprechen. Es werde um die ganze Bandbreite der Beziehungen zu China gehen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag. "Und das sind natürlich auch autokratische Bestrebungen innerhalb Chinas, das ist natürlich die Frage Menschenrechte insbesondere mit Blick auf den Umgang mit Minderheiten in China." Es gehe aber auch noch um eine ganze Reihe anderer Fragen wie Investitionen oder die Öffnung chinesischer Märkte, sagte Hebestreit.
Außerdem werde Scholz den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, den Klimawandel und die "Spannungen in den Regionen Ostasiens" ansprechen. Ob der Kanzler auch Vertreter von Organisationen treffen wird, die nichts mit der Regierung zu tun haben, konnte der Regierungssprecher noch nicht sagen. Wegen der strengen Corona-Auflagen seien solche Treffen nicht so einfach wie früher. "Aber wir sind sehr bestrebt, auch diesen wichtigen Aspekt eines Chinas-Besuchs abdecken zu können."
Debatte über chinesische Beteiligungen
In Deutschland wurde zuletzt über die Beteiligung chinesischer Staatskonzerne an deutschen Unternehmen diskutiert - wie dem möglichen Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco bei einem Terminal im Hamburger Hafen oder eine Chip-Fabrik in Dortmund, die durch die Tochter eines chinesischen Unternehmens übernommen werden soll.
Die Grünen wollen in diesem Zusammenhang die gesetzlichen Vorgaben für ausländische Investitionen in sensible Technologie- und Versorgungsbereiche verschärfen. Es sei deutlich geworden, "dass es dringend gesetzlicher Nachjustierungen bedarf, um zukünftig entsprechende, strategisch motivierte Übernahmen ausländischer Investoren noch leichter untersagen zu können - auch und gerade mit Blick auf die kritischen Infrastrukturen", sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz dem "Handelsblatt".
Forderung nach Aussetzen von Beteiligungen
Die Bundesregierung überprüft eine Übernahme der Chip-Fertigung des Dortmunder Unternehmens durch den schwedischen Konkurrenten Silex, der eine Tochter des chinesischen Konzerns Sai Microelectronics ist. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), brachte ein vorübergehendes Verbot von Beteiligungen chinesischer Unternehmen an deutschen Firmen ins Spiel.
"Die Bundesregierung muss jetzt schnellstmöglich eine Risikoanalyse vorlegen, in welchen Bereichen Unternehmensbeteiligungen aus Gründen der strategischen Unabhängigkeit eingeschränkt werden sollten", sagte Throm dem "Handelsblatt". "Bis dahin halte ich auch ein zeitlich befristetes Beteiligungsmoratorium für überlegenswert."