Schwarz-grüne Sondierung Ein bisschen Hoffnung auf Jamaika
Leise im Ton, viel Konjunktiv: Armin Laschet gab sich nach dem Treffen von Union und Grünen betont werbend. Für ihn geht es bei der Option auf ein Bündnis mit Grünen und FDP um alles oder nichts.
Für Armin Laschet ist es der Kampf um seine letzte Chance. Doch allzu kämpferisch tritt er nicht auf - eher leiser werbend in der Tonart: Beim Gespräch mit den Grünen seien "keine unüberwindbaren Gegensätze" deutlich geworden. "Das müsste man vertiefen, das würde sich lohnen." Konjunktiv. Ein vorsichtig formuliertes Angebot für weitere Gespräche.
Bei ihrer Pressekonferenz haben sich die Spitzenleute von Grünen und Union abwechselnd aufgereiht. Laschet steht zwischen Habeck und Baerbock, daneben Söder. Habeck: "Wie bei den Beatles." Über ihren Köpfen hängt eine Kranbrücke. Der EUREF-Campus ist einer dieser früheren Industrieorte, die jetzt Kulisse für moderne Projekte sind. Wieviel Zukunft die Verbindung von Grünen und Union hat, bleibt nach dem ersten Treffen offen.
Für Armin Laschet geht es in den kommenden Wochen - vielleicht schon Tagen - um alles oder nichts. Während die Sondierungsteams zusammensitzen, laufen erste Meldungen ein, dass Laschet NRW-Verkehrsminister Wüst als neuen Ministerpräsidenten vorschlagen wolle. Wenig später ist diese Information offiziell. Damit ist die Rückkehr-Brücke nach Düsseldorf endgültig abgerissen. In der Bundes-CDU ist der Ruf nach Erneuerung längst unüberhörbar geworden. Doch eine letzte Chance bleibt ihm noch: Laschet hat den Auftrag, eine Koalition mit FDP und Grünen zu schmieden.
"Denksport für alle Beteiligten"
CSU-Chef Söder bekundet Interesse, weiter im Gespräch zu bleiben. Das Treffen nennt er - im Vergleich zur Begegnung mit der FDP - "genauso oder noch spannender, weil es auch viel Denksport für alle Beteiligten ist, die Zukunft weiter zu entwickeln".
Sollten CDU und CSU die Grünen für diese Idee erwärmt haben, Baerbock und Habeck lassen es sich nicht ansehen. Wer die Statements nach den diversen Sondierungsrunden regelmäßig hört, kennt die Bausteine, zu denen die Beteiligten greifen, wenn sie zwar vor Mikrofonen stehen müssen, aber nicht allzu viel sagen wollen.
Erneuter Bruch der Vertraulichkeit
Gespräche werden dann "konstruktiv", "sachlich", "intensiv" genannt. Die Beschreibung "ehrlich" lässt auf Differenzen schließen. Baerbock sagt über die bisherige Sondierung: "Zur Verantwortung gehört Verlässlichkeit und Vertrauen." Das kann man als Seitenhieb auf Indiskretionen deuten. Aus dem Gespräch von Union und FDP waren Informationen in der "Bild"-Zeitung gelandet.
Dieser Bruch der Vertraulichkeit wiederholte sich heute. "Es nervt!", schrieb der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, bei Twitter. Dieselben Worte wählte auch Laschet am Abend in Düsseldorf. Über die Quelle der Indiskretion wolle er aber nicht spekulieren. Wer auch immer die Informationen aus den vertraulichen Sitzungen verbreitet, nimmt in Kauf, dass das Laschet und seine Bemühungen um eine Jamaika-Koalition beschädigt.
Die meisten Frageversuche in der Pressekonferenz landen in der Sackgasse. Ob denn eine Jamaika-Koalition anders bewertet würde, sollte nicht mehr Laschet die Führung haben, werden Baerbock und Habeck gefragt. Der Kanzlerkandidat der Union schaut mit einem fragenden Lächeln nach links und rechts. "Auch da halten wir uns komplett raus", antwortet Habeck. Schon vorher hatte er gesagt, sich nicht in den inneren Fragen der Union einmischen zu wollen.
Schwarz-Grün galt lange als wahrscheinlich
Vor wenigen Monaten stand die Verbindung von Union und Grünen noch hoch im Kurs. Eine alte Idee schien Wirklichkeit zu werden. Die Gedankenspiele begannen schon in den 1990er-Jahren in der sogenannten "Pizza-Connection", einem informellen Gesprächskreis junger Abgeordneter von CDU und Grünen in einer Kneipe in Bonn.
Und noch bis vor wenigen Monaten, bis weit in den Wahlkampf hinein, schien klar, dass das nächste Regierungsbündnis aus Union und Grünen bestehen würde. Offen war eigentlich nur, wer es anführen würde: Armin Laschet oder Annalena Baerbock. Ökos und Konservative zusammen, das hatte Charme, vor allem mit Blick auf die große Herausforderung einer ökologischen Transformation der Wirtschaft.
Beide Seiten hatten in gewisser Weise darauf hingearbeitet: auf Seiten der Union vor allem Markus Söder, der sich teilweise grüner als die Grünen präsentierte, wenn er auf Fotos Bäume umarmte oder die Bedingungen eines Bienen-Volksbegehrens in Bayern eins zu eins in ein Gesetz übernahm.
Die Grünen suchten in den letzten Jahren verstärkt die Nähe der Wirtschaft, gründeten einen Wirtschaftsbeirat, trafen sich mit Spitzen aus Industrie und Handel, machten deutlich: Ohne die Wirtschaft mit im Boot wird das mit der ökologischen Transformation nichts werden. Die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, das war lange Zeit die Erzählung, die schwarz-grün oder grün-schwarz für viele so attraktiv machte.
Jamaika ist nicht endgültig vom Tisch
Jetzt muss Laschet erkennen: Er selbst hat nicht in der Hand, was von den Jamaika-Hoffnungen bleibt. Er sagt: "Ob der weitere Weg so geht, das entscheiden natürlich FDP und Grüne." Beide Parteien wollen nun intern die Gespräche der vergangenen Tage auswerten, die FDP morgen in einer Vorstandssitzung, die Grünen heute und morgen in diversen Runden. Dann soll gemeinsam entschieden werden, wie es weiter geht. Einen konkreten Fahrplan gibt es bisher aber nicht.
Grüne und FDP halten ihre Verhandlungskarten eng an der Brust. Mit aller Vorsicht lässt sich sagen: Jamaika gilt aktuell nicht als die wahrscheinlichste Variante, ist aber auch noch nicht endgültig vom Tisch, allein weil das die Verhandlungsposition gegenüber der SPD schwächen würde.
Gut möglich, dass Grüne und FDP zunächst mit Sondierungsgesprächen in einer Dreierkonstellation mit der SPD beginnen. Je nachdem, wie sich diese gestalten, könnten als Druckmittel dann irgendwann parallele Gespräche mit der Union aufgenommen werden. Alle Seiten betonen, dass man möglichst zügig vorankommen wolle. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, äußerte sich zuversichtlich: "Ich bin optimistisch, dass wir einen großen Schritt voran kommen diese Woche."