Kramp-Karrenbauer in Thüringen CDU-Chefin gibt in Erfurt nach
In der politischen Krise in Thüringen hat sich die Landes-CDU gegen die Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer zunächst durchgesetzt. Die CDU-Chefin hatte eine Neuwahl gefordert. Die Landes-CDU soll nun aber doch mehr Zeit bekommen.
Sofortige Neuwahl: Nach der Wahl von FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen durch FDP, CDU und AfD machte das Präsidium der CDU-Bundespartei deutlich, dass es den Kurs der Thüringer Parteifreunde nicht teilt. Die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, die Wahl sei gegen die ausdrückliche Empfehlung der Bundespartei geschehen. Mit der Forderung "Neuwahl" fuhr Kramp-Karrenbauer gestern nach Erfurt.
Doch durchsetzen konnte sie sich nicht. Nach stundenlangen Beratungen sagte die CDU-Chefin, der Landesverband wolle zunächst mit den bestehenden Mehrheitsverhältnissen im Landtag einen Ausweg aus der Krise suchen. "Es gibt Initiativen, die darauf abzielen, dass innerhalb des jetzt bestehenden Parlamentes klare Verhältnisse geschaffen werden können. Klar ist auch, sollten diese Gespräche scheitern, stehen am Ende unausweichlich Neuwahlen."
Mehr Zeit für Mohring
Mehr Zeit also für CDU-Landeschef Mike Mohring, der gegen eine Neuwahl des Landtages ist, die der CDU nach den Ergebnissen des neues ARD-DeutschlandTrends möglicherweise weitere Verluste bringen könnte. Jedoch ist völlig unklar, wie Mohring eine andere Mehrheit im Parlament herbeiführen will, denn die Maßgaben sind klar: keine Zusammenarbeit mit der AfD und keine Unterstützung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung mit einem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von den Linken.
Mohring: "Irritiert über Forderung nach Neuwahl"
Mohring machte vor der Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin deutlich, dass es einen Unterschied gebe zwischen dem, wie Politik vor Ort wahrgenommen werde und wie sie aus der Hauptstadt betrachtet werde. Dem Fernsehsender Phoenix sagte er, darüber habe man gestern sehr lange mit Kramp-Karrenbauer diskutiert. Die Forderungen nach einer Neuwahl und Zwangsmaßnahmen hätten einige in Thüringen irritiert, so Mohring.
Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring ist gegen eine Neuwahl des Landtages.
Verliert Mohring den Fraktionsvorsitz?
Mohring hatte sich gestern vom CDU-Landesvorstand das Vertrauen aussprechen lassen. Mit zwölf zu zwei Stimmen sei er als Landesvorsitzender bestätigt worden, teilte die CDU mit. Unklar ist allerdings, ob ihn die CDU-Landtagsfraktion weiter unterstützt. Nach Informationen des mdr schwindet sein Rückhalt dort. Im Mai sei geplant, den Fraktionsvorstand neu zu wählen. Mohring sei bereit, auf den Vorsitz zu verzichten.
Laschet: "Präsidium wird erörtern, was schief gelaufen ist"
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet sprach im ARD-Morgenmagazin von einem Desaster. "Es hätte nie eine solche Situation geben dürfen, in der plötzlich Herr Höcke bestimmt, wer Ministerpräsident in Thüringen wird." Die Linie der Partei sei klar. "Die Führung im Adenauerhaus muss denken: Was wird denn da am Dienstag geschehen? Und dass das nicht optimal gelaufen ist, ist offenkundig." In Berlin werde erörtert werden, was da schiefgelaufen sei.
Spannend wird auch sein, wie Kramp-Karrenbauer mit ihrem Erfurter Gesprächsergebnis beim Parteipräsidium ankommen wird. In Berlin wird sie sich fragen lassen müssen, warum sie die Präsidiumsempfehlung "Neuwahl" in Thüringen nicht durchsetzen konnte. Der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner, will seinerseits am Freitag die Vertrauensfrage im Vorstand der Liberalen stellen.
Am Mittwoch hatte die CDU zusammen mit AfD und FDP den Liberalen Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt. Das war auf heftige Kritik gestoßen. Kemmerich hatte gestern angekündigt, sich von seinem Amt zurückzuziehen und die Auflösung des Landtags zu beantragen, um Neuwahlen zu ermöglichen. Die Hürden dafür sind aber sehr hoch. Für die Auflösung des Landtags wird eine Zweidrittelmehrheit gebraucht.
Werteunion für Expertenregierung
Die Werteunion, ein Zusammenschluss konservativer Christdemokraten, sprach sich gegen Neuwahlen und für eine Expertenregierung unter Thomas Kemmerich aus. Werteunion-Chef Alexander Mitsch sagte im Deutschlandfunk, er würde eine solche, überparteiliche, Regierung vorschlagen. "Das hatten wir auch schon einmal in Österreich, solange bis eine Lösung gefunden ist." Neuwahlen würden das Problem nicht lösen, sondern die politischen Ränder stärken. Eine mögliche Wiederwahl von Ramelow unter Enthaltung der CDU-Abgeordneten lehnte Mitsch ab.
Kemmerich-Wahl führt auch zu Spannungen in GroKo
Die Wahl Kemmerichs belastet auch die große Koalition in Berlin. Am Samstag soll die Lage im Koalitionsausschuss besprochen werden. Bundeskanzlerin Merkel wollte sich in Südafrika nicht zu der Frage äußern, ob die Vorgänge in Thüringen auch dazu führen könnten, dass die große Koalition in Berlin scheitert.
"Es gibt eine Menge Fragen, die beantwortet werden müssen, um das Vertrauensverhältnis zu klären", sagten die SPD-Parteichefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Derzeit wüssten sie nicht, "woran wir sind mit der CDU". Um das zu klären, habe die SPD für Samstag den Koalitionsausschuss durchgesetzt.