Warnung der Türkischen Gemeinde Schwappt die Gewalt nach Deutschland?
Nach dem Attentat von Ankara hat die Türkische Gemeinde auch vor einem Gewaltausbruch in Deutschland gewarnt. Die Stimmung sei aufgeheizt, sagte der Vorsitzende der Interessenvertretung. Die Grünen dagegen warnen die EU vor Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hat nach dem verheerenden Anschlag in Ankara vor gewaltsamen Auseinandersetzungen von Kurden und nationalistischen Türken auch in Deutschland gewarnt. "So wie die Stimmung jetzt gerade in der Türkei ist, befürchte ich eine weitere Eskalation auch hier", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
"Als Erdogan Staatspräsident wurde, hat diese Polarisierung in Deutschland angefangen", sagte Sofuoglu.
Ausschreitungen bei Demonstrationen befürchtet
Er beobachte, "dass in den sozialen Medien sehr schnell von allen Seiten zu Demonstrationen aufgerufen wird, die gar nicht genehmigt sind". Sowohl auf türkischer als auch auf kurdischer Seite entwickeln sich laut Sofuoglu verschiedene Gruppierungen. So gebe es auf der einen Seite sogenannte Osmanen in Deutschland, die sich als gewaltbereite Verteidiger des Türkentums bezeichneten. Auf der anderen Seite stünden Anhänger von "Apo", die bei Demonstrationen vermummt aufträten und auf ihren Plakaten teilweise von Vergeltung sprächen.
"Apo" ist der Kosename für den inhaftierten Führer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan. Beide Gruppen seien zwar in der Minderheit, betonte der Chef der Türkischen Gemeinde, fügte jedoch hinzu: "Wehret den Anfängen".
Özdemir will keine Gespräche mit Erdogan
Pessimistisch über die Entwicklung in der Türkei äußerte sich der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir. Er warf dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan vor, die Spannungen anzuheizen. "Offensichtlich wird hier daran gearbeitet, geordnete und faire Wahlen zu verhindern", sagte Özdemir der "Passauer Neuen Presse". "Wenn am 1. November reguläre demokratische Wahlen stattfinden, hätte Erdogan wieder keine Mehrheit. Das weiß auch er", sagte der Grünen-Politiker.
Gegenüber der Funke Mediengruppe forderte Özdemir, die Gespräche der EU mit Erdogan auf Eis zu legen: "Wir dürfen bis zur Wahl am 1. November nichts tun, was als Stärkung von Erdogan verstanden werden könnte. Jedes Abkommen wäre ein Signal, dass Erdogan für uns ein normaler Gesprächspartner wäre." Wer aber "den Tod seiner Bürger, Polizisten und Soldaten in Kauf nimmt", könne kein Staatschef sein. Vor diesem Hintergrund warnte der Grünen-Vorsitzende Europa auch davor, auf die Türkei als Partner zu setzen, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen.
"EU darf Erdogan nicht als normalen Gesprächspartner betrachten"
Es drohe "ein schmutziger Deal mit einem autoritären Herrscher". Dafür, dass Erdogan Europa die Flüchtlinge vom Leib halte, sollten die EU-Partner "die Augen zudrücken, wenn er sein Volk unterdrückt". Ein solcher Handel sei aber für Demokraten nicht akzeptabel: "Wer wie Erdogan die Kurden sogar im Nordirak und in Syrien bekämpft, der stärkt den IS und verstärkt die Fluchtursachen."
Die EU dürfe den türkischen Präsidenten "nicht mehr als normalen Gesprächs- und Verhandlungspartner betrachten", denn Erdogan und seine islamisch-konservative Partei AKP seien "zu allem entschlossen - auch zu undemokratischen Maßnahmen".
Bei dem Anschlag auf eine Friedensdemonstration in Ankara am Samstag waren mindestens 97 Menschen getötet und mehr als 500 weitere verletzt worden. Zu der Tat hat sich bisher niemand bekannt.