Studie der OECD Hartz-IV-Familien haben wenig Anreize zur Jobsuche
Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung platzt mitten in die deutsche Debatte um Hartz IV: Demnach gibt es besonders für Hartz-IV-Familien wenig Anreize, eine gering bezahlte Beschäftigung anzunehmen - weil am Ende kaum etwas im Portemonnaie übrig bleibt.
Langzeitarbeitslose mit Familie haben laut einer OECD-Studie trotz der Hartz-Reformen offenbar immer noch wenig Anreize, sich eine gering bezahlte, aber existenzsichernde Arbeit zu suchen. Schon bei einem geringen Verdienst würden für sie relativ hohe Steuern und Sozialbeiträge fällig, begründete die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ihre Einschätzung. Minijobs und andere Formen geringfügiger Beschäftigung würden dagegen etwa durch Freibeträge gefördert.
Andere OECD-Länder schafften es, "eine relativ großzügige finanzielle Absicherung mit hohen finanziellen Anreizen zur Arbeitsaufnahme zu kombinieren", sagte OECD-Experte Herwig Immervoll. Hinzu komme, dass es in Deutschland noch immer Schwierigkeiten gebe, Betreuungsangebote für Kinder zu finden. "Das sehr hohe Armutsrisiko der Alleinerziehenden in Deutschland ist vor allem die Folge einer ausgesprochen geringen Erwerbsbeteiligung", sagte Immervoll.
Studie inmitten hitziger Debatte
Die Studie platzt mitten in die Debatte um Hartz IV. Nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze angemahnt hatte, griff FDP-Chef Guido Westerwelle das Thema auf. Er forderte einen "völligen Neuanfang" für den Sozialstaat: Zur Begründung sagte Westerwelle, es könne nicht sein, dass diejenigen, die morgens aufstünden und hart arbeiteten, sich dafür entschuldigen müssten, etwas von ihrem Geld behalten zu wollen.
"Armutsrisiko ist sehr hoch"
Im internationalen Vergleich sind Arbeitslose mit Kindern in Deutschland bei den Sozialleistungen jedoch gut gestellt: Nach fünf Jahren ohne Arbeitsplatz erhalte ein Durchschnittsverdiener mit zwei Kindern und nicht erwerbstätigem Ehepartner 63 Prozent seines ehemaligen Nettoeinkommens an Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld oder Wohngeld. Im OECD-Durchschnitt seien es nur 55 Prozent. "Trotzdem ist das Armutsrisiko dieser Gruppe im internationalen Vergleich sehr hoch", schrieben die Forscher.
Geringverdiener unterdurchschnittlich abgesichert
Unterschiede stellten die Wissenschaftler zwischen Durchschnittsverdienern und Geringverdienern fest: Verliert ein Alleinstehender Durchschnittsverdiener in Deutschland seinen Job, bekommt er zunächst 60 Prozent seines Nettolohns aus Transfers ersetzt, nach fünf Jahren nur noch 36 Prozent. Deutschland rangiert damit leicht über dem OECD-Durchschnitt. Die höchsten Ersatzleistungen gibt es demnach in Dänemark, den Niederlanden und Irland. Familien und Alleinerziehende erhalten einschließlich Kindergeld 72 beziehungsweise 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Als Durchschnittsverdienst gilt in Deutschland ein Bruttoeinkommen von 41.400 Euro.
Verliert ein Geringverdiener seinen Arbeitsplatz, so kann er hierzulande genauso wie ein Durchschnittsverdiener auf 60 Prozent Lohnersatz hoffen. Deutschland rangiert hier im OECD-Vergleich allerdings im unteren Drittel.
Die OECD-Berechnungen beruhen auf Daten der zuständigen Ministerien in den Mitgliedsländern. Sie enthalten alle finanziellen Leistungen wie Sozialhilfe sowie Leistungen für Kinder und Wohngeld. Nicht in die Berechnungen einbezogen sind Sachleistungen und sonstige Vergünstigungen wie etwa subventionierte Fahrkarten. Ebenfalls nicht einbezogen sind die Kosten für Kinderbetreuung.