SPD-Basis stützt Parteispitze Ja zu TTIP und CETA
Die Debatte war kontrovers, aber am Ende folgte der SPD-Parteitag der Parteispitze: Mit großer Mehrheit stimmten sie für die umstrittenen Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Parteichef Gabriel ermahnte die Genossen indirekt, die Regierungsfähigkeit nicht aufs Spiel zu setzen.
Nach einer hitzigen Debatte über die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA hat der SPD-Parteitag mit großer Mehrheit für einen Antrag des Parteivorstands gestimmt, der die Aushandlung der Abkommen mit den USA und Kanada befürwortet, dafür aber Bedingungen formuliert.
Der Parteitagsbeschluss wertet TTIP und CETA als "Chance, die wirtschaftliche Globalisierung politisch zu gestalten". Ziel sei es, "globale Standards für nachhaltiges Wirtschaften zu setzen". Beim CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada, das bereits ausverhandelt ist, fordert die SPD aber Nachbesserungen. Dabei geht es insbesondere um die Regeln für die Schiedsgerichtsbarkeit beim Investitionsschutz.
"Private Schiedsgerichte gehören abgeschafft"
In dem Beschluss heißt es: "Nachdem sich das Europäische Parlament festgelegt hat, dass das TTIP-Abkommen nur zustimmungsfähig ist, wenn die privaten Schiedsgerichte aus dem Abkommen eliminiert werden, muss die EU-Kommission auch bei CETA mit der neuen kanadischen Regierung das Gespräch suchen." Private Schiedsgerichte, "bei denen die Parteien sich ihre Schiedsrichter selbst bestimmen können, gehören abgeschafft", heißt es in dem Beschluss weiter.
Der Bundesparteitag bestätigte ausdrücklich die "roten Linien", die ein SPD-Parteikonvent im vergangenen Jahr für die Zustimmung der Partei zu CETA und TTIP gesetzt hat. Kritiker fürchten, dass Schiedsgerichte das legitime Recht der Staaten zur Regulierung, etwa bei Sozial- oder Umweltstandards, gefährden.
Parteikonvent soll über endgültige Verträge abstimmen
Vor allem Vertreter der SPD-Linken befürchten, dass die Führung bei den Handelsverträgen der EU mit Nordamerika einknicken könnte. Sie warnten in der Debatte, dass große Konzerne zu viel Einfluss bekommen sowie Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte ausgehöhlt werden. Parteivize Ralf Stegner, der selbst dem linken Flügel angehört, stärkte der Parteispitze den Rücken: "Wenn wir die Verhandlungen jetzt abbrechen, wird nichts besser", warnte er. Dann würden Staaten wie China und Bangladesch die Standards für Arbeit und Umwelt vorgeben. Stegner wertete es als Erfolg auch von Parteichef Sigmar Gabriel, dass private Schiedsgerichte nach dem Beschluss des Europaparlaments vom Tisch seien. Er rief die Delegierten auf, den Verhandlern den Rücken zu stärken statt ihnen in den Rücken zu fallen.
Gabriel ermahnte seine Partei indirekt, die Regierungsfähigkeit nichts aufs Spiel zu setzen. Es gehe nicht um "Zufriedenheit mit der eigenen Position", sagte er. Es gehe um die sehr prinzipielle Frage, wie die Partei mit Regierungsarbeit umgehe. Der Wirtschaftsminister betonte, die endgültigen TTIP- und CETA-Verträge würden einem Konvent oder einem weiteren Bundesparteitag zur Entscheidung vorgelegt. Das hatte die Partei bereits im vergangenen Jahr beschlossen.
"Er muss manchmal unangenehme Dinge sagen"
Nach seiner Schlappe bei der Wahl zum Parteivorsitzenden erhielt Gabriel derweil Rückendeckung von Parteifreunden. Baden-Württembergs Landeschef Nils Schmid sagte, es wäre natürlich schöner gewesen, wenn der Vizekanzler bei seiner Wiederwahl ein besseres Ergebnis als 74,3 Prozent bekommen hätte. Gabriel stehe für klare Kante: "Er ist Kanzlerkandidat und muss manchmal unangenehme Dinge sagen", sagte Schmid der dpa.
Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sieht keinen Grund, eine Kanzlerkandidatur des alten und neuen SPD-Chefs infrage zu stellen: "Der Vorsitzende hat den ersten Zugriff, und er hat meine volle Unterstützung", sagte Schulz der "Passauer Neuen Presse".
Gabriel steht seit 2009 an der Spitze der Partei. Damals hatte er noch 94,2 Prozent der Stimmen bekommen. Seitdem hatten sich die Resultate kontinuierlich verschlechtert. 2013 hatte er 83,6 Prozent bekommen. Der schwere Dämpfer kommt nun zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Gabriel und sein Umfeld hatten sich ein Signal der Rückendeckung für die Bundestagswahl 2017 und die geplante Kanzlerkandidatur erhofft.
Valls, Löfven und Faymann erwartet
Zum Abschluss des Parteitags ist Europa-Prominenz angereist: Über die zugespitzte Lage in der EU in der Flüchtlingskrise sowie die Bedrohung nach den Terroranschlägen von Paris wollen Frankreichs Premierminister Manuel Valls, Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven, der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini miteinander diskutieren. Auch Gabriel wird noch einmal das Wort ergreifen.