Studie zweier NGOs Hohe Umsätze mit gefährlichen Pestiziden
Große Pestizidhersteller wie Bayer und BASF machen offenbar einen erheblichen Teil ihrer Umsätze mit hochgiftigen Pestiziden. Das berichtet das ARD-Magazin Monitor mit Verweis auf eine Studie zweier NGOs.
Hersteller von Pestiziden stellen sich gerne als nachhaltige Unternehmen im Dienste von Mensch und Umwelt dar: Ihre Produkte sicherten lebenswichtige Ernten und verbesserten das Leben der Menschen. Kritiker hingegen werfen vor allem den großen Pestizid-Herstellern unverantwortliche Geschäfte vor, vor allem mit hochgefährlichen Pestiziden. Sie können zum Beispiel Krebs und andere Krankheiten auslösen, das Erbgut verändern und werden für einen weltweiten Rückgang der Artenvielfalt mit verantwortlich gemacht. Doch wie groß der Umsatz mit diesen gefährlichen Stoffen ist, darüber weiß man wenig: Die Hersteller geben keine Auskunft.
Die Schweizer Organisation "PublicEye" und das zu Greenpeace gehörende Investigativteam "Unearthed" haben in ihrer Untersuchung Daten eines Branchendienstes für den Agrarsektor ausgewertet. Die Daten decken rund 40 Prozent des Weltmarktes ab. Demnach machten die fünf größten Hersteller im Jahr 2018 rund 35 Prozent ihrer weltweiten Erlöse mit so genannten hochgefährlichen Pestiziden (HHPs), in Ländern mit mittleren oder niedrigen Einkommen lag der Anteil von hochgefährlichen Pestiziden am Umsatz sogar weitaus höher: bei 54 Prozent.
Hersteller weisen Ergebnisse zurück
"Das erscheint uns viel, weil diese Firmen doch immer behaupten, dass sie die verantwortungsbewusstesten, ethisch innovativsten Unternehmen auf dem Markt sind“ erklärt Laurent Gaberell von "PublicEye" gegenüber dem ARD-Magazin Monitor. 'Tatsächlich zeigen wir, dass sie vom Verkauf dieser giftigen Pestizide stark abhängig sind."
Die Hersteller weisen ihre Umsätze mit den entsprechenden Wirkstoffen selbst nicht aus, bezweifeln aber die Datengrundlage und weisen vor allem die Zuordnung vieler Produkte als hochgefährlich zurück.
Ein Landwirt versprüht in Brandenburg Pflanzenschutzmittel auf einem Feld.
Die Untersuchung legt dafür die Kriterien des weltweiten "Pestizid Aktions-Netzwerks" (PAN) zu Grunde, die alle Risikobewertungen von Behörden und anerkannten Institutionen zusammenführt. Hersteller wie Bayer und BASF berufen sich hingegen auf wesentlich enger gefasste Zuordnung der Weltgesundheitsorganisation und der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Die PAN-Kriterien lehnen sie ab. Befürworter der PAN-Liste halten den Einwand für unberechtigt: "Es ist eine Liste, die umfassend ist, die weltweit zugelassene Wirkstoffe abdeckt, und es ist die einzige Liste weltweit, die all diese Kriterien zusammenführt, und zwar auf der Basis offizieller Einschätzungen und nicht einer NGO-basierten gefühlten Gefährlichkeit", so der Toxikologe Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk.
Ausweitung der Produktion giftiger Pestizide
Auch die deutschen Hersteller machen nach der Analyse von "PublicEye" und "Unearthed" große Umsätze mit besonders gefährlichen Pestiziden: Bei BASF sind es demnach rund 25 Prozent, bei Bayer liege der Anteil sogar bei 37 Prozent - inklusive dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat. Und auch die deutschen Hersteller machen laut Studie in ärmeren Ländern besonders hohe Umsätze mit sehr gefährlichen Stoffen. Bayer verweist darauf dass es "je nach Region unterschiedliche gesellschaftliche, wirtschaftliche oder auch klimatische Bedingungen" gebe.
Dazu gehörten auch unterschiedliche Zulassungsstandards: Etliche der gehandelten gefährlichen Substanzen sind in der EU gar nicht zugelassen. Das Fungizid "Antracol" zum Beispiel hat in Europa schon lange keine Zulassung mehr, die US-Behörde EPA hat den enthaltenden Wirkstoff als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Trotzdem hat Bayer gerade angekündigt, die Produktion von "Antracol" im rheinischen Dormagen deutlich auszuweiten - für den Export in Länder wie Japan, Brasilien, Indonesien oder Thailand.
Unterschiedliche Standards als Schlupfloch?
Nutzen die Hersteller schwache gesetzliche Regelungen vor allem in Entwicklungsländern aus? So sieht es jedenfalls der UN-Sonderberichterstatter für Pestizide, Baskut Tuncak: "Wenn ein Pestizid in Europa gefährlich ist, dann wird es nicht auf wundersame Weise sicherer in Indonesien oder in Angola, wo diese Pestizide dann hingehen", so Tuncak im Interview mit Monitor. "Die Firmen sollten sich schämen, dass sie weiterhin behaupten, sie seien nachhaltig, während sie derart unethisch und unmoralisch handeln."
Tuncak fordert verbindliche internationale Regelungen, die den Verkauf gefährlicher Pestizide weltweit einschränken: "Wir wissen, dass freiwillige Vereinbarungen auf internationaler Eben nicht wirken. Für hochgefährliche Pestizide haben sie seit Jahren nicht gewirkt."