Fragen und Antworten Was bedeutet Sicherungsverwahrung?
Das Bundesverfassungsgericht hat die Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Nach den bislang geltenden Vorschriften muss ein Straftäter auch nach der Haft im Gefängnis bleiben - so soll die Allgemeinheit vor ihm geschützt werden. Welche Verbrecher sind betroffen? Wer ordnet die Verlängerung an? tagesschau.de liefert diese und andere Antworten.
Wozu dient die Sicherungsverwahrung?
Bei der Sicherungsverwahrung müssen besonders gefährliche Straftäter über das Ende ihrer Haft hinaus im Gefängnis bleiben - so soll die Allgemeinheit vor ihnen beschützt werden.
Wieviele Täter sind betroffen?
Seit 1998 wurden die Regelungen für die Sicherungsverwahrung mehrfach erweitert und verschärft. Die Zahl der Straftäter in Sicherungsverwahrung stieg zwischen 2001 und 2009 von 257 auf über 500. Im Juli 2010 befanden sich nach Angaben des Bundesjustizministeriums 524 Menschen in Sicherungsverwahrung.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden ?
Nach Paragraf 66 Strafgesetzbuch muss die Sicherungsverwahrung für bestimmte Wiederholungstäter angeordnet werden, wenn sie zum dritten Mal verurteilt werden und aufgrund der ersten zwei Verurteilungen schon mindestens zwei Jahre im Gefängnis abgesessen haben. Bislang kann die Sicherungsverwahrung von einem Gericht schon im Strafurteil oder auch nachträglich angeordnet werden. Die Sicherungsverwahrung muss vom Gericht alle zwei Jahre neu überprüft werden, bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten sogar jedes Jahr.
Warum muss die Sicherungsverwahrung reformiert werden?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat diese deutsche Praxis der nachträglichen Sicherungsverwahrung im Dezember 2009 als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention beanstandet. Die Straßburger Richter entschieden, dass gegen bestimmte Straftäter zu Unrecht Sicherungsverwahrung verhängt worden war. Bis 1998 konnte die Maßnahme nur auf zehn Jahre befristet angeordnet werden, seither kann sie lebenslang bestehen bleiben. Nach 1998 wurden zahlreiche zuvor angeordnete Verwahrungen über die Zehn-Jahres-Frist hinaus verlängert - was nach Ansicht der Straßburger Richter gegen das Rückwirkungsverbot verstieß. Demnach darf niemand wegen eines Gesetzes verurteilt werden, das zum Zeitpunkt der Tat noch nicht bestand.
Was hat sich seit der Reform geändert?
Die Sicherungsverwahrung wurde zum Jahresbeginn reformiert und auf Sexual- und Gewalttäter beschränkt. Die Sicherungsverwahrung wird es nur noch geben, wenn sie schon im Urteil angeordnet oder zumindest "vorbehalten" war. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung , die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 17. Dezember 2009 als eine "verkappte Strafverlängerung" bezeichnet und als Verstoß gegen die Menschenrechte gerügt hatte, ist abgeschafft. Bislang Inhaftierte, die sich auf dieses Straßburger Urteil berufen können und eigentlich freizulassen sind, sollen in geeigneten Einrichtungen untergebracht werden können (Therapieunterbringungsgesetz). Voraussetzung: Sie sind "psychisch gestört" und die Unterbringung erfolgt zum Schutz der Allgemeinheit. Ist die Freilassung nicht zu verhindern, kann die Führungsaufsicht das Tragen elektronischer Fußfesseln anordnen.
Das Problem der rückwirkenden Verlängerung wurde mit der Reform allerdings nicht aus der Welt geschafft. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigt sich mit dieser Frage, ist aber noch zu keinem abschließenden Urteil gekommen. Zur Zeit gibt es noch keine klare Linie. Einige Oberlandesgerichte haben eine sofortige Freilassung der Betroffenen angeordnet, andere haben die Täter weiter in Verwahrung gelassen.