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Finanzdienstleister Wie Rechtsextreme um Spenden werben

Stand: 11.09.2023 06:00 Uhr

Offen und teils mit echtem Namen rufen Rechtsextreme bei Telegram dazu auf, sie mit Spenden zu unterstützen. Ein neuer Report zeigt: Klassische Bankkonten und Zahlungsdienstleister sind ihre erste Wahl. Als der BR dort nachfragte, wurden Konten geschlossen.

Von Arne Meyer-Fünffinger und Alexander Nabert, BR

Michael schaut in die Kamera und kommt gleich zur Sache: Er sei einer der Aktivisten, der sich am Morgen "über eine Hausdurchsuchung freuen durfte", sagt der junge Mann. Dabei hätten Beamte "wertvolle und wichtige Technik" beschlagnahmt. Deswegen bitte er jetzt um Spenden. Unter dem Video, das Ende August im Messengerdienst Telegram verbreitet wurde, ist ein Konto bei einer in Deutschland ansässigen Bank angegeben. Es gehört zur Identitären Bewegung - eine rechtsextreme Organisation, die das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Fokus hat.

Ermittler, Behörden und Politiker treibt diese Form der finanziellen Eigenwerbung um: Wie kann der Staat Rechtsextremen die finanzielle Grundlage entziehen? Die Hausdurchsuchung geht zurück auf eine Aktion von Rechtsextremen Anfang Februar vor einer Asylunterkunft im bayerischen Peutenhausen, nordöstlich von Augsburg. Vermummte hatten sich dort mit Pyrotechnik und einem ausländerfeindlichen Banner postiert. Dazu Kameras, um ihre Aktion zu dokumentieren. Seitdem laufen Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung.

Rechte Netzwerke finanziell "austrocknen"

Rechtsextreme Gruppen finanziell "austrocknen" - das ist erklärtes Ziel von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin schrieb dies in ihrem im März 2022 veröffentlichten "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus" an die erste Stelle. "Denn ohne Finanzmittel gibt es keine Propaganda und keine Aktivitäten, um Menschen zu radikalisieren und zu rekrutieren", sagte Faeser, als sie den Plan mit den Chefs von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt vorstellte. Die Maßnahmen im Aktionsplan sollten schnell umsetzbar sein, so interne Unterlagen aus dem Innenministerium, die BR-Recherche vorliegen. 

Doch es gibt Zweifel an der Wirksamkeit: "In der Praxis müssen wir sagen: Wir haben bisher nicht festgestellt, dass sich da viel geändert hat", sagt Miro Dittrich vom "Center für Monitoring, Analyse und Strategie" (CeMAS). Die Forscher der gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Berlin beobachten rechtsextreme Aktivitäten systematisch.

1,3 Millionen Telegram-Nachrichten ausgewertet

CeMAS hat für einen Report 1,3 Millionen Nachrichten aus mehr als 400 deutschsprachigen Telegram-Kanälen ausgewertet und untersucht, wie Rechtsextreme dort um Spenden werben. Der Bericht, der dem Bayerischen Rundfunk vorab vorlag, soll heute veröffentlicht werden. Er umfasst den Zeitraum September 2016 bis Mai 2023. Die Analyse zeigt: Rechtsextreme werben offen und mit ihrem echten Namen um Spenden. Dabei nutzen sie vielfältige Wege, wie etwa den Zahlungsdienstleister PayPal, Cryptowährungen, Crowdfunding oder Spenden über Livestreaming-Plattformen.

Doch das klassische Bankkonto ist für Rechtsextreme nach wie vor das wichtigste Mittel, um für Spenden zu werben. "Es gibt zwar einzelne rechtsextreme Akteure, deren Bankkonto gekündigt wurde, aber allgemein stellt das eine sehr sichere und einfache Form der Finanzierung dar", sagt Dittrich von CeMAS. 

Geschlossene PayPal-Accounts von Rechtsextremen nach BR-Anfrage

BR-Reporter fragten 109 IBANs und 38 PayPal-Konten, die Rechtsextreme für die Einwerbung von Spenden nutzen, bei den jeweiligen Banken im In- und Ausland sowie bei dem US-amerikanischen Zahlungsdienstleister ab. Dabei wies der BR auf die Hintergründe der Konto- und Account-Inhaber hin, zum Beispiel auf Berichte von Verfassungsschutzbehörden.

PayPal deaktivierte bis Redaktionsschluss zehn Accounts, darunter mehrere aus dem Umfeld der Identitären Bewegung. Auf BR-Anfrage teilte eine Sprecherin von PayPal mit, die anderen Accounts würden noch intern und in einem mehrstufigen Verfahren geprüft. Auch einzelne Banken antworteten, vom BR abgefragte Konten seien gekündigt worden, teilweise schon vor der Anfrage. Mehrheitlich beriefen sich die Geldinstitute auf das Bankgeheimnis und machten keine Angaben zu einzelnen Konten.

Miro Dittrich von CeMAS fordert: Wenn Finanzdienstleister schon nach einfachen Presseanfragen Konten dicht machten, könnten auch die Behörden solche E-Mails an Banken schreiben: "Wenn der Plan ist, rechtsextreme Finanzströme auszutrocknen, sind hier ganz klar die Sicherheitsbehörden gefragt."

Hohe rechtliche Hürden

Die Recherche legt nahe, dass weder Innenministerium noch Verfassungsschutz auf Zahlungsdienstleister einwirken, konkrete Konten zu schließen. Denn dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Das Ministerium verweist auf das Verfassungsschutzgesetz. Demnach darf der Nachrichtendienst Banken lediglich um Auskünfte zu einzelnen Konten bitten, also etwa zu Kontoständen oder Überweisungen. Die Hürden dafür sind hoch: Laut Gesetz müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass "schwerwiegende Gefahren" drohen. Also: Extremismus allein reicht nicht, es braucht mehr.  

Das Bundesinnenministerium seinerseits schreibt, die im Aktionsplan gegen Rechtsextremismus beschlossene Austrocknung der Finanzströme werde durch den Verfassungsschutz umgesetzt. Dieser habe die Ressourcen und Fähigkeiten im Bereich der Finanzermittlungen in den vergangenen eineinhalb Jahren "erheblich ausgebaut". Auf konkrete Erfolge verweisen die Behörden allerdings nicht.

Mehr Kompetenzen für Verfassungsschutz?

Abgeordnete sehen noch Spielraum bei der Trockenlegung der Finanzen der extremen Rechten. Die Linken-Politikerin Clara Bünger sagte dem BR: "Wir sehen keine Austrocknung der Finanzströme rechtsextremer Strukturen." Die Innenministerin habe "keinen Plan", wie sie das machen wolle. Die Sicherheitsbehörden müssten alle Instrumente konsequent nutzen, die ihnen schon jetzt zur Verfügung stünden - ähnlich wie bei der Organisierten Kriminalität.

Der SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler forderte hingegen, dem Verfassungsschutz mehr Kompetenzen für die Analyse von Finanzen von Extremisten zu geben. Dass der Inlandsnachrichtendienst bislang nur bei einer "konkreten Gefahr" und Terrorismusfinanzierung auf Konten schauen könne, reiche nicht aus.

Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums, sagte dem BR, die Koalition sei an einer "großen Reform des Rechts der Nachrichtendienste dran". Es gebe im Parlament eine Offenheit, sich "diesen Bereich anzugucken und gegebenenfalls auch gesetzlich nachzuschärfen", so von Notz.

 

A. Meyer-Fünffinger, A. Nabert, BR, tagesschau, 11.09.2023 06:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 11. September 2023 um 06:27 Uhr in der Sendung "Informationen am Morgen".