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Rücklagen von Consigma-Kunden Wohnungseigentümer kämpfen um ihre Ersparnisse

Stand: 11.12.2024 05:00 Uhr

Vor einem Jahr deckten BR und HR riskante Millionengeschäfte mit Rücklagen von Wohnungseigentümern auf. Staatsanwaltschaften ermitteln. Inzwischen befinden sich Teile des Unternehmensnetzwerks in Schieflage.

Von Claudia Gürkov, BR, und Volker Siefert, HR

"Ich gehe davon aus, dass wir unsere halbe Million Euro Rücklagen nicht voll zurückbekommen werden, egal wie sehr wir um unser Geld kämpfen", sagt Markus Stork. Er ist Eigentümervertreter in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) im südhessischen Rodgau. Jahrelang haben die Eigentümer gemeinsam Geld für die Instandhaltung von Aufzügen, Dächern oder Wasserrohren zurückgelegt. Doch nun haben sie auf einen Teil dieser Rücklagen keinen Zugriff.

Verantwortliche ihrer Hausverwaltung aus der Consigma-Gruppe haben vom Konto der WEG 506.000 Euro verwendet, um in Anleihen der DR Deutsche Rücklagen GmbH zu investierten. Diese GmbH hat nach eigenen Angaben insgesamt Rücklagen in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro in Anleihen investiert und damit Kredite an die Bau- und Immobilienbranche ausgegeben.

Geld in Anleihen offenbar ohne Zustimmung gesteckt

Nach Recherchen von BR und HR steckten Hausverwalter der Consigma-Gruppe immer wieder Geld in Anleihen, ohne dass die Eigentümer zugestimmt hatten. Experten für Wohungseigentümergemeinschaften sehen darin nicht den einzigen Verstoß gegen geltendes Recht. Der Gesetzgeber will auch, dass Rücklagen möglichst risikoarm, also mündelsicher, angelegt werden. Doch das ist bei Anleihen für Bauprojekte zweifelhaft.

Die WEG in Rodgau hat ihre Anleihe inzwischen fristlos gekündigt. Nachdem das Geld nicht zurückgezahlt wurde, mahnte sie die Consigma und die DR Deutsche Rücklagen ab. Gegen die DR Deutsche Rücklagen hat die WEG inzwischen einen vollstreckbaren Titel. Die Consigma legte Widerspruch ein, weshalb der Fall nun vor Gericht liegt. Für einige Eigentümer ist die Situation existenzbedrohend. "Wenn das Geld weg ist, müssen manche wahrscheinlich ihre Wohnung verkaufen, weil sie als Rentner keinen Kredit für eine Sonderumlage zur Instandhaltung des Hauses bekommen", sagt Stork.

Rund 40 WEG warten bisher vergeblich auf ihr Geld

Neben der WEG in Rodgau identifizierten BR und HR weitere 65 WEG, die von dem fragwürdigen Anleihegeschäft betroffen waren beziehungsweise sind. Viele haben inzwischen ihre Anleihen gekündigt. Bis zum Sommer bekamen etliche von ihnen ihr Geld zurück. Doch inzwischen stocken die Rückzahlungen offenbar. Laut den Recherchen warten aktuell rund 40 WEG auf ihr Geld, insgesamt handelt es sich um fast vier Millionen Euro.

"Von den Eigentümergemeinschaften, die ich betreue und bei denen der Rückzahlungsanspruch zum 30. September fällig geworden ist, hat noch keine ihr Geld zurückbekommen", bestätigt Burkhard Rüscher. Seine Münchener Kanzlei vertritt aktuell sieben WEG gegen Hausverwaltungen der Consigma-Gruppe und die DR Deutsche Rücklagen. Er geht davon aus, dass die Zahl der tatsächlich betroffenen WEG viel höher ist als bislang bekannt.

Unternehmensnetzwerk in Schieflage

Unterdessen mehren sich die Hinweise darauf, dass sich Teile des Unternehmensnetzwerks in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Die mit mehreren tausend verwalteten Wohnungen einst größte Hausverwaltung der Gruppe, die Cosigma München, hat inzwischen Insolvenz angemeldet. Zahlreiche WEG-Kunden berichten, dass Teile der Hausverwaltungsgruppe ihren Service nahezu eingestellt haben und kaum noch auf Anfragen reagieren. Mehrere Standorte der Consigma-Gruppe stehen zwar im Handelsregister, vor Ort war aber niemand anzutreffen. 

Noch vor einem Jahr stand auf der Website der Deutsche Rücklagen, dass zwei Männer das Unternehmensnetzwerk maßgeblich steuern würden: Dr. U. und ein weiterer Manager, M. Zudem wurden nicht nur personelle, sondern auch wirtschaftliche Verflechtungen offengelegt. All diese Angaben finden sich nicht mehr auf der Homepage.

Beide Manager legten in den vergangenen Monaten Geschäftsführerposten nieder und zogen sich auf Gesellschafterebene zurück. Unter ihrem Management waren die Ersparnisse von WEG zur Deutsche Rücklagen geflossen. Heute wollen sie sich nicht dazu äußern und verweisen auf ihre Nachfolger als Geschäftsführer.

Consigma Holding AG an britische Limited verkauft

Im April wurde die Consigma Holding AG, die Dachgesellschaft des Hausverwaltungskonzerns, verkauft - laut Transparenzregister an eine britische Limited (Ltd.). Dr. U. will sich zu dem Verkauf nicht äußern, er habe nie Aktien der Consigma Holding AG besessen. Laut Transparenzregister war er bis zum Verkauf mit mehr als 80 Prozent an der AG beteiligt, er wurde als wirtschaftlich Berechtigter geführt. 

Neuer Vorstand der Consigma Holding AG ist W., der Geschäftsführer der britischen Limited. In Deutschland fanden BR und HR mehr als 40 Firmen, die Limiteds gehören, die W. zuzuordnen sind. Einige von ihnen sind inzwischen aufgelöst. Weder W. noch die Eigentümerin der Limited reagieren auf Anfragen. Dr. U. - bis vor wenigen Monaten selbst Vorstand der Consigma Holding AG - verweist an seinen Nachfolger W. Dieser reagiert auf Anfrage von BR und HR bislang nicht.

Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln

BR und HR liegen inzwischen mehr als 20 Strafanzeigen von WEG, einzelnen Eigentümern und Rechtsanwälten vor. Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln, darunter Wiesbaden, Frankfurt am Main, Mainz und Stuttgart. Darmstadt prüft.

Die strafrechtliche Aufarbeitung erscheint schwierig, schnelle Ergebnisse sind nicht in Sicht. Auffällig ist: Die Staatsanwaltschaften ermitteln getrennt zu einzelnen Fällen, das Unternehmensnetzwerk als Ganzes ist offenbar nicht Gegenstand der Ermittlungen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Anlegerschützer Daniel Bauer mahnt, dass die Staatsanwaltschaften im Fall Consigma und Deutsche Rücklagen die entscheidende Rolle spielen: "Je schneller die Staatsanwaltschaften ermitteln, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie auch noch den ein oder anderen Euro finden und dann auch für die Gläubiger sichern können." Weitere WEG meldeten sich bei BR und HR - auch sie wollen ihre Ersparnisse zurückfordern.