Vorstoß im Bundestag Union droht mit Antrag zu Waffenlieferung
Bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine erwägt die Unionsfraktion, die Regierung durch einen Antrag im Bundestag unter Druck zu setzen. Der Vorwurf: Scholz sei "mitverantwortlich für die Wehrlosigkeit der Ukraine".
Die Union hat den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz erhöht, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Die CDU/CSU-Fraktion drohte damit, notfalls selbst im Bundestag einen Vorstoß zu unternehmen. "Wir wollen die Bundesregierung in dieser Krise unterstützen", schrieb Unionsfraktionsvize Johann Wadephul auf Twitter. Sollte sich Scholz bei der Frage von Waffenlieferungen aber nicht bewegen, müsse er dazu in der kommenden Woche mit einem Antrag von CDU und CSU im Bundestag rechnen, so der CDU-Politiker.
Kiesewetter: "Olaf Scholz muss jetzt Farbe bekennen"
Politikerinnen und Politiker der Union, aber auch von Grünen und FDP warfen Scholz wiederholt Zaudern bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine vor. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF, er halte sehr viel davon, dass die Bundesregierung die Ukraine mit Geld unterstütze. "Aber man darf sich nicht freikaufen", sagte er. "Es geht wirklich darum, Schützenpanzer, Artilleriesysteme zu liefern." Hier gebe es mehrere Möglichkeiten.
Wadephul wiederum hielt der Bundesregierung im Gespräch mit der "Welt" vor, die Öffentlichkeit mit der Zusage weiterer finanzieller Militärhilfe zu täuschen. "An Geld hat es der Ukraine - schon wegen der EU-Gelder - nicht gefehlt. Die Erhöhung der Mittel ist daher nur ein schlimmes Ablenkungsmanöver", sagte er.
Im Kern gehe es vielmehr um die Frage, ob Deutschland einen Export schwerer Waffen erlaube. "Olaf Scholz muss jetzt Farbe bekennen und im wahrsten Sinne des Wortes 'liefern'", so Wadephul. Scholz sei "mitverantwortlich für die Wehrlosigkeit der Ukraine".
Klitschko: "Brauchen schwere Waffen aus Deutschland"
Deutschland hat bisher unter anderem Panzerfäuste, Luftabwehrraketen und Maschinengewehre geliefert, außerdem Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte und Schutzausrüstung. Die Ukraine aber fordert auch schwere Waffen wie Kampfpanzer, Artilleriegeschütze und Kampfhubschrauber.
Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, forderte erneut die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland. "Wir brauchen die schweren Waffen aus Deutschland sofort", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Jede Verzögerung kostet Menschenleben. Das sollte jedem klar sein. Ich kann diese Debatte nicht verstehen." In einem Interview der Sender RTL und ntv sagte er: "Ich bin kein Waffenexperte, aber wir brauchen Panzer und Flugzeuge."
Grüne und FDP für Lieferung schwerer Waffen
Während in der Ampel-Koalition vor allem Politikerinnen und Politiker von Grünen und FDP für die Lieferung schwerer Waffen plädieren, ist die SPD von Kanzler Scholz skeptisch. Zur Begründung verweist die Bundesregierung unter anderem auf notwendige Absprachen mit Partnerländern sowie darauf, dass ukrainische Soldaten nicht für die Geräte ausgebildet seien.
Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte angesichts der russischen Großoffensive im Osten der Ukraine eine zügige Entscheidung zur Lieferung von schweren Waffen. "Die Zeit drängt", sagte Djir-Sarai im Deutschlandfunk. Er gehe davon aus, dass der Krieg in den kommenden Tagen noch grausamer werde. "Dementsprechend braucht die Ukraine nicht nur unsere volle Unterstützung und Solidarität, sondern auch konkrete Hilfe, und aus meiner Sicht sind Waffenlieferungen, beziehungsweise schwere Waffen, hier ein notwendiger Weg."
Die Entscheidung über die Lieferung schwerer Waffen müsse rasch getroffen werden. "Ich gehe auch davon aus, dass diese Entscheidung in den nächsten Tagen zustande kommen wird", sagte der FDP-Politiker. Fakt sei, dass etwas geschehen müsse.
Hofreiter: "zu zögerlich"
Auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter vermisst bei Scholz den Willen, rasch und entschlossen zu handeln. "Er hat gesagt, wer Führung bestellt hat, bekommt Führung, aber in ganz Europa wird es so nicht wahrgenommen, sondern es wird wahrgenommen als zu zauderlich und zu zögerlich", sagte der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestags dem Fernsehsender Welt.
Auf die Frage nach einem möglichen Antrag der Unionsfraktion zu Waffenlieferungen kritisierte Hofreiter sowohl Scholz als auch den Vorsitzenden der Unionsfraktion, Friedrich Merz (CDU). "Meiner Beobachtung nach haben wir das Problem, dass wir gerade einen Bundeskanzler haben, der nicht ausreichend führt, und einen Oppositionsführer, der sich immer in kleinteiligen Geländegewinnen gegenüber der Regierung versucht."
Gefahr, dass sich der Krieg ausweitet
Hofreiter sprach sich erneut für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus. "Je länger dieser Krieg dauert, je größer die Gefahr ist, dass Russland diesen Krieg gewinnt, desto größer ist die Gefahr, dass sich der Krieg ausweitet." Es gebe keine Garantie, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nicht auch Moldau oder gar die baltischen Staaten angreifen werde. Eine Unterstützung der Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt diene dazu, die Gefahr einer solchen Ausweitung des Krieges zu minimieren.
"Kein Kriegseintritt, das ist Hilfe zur Selbsthilfe"
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, verlangt von Bundeskanzler Scholz eine klare Positionierung, wie er die Ukraine unterstützen will. "Mehr Geld ist noch nicht die Lösung, aber ein sehr wichtiger Schritt, weil das für Kiew die Voraussetzung für den Kauf schwerer Waffen ist", sagte sie der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" mit Blick auf die geplante Erhöhung der Militärhilfe für Kiew.
Nun müsse Scholz "blitzschnell mit der Ukraine die nötigen Absprachen treffen", sagte Strack-Zimmermann. "Schön wäre es, er würde dann sein Schweigen brechen und erklären, was er eigentlich will." Sie kritisierte, "dass die Kommunikation gegenüber der Ukraine, gegenüber unseren Verbündeten, aber auch ins eigene Land hinein überschaubar ist".
Die Bundesrepublik habe bereits in größerem Umfang militärisches Material an die Ukraine geliefert, rede aber nicht im Detail darüber. "So überlässt das Kanzleramt anderen die Interpretation und erzeugt damit ein Bild eines zögerliches Landes", sagte Strack-Zimmermann. Die Lieferung schwerer Waffen sei "kein Kriegseintritt, das ist schlicht notwendige Hilfe zur Selbsthilfe", schrieb sie auf Twitter.
Esken: Waffenlieferungen müssen über Industrie laufen
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken wies den Vorwurf zurück, die Bundesregierung ermögliche keine Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Die Bundesregierung habe etwa die Lieferung von tschechischen Panzern an die Ukraine genehmigt, sagte Esken im ZDF. Diese Zustimmung sei nötig gewesen, weil die T-72-Panzer aus NVA-Beständen stammten. Tschechien sei zugleich Ersatz zugesagt worden. "Die Bundeswehr verfügt über keine weiterhin frei verfügbaren Waffen", so Esken.
Deshalb müssten jetzt über die Industrie "und Andere" Lieferungen an die Ukraine möglich gemacht werden. Scholz werde dazu weitere Gespräche führen. Esken bekräftigte, dass Deutschland weiter Militärmaterial in die Ukraine liefern werde.