Schleppenden Fortschritt kritisiert WHO kritisiert Tabakkontrolle in Deutschland
Werbeverbote, Steuern, drastische Fotos: Die Weltgesundheitsorganisation fordert, Maßnahmen gegen Tabakkonsum konsequenter umzusetzen. Gerade Deutschland hinke hinterher - und verkaufe Zigaretten etwa immer zu günstig.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Deutschland schleppende Fortschritte im Kampf gegen den Tabakkonsum attestiert. Man könne "nicht wirklich nachvollziehen", warum die Politik in Deutschland "so lax" in der Umsetzung von Maßnahmen in der Tabakkontrolle sei, sagte Rüdiger Krech, WHO-Direktor für Gesundheitsförderung, der Nachrichtenagentur dpa. International hingegen gingen mehr Länder gegen das Rauchen vor.
Inzwischen lebten 5,6 Milliarden Menschen in Staaten, die mindestens eine der von der WHO empfohlenen Maßnahmen zum Nichtraucherschutz umgesetzt hätten, heißt es im neuen Bericht über die "Tabak-Epidemie". Dazu gehören drastische Warnungen auf Zigarettenpackungen, Werbeverbote, Rauchverbote in öffentlichen Räumen und eine hohe Besteuerung von Tabakprodukten. Die weltweit verbreitetste Maßnahme seien Ekelbilder auf Packungen: Dafür gebe es Vorschriften in 103 Ländern mit 4,5 Milliarden Einwohnern.
"Rauchen im Endeffekt billiger, nicht teurer"
In Deutschland fehlen nach Meinung der WHO mehrere Elemente. "Die letzten Preiserhöhungen für Zigaretten liegen unterhalb der Inflationsrate und machen Rauchen im Endeffekt billiger, nicht teurer", sagte Krech.
Die Umsetzung des Rauchverbots in Gaststätten gleiche einem Flickenteppich. "Weder bundesweit noch in einem der 16 Bundesländer ist das Rauchen in allen acht Einrichtungen, die wir betrachten, gesetzlich vollständig verboten", sagte Krech. Zu den Orten zählen Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätze, Restaurants und Kneipen.
Leider erlaubten die Verordnung über Arbeitsstätten von 2004 und das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens von 2007 weiterhin Raucherzimmer in einigen Einrichtungen, so die Kritik. Nur vier der 16 Bundesländer hätten das Rauchen in Gesundheitseinrichtungen gesetzlich vollständig verboten. Auch im öffentlichen Verkehr sei kein komplettes Rauchverbot erlassen worden.
In Deutschland gebe es unnötig viele Tote durch das Rauchen, sagte Krech. Das sei eine Hauptursache für Missstände im Gesundheitssystem. Effektive Prävention würde dafür sorgen, dass weniger Menschen durch Rauchen Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Atemwegsprobleme bekämen und ins Krankenhaus müssten.
Auch E-Zigaretten "nicht sicher"
Weltweit geht der Anteil der Raucherinnen und Raucher nach WHO-Angaben zurück. Ohne Schutzmaßnahmen gäbe es nach ihrer Schätzung 300 Millionen Raucherinnen und Raucher mehr. 1,3 Milliarden Menschen nutzen laut WHO Tabak - zum Rauchen, Kauen oder Schnupfen. An dem Konsum stürben weltweit jedes Jahr mehr als acht Millionen Menschen - darunter 1,2 Millionen Nichtraucherinnen und Nichtraucher, die als Folge des Passivrauchens ums Leben kämen, einschließlich 65.000 Kinder.
Auch E-Zigaretten steht die WHO skeptisch gegenüber: "E-Zigaretten enthalten keinen Tabak, sind aber gesundheitsschädlich und nicht sicher", schreibt sie auf ihrer Webseite. Es sei jedoch noch zu früh, um eine eindeutige Antwort zu geben, was die langfristigen Auswirkungen des Konsums angehe.
Vier Staaten haben höchste Gesetzesstandards
Die höchsten Standards für eine tabakfreie Welt hielten lange nur zwei Länder: Brasilien und die Türkei. Seit dem letzten Bericht 2021 sind laut der WHO mit Mauritius und den Niederlanden zwei weitere dazugekommen.
Allerdings verweist die WHO darauf, dass sie für diese Erhebung nur die Gesetzeslage prüft, nicht aber die Umsetzung. So hätten zwar 87 Prozent der Länder Bußgelder im Gesetz vorgesehen, wenn gegen Rauchverbote verstoßen werde. Aber weniger als ein Drittel finanziere die Überwachung des Verbots.