Bahnchaos im Oktober Keine Sabotage, sondern Gier
Als es im Oktober in Norddeutschland zu massiven Zugausfällen kam, hieß es: Es war Sabotage an Kabeln in Berlin und Nordrhein-Westfalen. Nun stellt sich heraus: Die mutmaßlichen Saboteure waren wohl schlicht Kupferdiebe.
In Norddeutschland ging im Fernverkehr fast gar nichts mehr, bundesweit kam es zu erheblichen Verspätungen: Am 8. Oktober 2022 rätselte ganz Deutschland, wie es zu den großen Problem im Bahnverkehr kam. Schnell wurde klar: Unbekannte hatten bei Herne und in Berlin-Karow Kabel durchtrennt und innerhalb weniger Stunden an zwei Stellen empfindliche Steuerungsleitungen der Deutsche Bahn beschädigt. Weil beide Stellen das gleiche technische System betrafen, wurde ein Zusammenhang vermutet.
Von Sabotage sprach die Deutsche Bahn, der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen. Ein Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Nordstream-Pipelines schien ebenso denkbar wie eine Sabotageaktion mit dem Ziel, eine von der AfD an diesem Tag angekündigte Demonstration in Berlin zu stören. Nach dem Motto: Anreise verhindern.
Doch nach mehr als einem halben Jahr Ermittlungen von Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft steht nach Informationen von ARD-Hauptstadtstudio und SWR für die Behörden jetzt zumindest eines fest: Die Taten hatten keinen politischen Hintergrund. Es waren Kabeldiebstähle, wie sie bei der Bahn und auf Großbaustellen fast täglich passieren.
Diesmal allerdings waren sie an zwei ganz besonders empfindlichen Stellen passiert, die gegenseitig den Effekt verstärkten. Doch das Motiv scheint reine Gier zu sein: Kabel erzielen auf dem Schwarzmarkt hohe Preise, wenn sie aus Kupfer bestehen.
Diebstahl kein Fall für die Bundesanwaltschaft
Mit diesem Zwischenergebnis der Ermittlungen ist auch klar: Es ist kein Fall für die Bundesjustiz. Der Generalbundesanwalt hatte die Fälle an sich gezogen, weil ein politischer Hintergrund oder gar eine ausländische Sabotage möglich schien. Diebstahl oder Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr gehören aber nicht in seine Zuständigkeit.
Deswegen wird nach Informationen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio in Karlsruhe gerade die Rückgabe der Verfahren an die örtlichen Staatsanwaltschaften vorbereitet. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern und verwies auf die noch laufenden Ermittlungen.
Die relativ gleichzeitigen Ausfälle in Nordrhein-Westfalen und Berlin waren nach dem aktuellen Ermittlungsstand Zufall. Ebenso zufällig habe es bei den beiden Diebstählen das gleiche Kommunikationssystem der Bahn getroffen. Genau diese doppelte Beschädigung eines Systems hatte damals große Probleme verursacht. Wäre es nur zu einem Ausfall gekommen, hätte die Bahn das Problem durch Backup-Systeme besser auffangen können.
Bahn trotzdem zu offenherzig
Nach dem Ausfall im Oktober kam es neben den Spekulationen über die Ursache auch zu einer Debatte, ob die Bahn selbst zu offenherzig mit Informationen über ihre technische Infrastruktur umgeht. So waren im Internet unter anderem PR-Videos der Bahn zu finden, in denen zentrale Elemente und Orte ihrer Steuerungstechnik vorgestellt wurden. Diese Videos haben nach den aktuellen Ermittlungen nichts mit dem Kabelklau zu tun. Trotzdem seien sie mit Blick auf die Betriebssicherheit "unglücklich", heißt es aus Ermittlungskreisen.