Bundestag stimmt zu - Bundesrat noch offen Das Steuerpaket nimmt die erste Hürde
Mit den Stimmen von Schwarz-Gelb hat der Bundestag für das Gesetz zur Wachstumsbeschleunigung gestimmt. Die Opposition ließ kein gutes Haar daran: Es sei unsozial, führe zu mehr Bürokratie und bediene lediglich Einzelinteressen. In zwei Wochen muss das Paket durch den Bundesrat - und an dieser Hürde könnte es scheitern.
Der Bundestag hat mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition ein Gesetzespaket verabschiedet, von dem sich die Regierung mehr Wirtschaftswachstum verspricht. Das erste große Gesetz der neuen Regierung enthält Steuerentlastungen für Familien, Unternehmen, Erben und Hotels im Umfang von rund 8,5 Milliarden Euro.
Die Opposition kritisierte dieses offiziell Wachstumsbeschleunigungsgesetz genannte Paket in der abschließenden Bundestagsdebatte scharf. Die Koalition habe die Chance vertan, mit ihrem ersten Gesetz etwas für Wachstum und Beschäftigung zu tun, monierte die SPD-Finanzexpertin Nicolette Kressl. Stattdessen schafften Union und FDP ein sozial unausgewogenes Gesetz, das zu mehr Bürokratie führe und lediglich Einzelinteressen bediene.
Erwartet mehr Bürokratie statt mehr Wachstum: SPD-Finanzexpertin Kressl
"Das ist unseriös bis ins Mark"
Kressl ging insbesondere mit den Plänen zur Einführung eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen hart ins Gericht. Eigentlich habe die Koalition der gesamten Gastronomie den niedrigeren Satz versprochen, sich letzten Endes aber für die Billigvariante mit hohem Bürokratieaufwand entschieden. Für ihre Gesichtswahrung nehme die Koalition Länder und Kommunen in Geiselhaft und entziehe ihnen Geld in Milliardenhöhe. "Das ist unseriös bis ins Mark." Durch die Finanzierung über Schulden werde Ländern und Kommunen zudem die Möglichkeit genommen, Zukunftsinvestitionen auf den Weg zu bringen.
Gysi: Schwarz-Gelb geht es um Förderung Wohlhabender
Der Chef der Linksfraktion, Gregor Gysi, bemängelte, dass gutverdienende Eltern künftig mehr Geld für ihre Kinder bekommen sollen, eine alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin aber nicht. Schwarz-Gelb gehe es nur um die Förderung Wohlhabender, doch sei im Gegenteil eine Umverteilung von "oben nach unten" nötig.
Der Grünen-Finanzexperte Fritz Kuhn bescheinigte dem Gesetz "starke Elemente von Willkür, Bürokratie und sozialer Ungerechtigkeit". Union und FDP sei es offensichtlich egal, dass rund 1,8 Millionen Kinder aus Hartz-IV-Familien trotz Kindergelderhöhung leer ausgehen werden, weil ihnen das zusätzliche Geld vom Regelsatz abgezogen wird. Kuhn kritisierte, dass die Bundesregierung das Gesetzespaket auf Pump finanziere und im Haushalt 2010 und seinen Nebenetats rund 100 Milliarden Euro neue Schulden aufhäufen wolle.
Die Koalition lobt ihr Vorhaben
Die Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und FDP lobten die geplanten Steuersenkungen hingegen als Stimulus für die Wirtschaft. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte: "Wir setzen damit ein klares Signal für mehr Wachstum und Beschäftigung." Unionsfraktionschef Volker Kauder erklärte, die Koalition habe damit bewiesen, dass sie "handlungsfähig" sei. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sprach von einem Zeichen der "Geschlossenheit und Entschlossenheit". Alle drei nahmen allerdings nicht vor dem Bundestag Stellung, sondern im Anschluss an die Sitzung vor den Fernsehkameras.
Länder befürchten Belastungen für ihre Haushalte
In zwei Wochen muss das Gesetz noch durch den Bundesrat. Bei den Ländern gibt es aber starke Vorbehalte, da durch die Steuervorhaben der Bundesregierung auch zusätzliche Belastungen für die Länderhaushalte drohen. Auch das schwarz-gelb regierte Schleswig-Holstein stellt sich quer. Ohne dessen Zustimmung fehlt der Koalition im Bundesrat die Mehrheit.
Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) warnte davor, dass Bund und Unions-Länder in Hinterzimmern einen Kompromiss aushandeln. Er forderte die Einberufung eines Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat. Diesen würden die SPD-Minister nächsten Donnerstag auf einer Sondersitzung des Finanzausschusses des Bundesrates beantragen.
Fordert einen Vermittlungsausschuss: Der Mainzer Finanzminister Kühl
Mainzer Finanzminister will mehr Geld aus der Mehrwertsteuer
Als mögliche Kompensationen für die Einnahemausfälle, die den Ländern drohen, nannte Kühl einen höheren Anteil der Länder an den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Teile des Gesetzespaketes wie der Mehrwertsteuer-Bonus für Hotels sollten gestrichen werden. Über die Erbschaftsteuer, die eine reine Ländersteuer ist, sollten die Länder entscheiden. Beim Kinderfreibetrag sollte nicht über das Existenzminimum hinausgegangen werden. "Ich habe allerdings nicht die Illusion, dass der Bund und die Unions-Länder bereit sind, sehr viele Abstriche zu machen", sagte Kühl.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist im Bundesrat auf die Zustimmung aller Länder mit schwarz-gelben Landesregierungen angewiesen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hat wegen der zu erwartenden Einnahemausfälle für sein Land allerdings wiederholt mit einem Nein gedroht, falls es keinen "faiern Ausgleich" von Bund geben sollte.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sieht unter anderem vor, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld zu erhöhen. Außerdem soll es Verbesserungen für Firmen und Erben durch Änderungen bei der Unternehmens- und der Erbschaftssteuer geben. Gleichzeitig sind Erleichterungen für Hoteliers durch einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz bei Übernachtungen vorgesehen. Die Steuersenkungen sollen zum 1. Januar in Kraft treten.