AfD-Mitarbeiter Jian G. Mutmaßlicher chinesischer Spion bot sich BND an
Der wegen Spionageverdachts festgenommene Mitarbeiter des AfD-Politikers Krah bot sich nach ARD-Informationen vor Jahren dem BND als Quelle an. Der wiederum verwies den Mann an den sächsischen Verfassungsschutz.
Am Dienstag setzte die Polizei den Aktivitäten von Jian G. ein Ende. Der 43-jährige wurde in seiner Wohnung in Dresden festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Spionage für eine fremde Macht in einem besonders schweren Fall vor: Er soll für den chinesischen Geheimdienst spioniert haben. Wie lange ist nicht bekannt.
Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, soll Jian G. Informationen aus dem Europäischen Parlament an eine Kontaktperson beim chinesischen Geheimdienst übermittelt haben. Darüber hinaus soll er chinesische Dissidenten in Deutschland ausgespäht haben.
Jian G. bot sich BND an
Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios, ARD-Kontraste und des SWR bot sich Jian G. bereits 2007 den deutschen Sicherheitsbehörden als Quelle an: Dabei soll er es zunächst beim deutschen Auslandsnachrichtendienst BND versucht haben. Der Bundesnachrichtendienst soll abgelehnt und Jian G. an den sächsischen Verfassungsschutz verwiesen haben. G. wohnte damals bereits in Dresden.
Nachdem ARD Recherchen zunächst ergeben hatten, dass der sächsische Verfassungsschutz nicht mit Jian G. zusammengearbeitet hat, berichtet nun die "Bild"-Zeitung, dass Jian G. 2007 vom Verfassungsschutz in Sachsen angesprochen worden sei. Demzufolge hat der Verfassungsschutz Sachsen G. "abgeschöpft", ihm aber keine Aufträge erteilt.
Mögliche Arbeit als Doppelagent
Ob er zu diesem Zeitpunkt bereits für den chinesischen Geheimdienst gearbeitet hat, ist unklar. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass der chinesische Dienst versucht haben könnte, ihn als Doppelagenten zu platzieren.
Acht Jahre nach seiner Anwerbung als Informant, wurde der sächsische Verfassungsschutz den "Bild"-Informationen zufolge vom Bundesamt für Verfassungsschutz vor G. gewarnt. Eine Überwachung G.´s und eine Konfrontation mit dem Vorwurf, er würde für einen chinesischen Nachrichtendienst arbeiten, blieb demnach ohne Ergebnis. 2018 sei die "ND-Person" G. schließlich vom Verfassungsschutz in Sachsen "abgeschaltet", also die Zusammenarbeit beendet worden. Diese Informationen wurden zwischenzeitlich auch der ARD aus Sicherheitskreisen bestätigt.
Kein Kommentar der Nachrichtendienste
Wie immer in diesen Fällen wollen sich beide Nachrichtendienste nicht äußern. Auf Nachfrage teilte der BND lediglich mit, man nehme "zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung." Damit sei keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend sei oder nicht. Das sächsische Innenministerium erklärte, Anfragen zu dem Ermittlungsverfahren beantworte ausschließlich die Bundesanwaltschaft.
Sogenannte Selbstanbieter, wie Jian G., gehören zum Alltagsgeschäft der Nachrichtendienste. Je nachdem, was sie anzubieten haben, können sie von großem Wert sein. Gleichzeitig ist dabei immer Vorsicht geboten. Deshalb wird jeder oder jede, die sich selbst als nachrichtendienstliche Quelle anbietet, gründlich überprüft. Zu einer Zusammenarbeit kommt es nur, wenn es keine grundsätzlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit und der Motivation gibt.
Denn der Handel mit Informationen kann ein Geschäftsmodell sein. Außerdem muss man damit rechnen, dass ein Selbstanbieter gezielt von einem anderen Nachrichtendienst beauftragt wurde, sich einem anderen Dienst anzubieten. Oftmals lässt sich jedoch nicht sicher sagen, ob das der Fall sein könnte.
Assistent von AfD-Politiker Krah
Jian G. war 2002 nach Dresden gekommen, um an der Technischen Universität zu studieren. Damals hatte er noch die chinesische Staatsangehörigkeit, mittlerweile ist er Deutscher. Bevor er bei dem AfD-Politiker Maximilian Krah als Assistent anfing, nachdem dieser 2019 ins Europäische Parlament gewählt worden war, soll er in Dresden als Geschäftsmann tätig gewesen sein.
Krah, damals Rechtsanwalt und Unternehmensberater in Dresden, soll ihn bei einer Unternehmensgründung beraten haben. Gleichzeitig soll sich G. über Jahre in chinesischen Dissidenten-Organisationen engagiert haben, die der chinesischen Regierung kritisch gegenüberstehen.
Schwieriger Nachweis der Spionage
Tatsächlich ist die sogenannte Attribuierung, also der Nachweis der Spionagetätigkeit, in einer Ermittlung das eigentliche Problem. Um einen mutmaßlichen Spion anklagen zu können, muss die Bundesanwaltschaft den Nachweis erbringen, dass dieser mit einem ausländischen Geheimdienst in Kontakt stand und einem Führungsoffizier oder zumindest einer Kontaktperson mit Anbindung an diesen Geheimdienst Informationen übermittelt hat. Nachrichtendienste betrieben ihrerseits großen Aufwand, um geheim zu halten, welche Quellen sie führen.
Die Bundesanwaltschaft teilte nach der Festnahme von Jian G. mit, dass dieser im Januar dieses Jahres Informationen aus dem Europäischen Parlament übermittelt habe. Erst ab diesem Zeitpunkt scheinen die Ermittler also in der Lage zu sein, die Übermittlung von Informationen zumindest aus dem Parlamentsbetrieb gerichtsfest nachweisen zu können.
Maximilian Krah ging nach der Festnahme seines Mitarbeiters auf Sicherheitsabstand und kündigte gestern an, ihn entlassen zu wollen, nachdem die Untersuchungshaft angeordnet worden war. Die AfD nannte die Vorwürfe "sehr besorgniserregend". Es gelte nun die weiteren Ermittlungen der Bundesanwaltschaft abzuwarten.