Nach Festnahme wegen Spionageverdachts Pistorius will Spionageabwehr weiter ausbauen
Wie gut ist Deutschland gegen Ausspähversuche gewappnet? Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Russland-Spions lobt der Verteidigungsminister die Ermittler und will sie weiter stärken. Auch Union und Grüne warnen.
Nach der Festnahme eines Mitarbeiters des Koblenzer Beschaffungsamtes der Bundeswehr diskutieren Politikerinnen und Politiker, wie Deutschland sich besser auf zunehmende Versuche der Spionage vorbereiten kann. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat die Arbeit der Ermittler im aktuellen Fall als einen Erfolg im Kampf gegen die Spionage gewertet.
Die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste sei eng und habe hervorragend funktioniert. "Wir sind schnell und wachsam", betonte der SPD-Politiker. "Die personelle Stärkung des Militärischen Abschirmdienstes müssen wir konsequent weiter verfolgen - gerade im Bereich der Spionageabwehr."
In Zeiten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine müsse sich Deutschland der wachsenden hybriden Bedrohung anpassen und seine Spionageabwehr in enger Abstimmung mit europäischen und internationalen Partnern ausbauen. "Klar ist: Wir sind hellwach und werden alle Anstrengungen unternehmen, um jeden Fall mit aller Härte zu verfolgen", sagte Pistorius.
"Spionage ist keine Erinnerung aus dem Kalten Krieg"
Der Fall des mutmaßlichen Spions sei eine "krasse Ausnahme", betonte Bundesjustizminister Marco Buschmann. "Die Angehörigen der Bundeswehr zeigen enorme Loyalität und Leistungsfähigkeit für diesen Staat", sagte der FDP-Politiker in einem Video im Onlinedienst X, der vorher Twitter hieß. Gleichzeitig betonte Buschmann die Aktualität des Problems: "Spionage ist keine dunkle Erinnerung aus dem Kalten Krieg - sie ist eine relevante Herausforderung."
Mutmaßlicher Spion hegte offenbar AfD-Sympathien
Auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz wies darauf hin, dass Spionage nicht nur ein Thema der Vergangenheit ist. "Längst ist das Thema so relevant wie im Kalten Krieg", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Er forderte ein "ganz neues Verständnis der Spionageabwehr und ein scharfes Problembewusstsein für geheimhaltungsrelevante Informationen".
Offenbar gebe es bei den letzten Verratsfällen Bezüge zur AfD, fügte er hinzu. Das könne angesichts der "völlig unverhohlenen Neigung und Sympathie von Protagonisten dieser Partei" für Russlands Präsident Wladimir Putin nicht verwundern. "Es muss geprüft werden, inwieweit man hier disziplinarrechtliche Handlungsoptionen hat", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums.
Der "Tagesspiegel" hatte berichtet, dass der am Mittwoch festgenommene Bundeswehr-Offizier intern bereits wegen seiner Sympathie für die AfD und deren Russlandpolitik aufgefallen sein soll. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Mann vor, für den russischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Er soll sich aus eigenem Antrieb seit Mai mehrmals bei der russischen Botschaft in Berlin und dem Generalkonsulat in Bonn gemeldet und eine Zusammenarbeit angeboten haben. Einmal soll er dabei Informationen weitergegeben haben.
Hahn fordert schnelle Aufklärung
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, forderte die Bundesregierung dazu auf, den Umfang der mutmaßlichen Spionage beim Beschaffungsamt der Bundeswehr rasch aufzuklären. "Die Bundesregierung ist nun gefordert, schnell das Ausmaß aufzuklären und zu informieren", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der aktuelle Fall zeige auf, "dass auch wir bedroht sind und aufmerksam sein müssen".
Zugleich lobte Hahn die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden. "Unsere Dienste scheinen gute Arbeit zu leisten, das ist gut und zeigt, dass wir nicht schutzlos sind", sagte der CSU-Politiker. Derartige Vorfälle könnten leider nie gänzlich ausgeschlossen werden.
Mehr Vernetzung der Sicherheitsbehörden
Die Sicherheitsarchitektur müsse grundlegend neu aufgestellt werden, betonte der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte. "Den Herausforderungen auch des hybriden Kriegs, den Russland und andere Staaten auch gegen Deutschland führen, müssen wir mit Entschlossenheit begegnen."
Otte, der auch Vizevorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag ist, forderte eine engere Vernetzung der Aufklärungsbehörden. Es müsse eine Abkehr vom "Siloformat" der Zuständigkeiten geben hin zu einem "vernetzten Miteinander zum Schutz Deutschlands". Eine Anpassung von Struktur, Zuständigkeiten und Befugnissen müsse sich an den realen Gefahren orientieren.
Da innere und äußere Sicherheit nicht mehr trennbar sind, müssen auch Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst verfassungskonform kooperieren dürfen.
Faeser lobt Arbeit der Sicherheitsbehörden
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser lobte in einer ersten Reaktion auf die Festnahme in Koblenz die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden. Auch dieser Fall zeige, "dass unsere Sicherheitsbehörden russische Spionage in Deutschland im Blick haben und konsequente Maßnahmen dagegen treffen", sagte die SPD-Politikerin.
Unsere Sicherheitsbehörden sind äußerst wachsam.
Zu möglichen Änderungen in der deutschen Sicherheitsstruktur sagte Faeser dagegen nichts. Sie betonte lediglich die durch den Ukraine-Krieg verschärfte Sicherheitslage in Deutschland. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Faeser: "Die Bedrohung durch Spionage, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe hat eine andere Dimension erhalten." Man habe bereits Kräfte gebündelt und Schutzmaßnahmen hochgefahren, "um uns gegen die aktuellen Bedrohungen zu wappnen".