Steinmeiers Rede "Raue Jahre kommen auf uns zu"
Bundespräsident Steinmeier hat den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine als "Epochenbruch" bezeichnet. In einer Rede an die Nation stimmte er die Menschen auf härtere Jahre ein und appellierte an den "Widerstandsgeist" der Deutschen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Bundesbürger auf eine schwierige Zukunft als Folge des Kriegs in der Ukraine eingestimmt. "Es kommen härtere Jahre, raue Jahre auf uns zu", sagte er in einer etwa 45-minütigen Rede an die Nation. Auch nach diesem Winter wird es laut Steinmeier "kein einfaches Zurück zum davor" geben.
"24. Februar war Epochenbruch"
Steinmeier bezeichnete den 24. Februar - den Tag, an dem Russland die Ukraine angriff - als einen "Epochenbruch". Deutschland befinde sich in der tiefsten Krise, die das vereinigte Deutschland erlebte, so der Bundespräsident. Die Jahre vor dem 24. Februar seien "Jahre des Rückenwindes" für Deutschland gewesen - es seien Jahre gewesen, von denen Deutschland mitten in Europa profitiert habe. "Die Friedensdividende ist aufgezehrt. Es beginnt für Deutschland eine Epoche im Gegenwind."
Steinmeier: Viele Sorgen sind berechtigt
Steinmeiers Rede mit dem Titel "Alles stärken, was uns verbindet" stand in Zeichen des Krieges in der Ukraine. Direkt zum Einstieg machte Steinmeier klar, wie er selbst den Krieg bei seinem Besuch in der Ukraine erlebte. Steinmeier berichtete unter anderem von seinem persönlichen Aufenthalt in einem Luftschutzbunker. Als Bundespräsident könne er keine Sorgen rund um den Krieg nehmen - viele Sorgen seien berechtigt.
Steinmeier: Putin spielt nicht nach Regeln
Steinmeier erklärte, man habe zu sehr auf den Frieden gesetzt. Und: Deutschland habe nach den Regeln gespielt - Russland dagegen nicht.
Putin hat nicht nur nicht nach Regeln gespielt, sondern das Schachbrett umgeschmissen.
Der russische Präsident habe stattdessen Grenzen infrage gestellt. Er versuche, Europa zu spalten. Steinmeier betonte, auch die Demokratie gehöre zur kritischen Infrastruktur - "schützen können wir sie nur selbst", erklärte Steinmeier. Für den Schutz der Demokratie brauche man nun widerstandskräftige Bürger.
Steinmeier kündigt weitere Unterstützung für Ukraine an
Steinmeier kündigte an, man unterstütze die Ukraine, "so lange es nötig ist" - finanziell und politisch. Außerdem wolle man bereits jetzt beim Wiederaufbau helfen. Im Umgang mit Russland führe kein Weg an Sanktionen vorbei.
Wir leben nicht in einer idealen Welt, wir leben im Konflikt - und dafür brauchen wir Instrumente.
Mit Blick auf die Zukunft sagte Steinmeier, es dürfte in der Ukraine nicht zu einem Scheinfrieden kommen. Ein solcher würde Putins "Hunger nur noch weiter bekräftigen", so Steinmeier. Die Nachbarländer Russlands lebten in Angst, erklärte er. Ein schneller, ungerechter Frieden sei daher keine Lösung.
Steinmeier: Krisen verlangen internationale Zusammenarbeit
Neben dem Krieg in der Ukraine waren auch andere teils globale Krisen Thema in Steinmeiers Rede - etwa die Spannungen mit China, der Klimawandel und Hungerkrisen. Die Welt sei nun auf die internationale Kooperation angewiesen.
In Bezug auf den Klimawandel sagte Steinmeier, er mache sich Sorgen, dass diese Herausforderung zu sehr in den Hintergrund rücke. Dabei mache der Klimawandel "keine Ukraine-Pause".
Steinmeier verlangt "Widerstandsgeist" der Deutschen
Zugleich beschwor Steinmeier den "Widerstandsgeist" der Deutschen. Man müsse nun den Blick schärfen für das, was in dieser Situation verlangt sei.
Die Bundesrepublik könne in diesen Jahren auf ihre Kraft und Stärke bauen, die sie sich in den vergangenen Jahren erarbeitet habe, sagte Steinmeier weiter. Das Land sei wirtschaftlich stark, habe gute Forschung, starke Unternehmen und einen leistungsfähigen Staat sowie eine große und starke Mitte in seiner Gesellschaft. Zu diesen Stärken, die Deutschland bislang geholfen hätten, müsse aber etwas hinzukommen, betonte der Bundespräsident.
Wir müssen konfliktfähig werden, nach innen wie nach außen. Wir brauchen den Willen zur Selbstbehauptung und auch die Kraft zur Selbstbeschränkung.
Als einen Aspekt von Widerstandskraft nannte Steinmeier eine gut ausgestattete Bundeswehr. Außerdem nehme Deutschland sein Engagement in der NATO ernst, so Steinmeier - das zeigten auch die letzten Entscheidungen der Bundesregierung.
Kabinettsmitglieder nicht dabei
Bei Steinmeiers Rede im Schloss Bellevue waren unter anderem CDU-Chef Friedrich Merz und der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev unter den Zuhörern. Nicht anwesend waren dagegen Mitglieder des Bundeskabinetts. Weder Bundeskanzler Olaf Scholz noch ein Bundesminister oder eine Bundesministerin kamen ins Schloss Bellevue. Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) war nicht vor Ort.
In einer ersten Reaktion lobte Merz die Rede des Bundespräsidenten. "Das war eine außerordentlich wichtige Rede zum richtigen Zeitpunkt", sagte der CDU-Vorsitzende der "Rheinischen Post". "Der Bundespräsident kann nur appellieren, und das hat er in beeindruckender Weise getan." Nun liege es "an der operativen Politik, die Aufgaben unseres Landes zu lösen".
Bundeskanzler war im Vorfeld über Rede informiert
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe die Rede trotz seiner Abwesenheit "natürlich auch verfolgt", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Steinmeier habe außerdem "im Vorfeld intensiv über diese Rede informiert". Eine Stellungnahme zu Steinmeiers Rede lehnte Hebestreit jedoch ab. Aussagen des Staatsoberhaupts würden grundsätzlich nicht kommentiert.