Sondierung von Union und SPD Das steht im Abschlusspapier
"Wir wollen eine stabile und handlungsfähige Regierung bilden, die das Richtige tut" - so steht es in der Präambel des Abschlusspapiers. Und sonst: keine Steuererhöhungen, enge Grenzen beim Familiennachzug, paritätisch finanzierte Krankenkassenbeiträge. Ein Überblick.
28 Seiten umfasst das Abschlusspapier der Sondierer von CDU, CSU und SPD. Von einem "Papier des Gebens und Nehmens" sprach CDU-Chefin Angela Merkel - also klassischen Kompromissen. Alle drei Parteien setzten einige ihrer Herzensthemen durch, doch mussten sie auch Kröten schlucken. Ein Überblick:
Steuern
Die von der SPD geforderte Anhebung des Spitzensteuersatzes soll nicht kommen. Es wird keine Steuererhöhungen geben. Geeinigt haben sich beide Seiten auf den Abbau des Soli-Zuschlages. Er soll bis 2021, also dem Ende der Legislaturperiode, um zehn Milliarden Euro sinken. Konkret heißt es: "Wir wollen den Soli schrittweise abschaffen und in dieser Wahlperiode mit einem deutlichen ersten Schritt beginnen." Rund 90 Prozent aller Soli-Zahler sollen so vollständig vom Soli entlastet werden. Zusätzlich wollen die Parteien Geringverdiener bei Sozialbeiträgen entlasten. Ein klares Bekenntnis gibt es zur "Schwarzen Null". Union und SPD veranschlagen insgesamt Mehrausgaben in Höhe von etwa 45 Milliarden Euro von 2018 bis 2021.
Flüchtlingspolitik
Beim Streit um den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz einigten sich Union und SPD auf einen Kompromiss. So soll monatlich 1000 Menschen der Nachzug nach Deutschland gewährt werden. Geplant sei eine gesetzliche Neuregelung, mit der ein "geordneter und gestaffelter Familiennachzug nur aus humanitären Gründen" möglich sei.
Der Familiennachzug für subsidiär Geschützte, der noch bis Mitte März ausgesetzt ist, war einer der Knackpunkte bei den Sondierungsverhandlungen. Im Gegensatz zur Union wollte die SPD die zweijährige Aussetzung nicht verlängern. Laut dem Entwurf soll noch in diesem Monat ein Gesetz im Bundestag eingebracht werden, das die Aussetzung so lange verlängert, bis die geplante Neuregelung in Kraft sei. Diese solle bis zum 31. Juli verabschiedet werden.
Beim Streit um den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz einigten sich Union und SPD auf einen Kompromiss.
Das Papier sieht auch eine Art Obergrenze vor, allerdings ohne das Reizwort zu nennen. Bezogen auf die durchschnittlichen Zuwanderungszahlen, die Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre sowie mit Blick auf die vereinbarten Maßnahmen stelle man fest, dass die Zuwanderungszahlen "die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden" - ein Zugeständnis an die CSU. Asylverfahren sollen künftig in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen durchgeführt werden. In ihnen soll für die Migranten Residenzpflicht herrschen und es sollen lediglich Sach- statt Geldleistungen gewährt werden.
Krankenversicherung
Die Sondierer einigten sich auf eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Demnach sollen die Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden. Das hatte die SPD gefordert. Zur Zeit werden 14,6 Prozent je zur Hälfte gezahlt, den Rest, der im Schnitt bei einem Prozentpunkt liegt, bezahlen die Arbeitnehmer alleine. Die Bürgerversicherung setzte die SPD nicht durch.
Rente
Das Rentenniveau soll bis 2025 auf dem derzeitigem Stand von 48 Prozent gehalten werden. Dafür soll die Rentenformel geändert werden. Die Stabilisierung des Rentenniveaus war eine wichtige Forderung der SPD.
Neben der für das laufende Jahr vorgesehenen Änderung der Rentenformel wollen Union und SPD eine Kommission einrichten, die sich mit der Zukunft der gesetzlichen Rente befassen soll. Eine solche Institution hatte die Union in ihrem Wahlprogramm gefordert. Entsprechend einer SPD-Forderung heißt es in dem Papier weiter: "Dabei streben wir eine doppelte Haltelinie an, die Beiträge und Niveau langfristig absichert."
Das Rentenniveau soll bis 2025 auf dem derzeitigem Stand von 48 Prozent gehalten werden.
Zudem einigten sich CDU, CSU und SPD dem Papier zufolge auf eine besondere Rente für Geringverdiener. Wer jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt hat, soll ein regelmäßiges Alterseinkommen von zehn Prozent oberhalb des regionalen Grundsicherungsbedarfs zugesichert bekommen. Berechtigt sollen Versicherte sein, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung beziehungsweise Pflegezeiten aufweisen. Es solle bei der "Grundrente" eine Bedürftigkeitsprüfung geben.
Die CSU setzte die Erweiterung der Mütterrente durch. Mütter, die ihre Kinder vor 1992 auf die Welt gebracht haben, sollen künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen. Die CSU hatte auf diese "Mütterrente II" gedrungen.
Pflege
Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sollen "sofort und spürbar" verbessert werden. Konkret wollen CDU/CSU und SPD die Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif stärken. Gemeinsam mit den Tarifpartnern solle dafür gesorgt werden, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kämen. Zudem sollen 8000 neue Fachkraftstellen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden.
Arbeitsmarkt
Union und SPD bekennen sich zum Ziel der Vollbeschäftigung. Langzeitarbeitslose sollen besser gefördert und qualifiziert werden, um ihnen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die von der SPD geforderte Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld wurde jedoch nicht vereinbart. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden. Die Sozialabgaben - das war eine zentrale Forderung der Union - sollen unter 40 Prozent stabilisiert werden.
Das im Sommer 2017 gescheiterte Recht auf befristete Teilzeit wollen Union und SPD nun einführen. Dieser Teilzeitanspruch soll nur für Unternehmen ab 45 Mitarbeitern gelten. Bei Firmengrößen zwischen 45 und 200 Mitarbeitern soll lediglich einem pro 15 Mitarbeitern der Anspruch gewährt werden müssen.
Union und SPD einigten sich zudem auf ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland "ordnen und steuern" soll.
Bildung
Geplant sind gebührenfreie Kitas und ein Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung. Die Schulen in Deutschland sollen mit einer Investitionsoffensive gestärkt werden. Mit einem nationalen Bildungsrat sollen die Bildungschancen im gemeinsamen Schulterschluss von Bund und Ländern verbessert werden, ferner soll das Bafög deutlich erhöht werden. Klar steht aber auch in dem Papier: "Die Kultushoheit bleibt Kompetenz der Länder."
Geplant sind gebührenfreie Kitas und ein Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung.
Europapolitik
Union und SPD einigten sich auf umfassende Reformen in der EU und der Euro-Zone. "Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann", heißt es wörtlich. Die Euro-Zone soll besser abgesichert werden. "Dabei befürworten wir auch spezifische Haushaltsmittel für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz und für die Unterstützung von Strukturreformen in der Euro-Zone", heißt es. Dies könnte Ausgangspunkt für einen künftigen Investivhaushalt für die Euro-Zone sein. Union und SPD bekennen sich ausdrücklich dazu, sehr eng mit Frankreich zusammenzuarbeiten.
Landwirtschaft
Union und SPD wollen den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat drastisch reduzieren. Ziel sei es, die Verwendung von Glyphosat grundsätzlich zu beenden. Wann, wird nicht gesagt. Zudem verständigten sich Union und SPD auf ein Verbot von Genmais oder anderen gentechisch veränderten Pflanzen. Verbraucher sollen außerdem, welche Hersteller tierischer Lebensmittel über die gesetzlichen Vorgaben der Haltung hinausgehen. Dazu wollen Union und SPD ein Tierwohllabel einführen - angekündigt hatte das bereits das Bundeslandwirtschaftsministerium in der zu Ende gehenden Legislatur.
Union und SPD wollen den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat drastisch reduzieren.
Arbeitsweise der Koalition
Wechselnde Mehrheiten werden ausdrücklich ausgeschlossen - eine klare Absage an neue Formen der Zusammenarbeit jenseits bisheriger Koalitionsregeln, wie sie die SPD ins Gespräch gebracht hatte. Zur Mitte der Wahlperiode soll bei einer "Bestandsaufnahme" des Koalitionsvertrags geklärt werden, ob wegen aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen.