Kritik der Versicherungen "Erst teuer, irgendwann unbezahlbar"
Nach den Unwettern in mehreren Bundesländern kritisiert die Versicherungsbranche die mangelnde Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Eine Spirale aus weiteren Katastrophen und steigenden Schäden müsse verhindert werden.
Die Versicherungsbranche fordert nach den verheerenden Fluten im Westen Deutschlands die Politik zum Umdenken auf. "Klimafolgenanpassung kommt vielerorts zu kurz", sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der "Welt am Sonntag". Noch immer werde in Überschwemmungsgebieten gebaut, würden Flächen ungehindert versiegelt und stauten sich auf kommunaler Ebene Investitionen in Präventionsmaßnahmen.
"Hier gilt es umzusteuern, sonst setzt sich eine Spirale aus weiteren Katastrophen und steigenden Schäden in Gang, die erst teuer und irgendwann unbezahlbar wird", sagte Asmussen. Es zeichne sich ab, dass das aktuelle Jahr eines der schadenträchtigsten der jüngeren Vergangenheit werde.
Der Deutschlandchef des französischen Versicherungskonzerns Axa, Alexander Vollert, bezeichnete die Schwere der Sachschäden und die große regionale Ausbreitung als einmalig. "Wir reden hier nicht von Überschwemmungen, sondern von Sturmfluten in großem Stil", sagte Vollert der Zeitung.
Laut Allianz-Vorstand Jochen Haug ist es zu früh, Aussagen zum "jedoch sicherlich erheblichen Schadenumfang" zu machen, hieß es in dem Bericht. Der Konzern ziehe derzeit aus ganz Deutschland seine Sachverständigen zusammen, um Kunden in den betroffenen Gebieten auch vor Ort zur Seite zu stehen und schnell helfen zu können.
Städtebund fordert Reform des Bevölkerungsschutzes
Der Städte- und Gemeindebund fordert angesichts der zahlreichen Todesopfer durch die Unwetter eine Reform des Bevölkerungsschutzes. "Die Katastrophe zeigt einmal mehr, dass wir den zivilen Bevölkerungsschutz neu, besser und nachhaltiger aufstellen müssen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Dabei sollte laut Landsberg vor allem das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe deutlich gestärkt werden.
Der kommunale Spitzenvertreter sprach sich auch für modernisierte Warnsysteme aus. Sie sollten mit entsprechender Digitalisierung zum Kommunikationsnetz ausgebaut werden, "das auch noch funktioniert, wenn flächendeckend der Strom ausgefallen ist". Ein batteriebetriebenes Radio gehöre in jeden Haushalt. Auch das richtige Verhalten in Gefahrensituationen, das Abstellen von Strom und Gas, das Nichtbetreten von Kellerräumen und das Vorhalten bestimmter Lebensmittelreserven sollte laut Landsberg zum Standard werden.
Depots mit lebensnotwendigen Gegenständen aufstocken
Nötig werde es zudem, im größeren Umfang als bisher Depots mit lebensnotwendigen Gegenständen vorzuhalten, die schnell an die Betroffenen verteilt werden könnten, erklärte Landsberg. Als Beispiele nannte er Notstromaggregate, Zelte, Decken, Hygieneartikel und medizinische Produkte. Bei dieser Katastrophe sei zunächst der Eindruck entstanden, es handele sich um einen großen Starkregen, ohne dass das dramatische Ausmaß kommuniziert worden sei, kritisierte Landsberg. "Deswegen sind viele Bürgerinnen und Bürger von der Flutkatastrophe überrascht worden." Erschwerend sei hinzugekommen, dass auch die Mobilfunknetze sehr schnell ausgefallen seien.
Daniel Osberghaus vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hatte ebenfalls langfristig wirkende Maßnahmen gegen die Folgen des fortschreitenden Klimawandels gefordert. Dazu gehörten seiner Ansicht nach die Förderung der Eigenvorsorge vor allem für einkommensschwache Haushalte in Risikogebieten, die Stärkung des Versicherungsmarktes für Elementarschäden etwa durch Versicherungspflichten sowie weniger Oberflächenversiegelung.
Karliczek will Forschung zu Extremwetter ausweiten
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek fordert angesichts der Flutkatastrophe eine bessere Vorbereitung auf Extremwetter. "Auch als Lehre aus der Unwetterkatastrophe im Westen Deutschlands muss die Forschung zu solchen Ereignissen in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden", sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Ziel müsse eine Verbesserung der Vorhersage und Vorsorge sein. Diese Ereignisse extremer Niederschläge, Hitze oder Sturm hätten sich in den letzten 30 Jahren nahezu verdoppelt.
Derzeit gehen laut der Ministerin pro Jahr rund 65 Millionen Euro an die Forschung zu Klimaauswirkungen. "Nach der Katastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sollten wir darüber nachdenken, die Initiativen im Bund und in den Ländern noch einmal zu verstärken", sagte sie. "Es geht um den Schutz von Menschenleben und um den Schutz von Eigentum und unschätzbaren Kulturgütern."
Es müsse möglich sein, Extremwetter noch genauer in den Regionen vorherzusagen und Risikopläne für Hochwasser und Hitze zu erstellen, erläuterte Karliczek. Ziel müsse es sein, auch in kleineren Gemeinden verstärkt Vorsorge zu treffen, um im Ernstfall schnell und wirksam handeln zu können.
Um belastbare Aussagen zu treffen, seien Daten aus hochaufgelösten Messungen und Modellierungen über das Klima erforderlich. Entsprechende Initiativen seien bereits gestartet.