Veröffentlichung von NSU-Akten Hessens Verfassungsschutz stellt Strafanzeige
Hessens Verfassungsschutz hat nach der Veröffentlichung der NSU-Akten durch das "ZDF Magazin Royale" Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Dabei gehe es um die Weitergabe geheimer Informationen, nicht um die Veröffentlichung.
Nur wenige Tage, nachdem das "ZDF Magazin Royale" des Moderators Jan Böhmermann gemeinsam mit der Plattform "Frag den Staat" die eigentlich als geheim eingestuften NSU-Akten im Internet veröffentlichten, hat das hessische Landesamt für Verfassungsschutz Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Grund sei die unrechtmäßige Weitergabe von Verschlusssachen, so die Behörde. Dadurch würden menschliche Quellen des Dienstes möglicherweise gefährdet. Indirekt bestätigte das Amt damit die Echtheit der Akten.
Die Anzeige richtet sich nicht gegen die Veröffentlichung. Die Verfassungsschützer betonten zudem, dass die Dokumente zwei Untersuchungsausschüssen des hessischen Landtags vollständig vorgelegen hätten. Auch die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz hätten jederzeit die Möglichkeit, die Aktenprüfungsberichte einzusehen. Die Dokumente seien zudem dem Bundeskriminalamt, der Generalbundesanwaltschaft sowie dem hessischen Landeskriminalamt zur Verfügung gestellt worden.
Böhmermann und die Initiative "Frag den Staat" hatten am Freitagabend sowohl in der Sendung als auch im Internet Dokumente veröffentlicht, die von den Sicherheitsbehörden für 30 Jahre als Verschlusssache eingestuft worden waren.
Die Akten offenbarten ein "mehr als zweifelhaftes Bild" von der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes, hieß es zur Begründung. So werde deutlich, dass vor allem während der 90er-Jahre - in denen sich auch die Rechtsterroristen des späteren NSU radikalisiert hätten - der Überblick über gesammelte Daten verloren gegangen sei und aus den Informationen nicht immer Konsequenzen folgten.
Juristin sieht "Komplettversagen" der Behörde
Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz stützt die Kritik an der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes. Die Akten offenbarten ein "Komplettversagen" der Behörde. "Man ist Hinweisen nicht nachgegangen, man hat nichts getan", sagte Basay-Yildiz der Nachrichtenagentur dpa.
Für sie sei es ein Schock gewesen zu sehen, dass es entgegen öffentlicher Behauptungen dabei nicht etwa um Quellenschutz gegangen sei. In einer Vielzahl der gesammelten Informationen sei es um Waffen- sowie Sprengstofferwerb und -besitz von Rechtsextremisten gegangen. Daraufhin habe es aber offenbar keine weiteren Ermittlungen gegeben. Basay-Yildiz hatte im Münchner NSU-Verfahren die Familie des ermordeten Enver Şimşek vertreten.
Der "Nationalsozialistische Untergrund" hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer der Rechtsterroristen waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin.