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Interview

Hamburgs Bildungssenator "Mehr für Spracherwerb tun"

Stand: 07.08.2019 13:43 Uhr

In der Debatte um Sprachförderung von Kindern hat Hamburgs Schulsenator Rabe einen Vorstoß von Unionsfraktionsvize Linnemann zurückgewiesen. Das sei in Teilen "vollkommener Unsinn", sagte er im ARD-Morgenmagazin.

Morgenmagazin: Müssen Kinder vor der Grundschule etwas lernen und Deutsch können?

Ties Rabe: Wir müssen tatsächlich mehr tun, damit Kinder die deutsche Sprache gut lernen. Und da gibt es verschiedene Wege. Kinder sollten in die Schule, wenn sie nicht Deutsch können. Denn wo sollen sie denn Deutsch lernen, wenn nicht in der Schule selbst?

Morgenmagazin: Eine Möglichkeit ist ja, während der Grundschulzeit parallel Deutsch zu lernen - wie das etwa in Nordrhein-Westfalen möglich ist. Sie machen das ein bisschen anders. Für welche Kinder gilt denn ihre Vorschulpflicht? Wie kriegen Sie raus, wer dahin muss und wer nicht?

Rabe: In Hamburg ist es so, dass alle Kinder, wenn sie viereinhalb Jahre alt werden, ein Anschreiben bekommen, damit sich die Kinder und Eltern bei der zuständigen Schule vorstellen. Dort wird umfangreich überprüft, wie die sprachliche Entwicklung des Kindes ist. Und tatsächlich ist es dann so - wenn die sprachliche Entwicklung nicht so ist, wie man das altersgemäß erwarten sollte - dann haben diese Kinder die Pflicht, die Vorschule zu besuchen.

Die Vorschule in Hamburg steht übrigens allen offen. Und es sind beileibe nicht nur Kinder mit Sprachförderbedarf, sondern auch viele viele andere Kinder. Mehr als die Hälfte eines Jahrgangs besucht die Vorschule freiwillig. Pflicht ist es für jene, die bei dieser halbjährigen Untersuchung mit besonderen Sprachauffälligkeiten in diesem Test aufgefallen sind. Die bekommen dann an der Vorschule noch eine zusätzliche Förderung.

Morgenmagazin: Der Deutsche Lehrerverband sagte, bundesweit haben fast ein Viertel aller Schüler Sprachprobleme. Können Sie das bestätigen? Wie ist das in Hamburg?

Rabe: Ein paar Zahlen zu Hamburg: 50 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund. In 27 Prozent aller Elternhäuser wird Deutsch nicht als Hauptsprache gesprochen. Allerdings ist die Zahl des Lehrerverbandes aus meiner Sicht dann doch etwas zu hoch gegriffen. Bei uns ist es so, dass für 13 bis 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs besonders hoher Sprachförderbedarf festgestellt wird. Das sind übrigens lange nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund - sondern auch Kinder aus Familien, die schon lange in Deutschland leben.

Morgenmagazin: Und wie reagieren die Eltern, wenn es heißt, dass Ihr Kind in die Vorschule muss?

Rabe: Meistens freuen sie sich, weil die Vorschule in Hamburg sehr beliebt und begehrt ist. Und da gibt es eigentlich gar keine Probleme. Umgekehrt muss man aber noch einmal betonen: Die Vorschule selber ist ein besonderes Angebot - mit einer Pflicht nur für jene, die einen Sprachförderbedarf haben. Aber auch, wenn diese Sprachförderung noch nicht die großen Erfolge bei einzelnen Kindern hat, werden alle Kinder mit sechs Jahren ordentlich in die Grundschule eingeschult. Die Schule ist wichtig, damit Kinder etwas lernen. Und da darf man keine Eintrittskarten verteilen für die Schule selbst.

Morgenmagazin: Ist es nicht ein Problem, dass wir in jedem Bundesland andere Lösung haben. Wäre ihr Modell bundesweit nicht Vorbild für alle?

Rabe: Es ist schwierig, wenn ein Bundesland sagt: "Macht es alle so wie ich." Ich glaube, die Bundesländer haben verschiedene Wege. Vorschule gibt es tatsächlich nur in Hamburg. Die anderen Bundesländer haben die Kita, bis die Kinder sechs Jahre alt werden und dann zur Schule kommen.

Man kann natürlich auch in der Kindertagesstätte die Sprache fördern. Es braucht dazu gezielte Kurse. Es braucht ein besonderes Angebot - auch eine Expertise bei den Erzieherinnen und bei den Sozialpädagogen, damit sie das gut machen. Aber wichtig ist, dass wir das machen und dass wir hier auch energisch bleiben und dieses Angebot auch stetig weiterentwickeln.

Morgenmagazin: Aber ist es nicht verrückt, dass in den letzten Tagen so eine heftige Diskussion daraus geworden ist?

Rabe: Die Diskussion ist vor allem deshalb entstanden, weil der Herr Linnemann ja gleichzeitig gesagt hat: "Wer nicht Deutsch kann, der wird gar nicht erst in die Grundschule eingeschult." Und da sage ich, dass alle 16 Kultusminister entsetzt sind und sagen: "Das ist ja vollkommener Unsinn." Natürlich müssen wir mehr für die Sprachförderung tun. Aber es ist sowieso kein Kind perfekt wenn es zur Schule kommt. Es soll doch erst in der Schule etwas dazulernen.

Und deswegen kann man Kinder nicht ausschließen und die Eintrittskarten verteilen. Dieser Aspekt hat für Empörung gesorgt. Die Tatsache, dass wir Kinder in der Sprachförderung noch weiter voranbringen müssen, ist in allen Bundesländern unstrittig. Und es ist richtig, wenn wir hier auch die Anstrengungen noch weiter vertiefen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten das ARD-Morgenmagazin am 07. August 2019 um 08:39 Uhr.