Neues Welterbe in Deutschland UNESCO würdigt jüdische Kultur
Erstmals würdigt die UNESCO jüdisches Kulturgut in Deutschland. Die Städte Mainz, Worms und Speyer wurden als Wiege des europäischen Judentums in die Liste des Welterbes aufgenommen. Auch der Niedergermanische Limes wurde ausgezeichnet.
Deutschland erhält neue Welterbestätten. Zum ersten Mal zeichnete die UNESCO jüdisches Kulturgut in Deutschland aus: Die Auszeichnung ging an die Städte Mainz, Worms und Speyer als eine Wiege des europäischen Judentums. Das zuständige Komitee der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur traf die Entscheidungen auf seiner Sitzung im chinesischen Fuzhou. Als Welterbe werden nur Kultur- und Naturstätten von "herausragendem universellen Wert" ausgezeichnet.
Auszeichnung für das "Jerusalem am Rhein"
Speyer, Worms und Mainz waren im Mittelalter als sogenannte SchUM-Städte eng miteiander verbunden und wurden auch "Jerusalem am Rhein" genannt. SchUM ist eine Abkürzung aus den mittelalterlichen hebräischen Anfangsbuchstaben der Städte: Schin (Sch), Waw (U) und Mem (M), die für die drei Städtenamen Schpira, Warmaisa und Magenza stehen.
"Von Speyer, Worms und Mainz gingen im Mittelalter entscheidende Impulse für die Entwicklung des Judentums in Europa aus", sagte die Präsidentin der deutschen UNESCO-Kommission, Maria Böhmer. "Die drei jüdischen Gemeinden waren Anziehungspunkt für Gelehrte aus nah und fern, sie brachten richtungsweisende Reformen auf den Weg und setzten architektonische Maßstäbe."
Die Geschichte der jüdischen Gemeinden am Rhein sei aber auch eine Geschichte jahrhundertelanger Verfolgung - von den Pogromen des Mittelalters bis zur fast völligen Auslöschung des europäischen Judentums im Holocaust, sagte Böhmer.
Richtungsweisende Synagogen und Talmudschulen
In den drei Städten seien unter anderem richtungsweisende Synagogen, Frauenschulen, Ritualbäder, Talmudschulen und nicht zuletzt Friedhöfe entstanden, die über mehrere Jahrhunderte hinweg beispielgebend für jüdische Ritualbauten in Mitteleuropa gewesen seien, hieß es in der Bewerbung, die das Land Rheinland-Pfalz unterstützt hatte.
"Steinerne Zeitzeugen einer außergewöhnlichen Geschichte"
Michelle Müntefering, Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, erklärte dazu, die Anerkennung dieses jüdischen Gemeindeverbundes sei die Krönung der Feierlichkeiten im Festjahr 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer würdigte die Bauwerke der SchUM-Gemeinden als steinerne Zeitzeugen einer außergewöhnlich reichen jüdischen Geschichte. "Sie stehen auch für den Kulturtransfer zwischen Christentum und Judentum und mahnen uns, dies als gemeinsame, große Chance zu sehen", so Dreyer.
Deutschland hat insgesamt 50 Einträge. Dazu gehören etwa der Kölner Dom, die Altstadt Lübecks, Schlösser und Parks in der Region Potsdam-Berlin, die Klosteranlage Maulbronn, das Bauhaus und seine Stätten in Weimar und Dessau, der Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen, das Wattenmeer, alte Buchenwälder oder die Hamburger Speicherstadt.
Kriterien für die Anerkennung als Welterbe sind "der außergewöhnliche universelle Wert der Stätte und ein Management-Plan, der die Erhaltung des Erbes für zukünftige Generationen sicherstellt", so die UNESCO. Das Welterbekomitee überprüft regelmäßig den Erhaltungszustand.
Würdigung für Niedergermanischen Limes
Neben den drei Städten gehört künftig auch der Niedergermanische Limes künftig zum UNESCO-Welterbe. Die ehemalige Grenze des Römischen Reiches erstreckt sich entlang des Rheins von Rheinland-Pfalz über Nordrhein-Westfalen bis zur niederländischen Nordseeküste. Die Grenzregion war ein Zentrum antiker Kultur und der Beginn der Städte im Rheinland.
Staatsministerin Müntefering gratulierte den Beteiligten. "Der Rhein als "nasse" Außengrenze im Nordwesten des Römischen Reiches, ist bis heute die Lebensader, welche die auf die Römer zurückgehenden urbanen Zentren von Remagen über Bonn, Köln, Neuss, Krefeld und Xanten seit Jahrhunderten verbindet", sagte Müntefering.
Die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, Böhmer, erinnerte daran, dass sich entlang der ehemaligen Grenzanlage "einige der ältesten Zeugnisse der Grenzen des Römischen Reiches" fänden. Zu römischen Spuren gehörten Militäranlagen, Heiligtümer, Statuen und Alltagsgegenstände. "Entlang des Rheins entwickelten die Römer Kastelle und Siedlungen, aus denen große Städte wie Köln, Bonn und Nijmegen erwachsen sollten", sagte sie. "Ihr Aufblühen verdanken sie der Tatsache, dass der Limes nicht der Abschottung, sondern immer auch dem Austausch zwischen Rom und seinen Nachbarn diente."
Das Amphitheater im Archäologischen Park in Xanten: Über 400 Kilometer lang war die Grenze zwischen der früheren römischen Provinz Niedergermanien und dem freien Germanien.
50 Welterbestätten in Deutschland
Die Aufnahme des Niedergermanischen Limes ins Weltkulturerbe soll eine Lücke zwischen zwei bereits geschützten Abschnitten schließen - dem Obergermanisch-Raetischen Limes und dem Hadrianswall sowie einem weiteren in Großbritannien. Mit einer Entscheidung über den Donaulimes kann möglicherweise noch in dieser Woche gerechnet werden.