Predigten an Heiligabend Weihnachten als "heilsamer" Gegenpol zu Gewalt
Weihnachten in schwierigen Zeiten - so fühlt es sich in diesem Jahr für viele an. In ihren Botschaften gehen die Kirchen auf die Trauer nach dem Anschlag in Magdeburg ein. Und sie rufen dazu auf, Weihnachten als Gegenpol zu Gewalt zu sehen.
Im Zeichen weltweiter Krisen und unter dem Eindruck des Anschlags in Magdeburg haben in Deutschland die Weihnachtsfeierlichkeiten begonnen. In ihren Botschaften und Predigten appellierten Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen, trotz vieler schlechter Nachrichten nicht zu verzagen.
Für Gerhard Feige, als katholischer Magdeburger Bischof in den vergangenen Tagen stark mit den entsetzlichen Ereignissen konfrontiert, ist Weihnachten ein "heilsamer" Gegenpol zu dem brutalen Anschlag. "Trotzdem oder gerade deshalb feiern wir Weihnachten, das Fest, das viele mit einer großen Sehnsucht nach Liebe, Heimat und Geborgenheit verbinden."
Die Menschwerdung Gottes an Weihnachten vor 2.000 Jahren habe auch nicht in einer heilen und unversehrten Welt stattgefunden, "sondern in der Welt, wie sie ist, zerrissen und widersprüchlich und manchmal kaum auszuhalten".
Die christliche Weihnachtsbotschaft lasse aber neuen Mut schöpfen: "Gott will uns nahe sein und uns in allen Nöten und Schwierigkeiten beistehen."
Die Anteilnahme nach dem Anschlag in Magdeburg ist groß: Unzählige Blumen und Kerzen wurden vor der Johanniskirche abgestellt.
Blumen am Gedenkort in Magdeburg
Trauer und Anteilnahme in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts dauern auch vier Tage nach dem Anschlag mit fünf Toten und bis zu 235 Verletzten an. Der zentrale Gedenkort an der Johanniskirche war von Menschen umringt. Das Blumen- und Kerzenmeer wuchs weiter, viele Trauernde hatten Tränen in den Augen.
Auf dem benachbarten Alten Markt, dem zentralen Ort des seit Freitagabend geschlossenen Weihnachtsmarktes, waren einzelne Buden zu Gedenkorten geworden. Auch hier brachten Trauernde ihre Anteilnahme mit Blumen und Kerzen zum Ausdruck. Viele Menschen waren mit Blumensträußen unterwegs, um sie als Zeichen des Beileids niederzulegen.
Eine Gruppe Jugendlicher war nach eigenen Angaben aus dem Salzlandkreis nach Magdeburg gefahren, um einen Rosenstrauß mit schwarzer Schleife an den Gedenkort zu bringen. "Wir haben alle dafür zusammengelegt. Das muss man machen", sagt einer von ihnen der Nachrichtenagentur dpa.
Marx: "Welch' sinnlose Grausamkeit"
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, sagte mit Blick auf den Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, er wolle "der Gewalt und dem Terror nicht den Sieg lassen". Die Hoffnung auf Frieden und ein Ende der Gewalt erscheine möglicherweise naiv, räumte der leitende Theologe der zweitgrößten Landeskirche laut Predigttext ein, der an Heiligabend in der Justizvollzugsanstalt Remscheid sowie in der Salvatorkirche in Duisburg predigte. Doch wenn Menschen sich von der Hoffnung verändern ließen, könne sie wahr werden.
Der katholische Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, zeigte sich in seiner Weihnachtspredigt am Heiligabend im Liebfrauendom laut seinem vorab vom Erzbistum verbreiteten Predigttext erschüttert über den Anschlag von Magdeburg: "Welch' sinnlose Grausamkeit, welch' eine Wahnsinnstat!" Die Amoktat vom vergangenen Freitag nähre "Angst, Zweifel und Hoffnungslosigkeit". Marx rief die Menschen aber auch dazu auf, "im Dickicht von Hass und Polarisierung" die Augen aufzumachen und Brücken der Versöhnung zu bauen, wie es in einer Mitteilung der Diözese heißt.
Zuversicht, dass es besser werden kann
Im ARD-Weihnachtsgottesdienst rief die Kölner Pfarrerin Miriam Haseleu zu Zuversicht trotz Krisenzeiten auf. Es gebe genug Gründe, sich in der Welt zu fürchten, die manchmal aus den Fugen zu geraten scheine, "wie wir es gerade wieder erleben mussten", sagte die evangelische Theologin in dem an Heiligabend ausgestrahlten Fernsehgottesdienst aus der Lutherkirche Köln-Nippes mit Blick auf das Attentat von Magdeburg.
Die Weihnachtsgeschichte stamme aus einer Zeit, die ebenfalls von Kriegsgefahr und Unsicherheit geprägt gewesen sei. Die Worte der Engel "Fürchtet euch nicht" und "Frieden auf Erden" stünden für die Zuversicht, dass es anders werden könne.
Die Engel der biblischen Weihnachtsgeschichte richteten die Aufforderung draußen in der Nacht an Menschen, die es nicht leicht hätten. "Sie singen nicht in einer heilen Welt", ergänzte sie.
Bätzing: Kirchen als Anlaufstelle
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte im BR, Kirchen könnten gerade in Zeiten voll von Ängsten und Sorgen wie etwa nach dem Anschlag in Magdeburg eine Anlaufstelle sein: "Es gibt offenbar Situationen im Leben, da brauchen Menschen die Verbundenheit untereinander. Und wir Kirchen sind geübt darin, so etwas zu organisieren und das ins Wort zu heben, was Menschen betrifft, was sie vielleicht gar nicht ausdrücken können im ersten Moment."
Fehrs: "Auszeit bedeutet keine Gleichgültigkeit"
Auch die Hamburger evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs ermunterte dazu, trotz aller Krisen mit gutem Gewissen Weihnachten zu feiern: Das Fest könne eine Auszeit sein und dazu einladen, "all den Irrsinn und die bedrückende Gewalt, um politischen Streit, um Krisen und schlechte Nachrichten einmal hintenan zu stellen", betonte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in ihrer Weihnachtsbotschaft.
"Eine solche Auszeit bedeutet keine Gleichgültigkeit. Sie ist vielmehr eine Einladung, Kraft zu schöpfen und neu auf die Herausforderungen unserer Welt zu blicken." Die Weihnachtstage seien auch eine Chance für die Menschen in Deutschland, neu zueinander zu finden.