Fall Lübcke Was wusste Markus H. von den Mordplänen?
Der Bundesgerichtshof hat im Fall Lübcke die Haftbeschwerde von Markus H. abgewiesen. In der Begründung hält es der BGH für sehr wahrscheinlich, dass er von den Plänen wusste und Stephan E. bestärkte, sie durchzuführen.
Im Mordfall Walter Lübcke geht der Bundesgerichtshof offenbar davon aus, dass der Tatverdächtige Stephan E. von seinem Freund Markus H. im Tatentschluss bestärkt wurde. Dies geht aus einem Beschluss hervor, den der Bundesgerichtshof (BGH) aufgrund einer Haftbeschwerde des Anwaltes von Markus H. aus Kassel, gefasst hat. Die Haftbeschwerde wurde abgewiesen. Markus H. sitzt seit Juni wegen des Verdachts der Beihilfe in Untersuchungshaft.
Ursprünglich war der Mann festgenommen worden, weil die Ermittler davon ausgehen, dass er dem mutmaßlichen Mörder, dem Rechtsextremisten Stephan E., den Kontakt zu einem Waffenhändler vermittelt hat, der ebenfalls in Haft sitzt. Von diesem Waffenhändler habe Stephan E. später die Tatwaffe erworben. Davon geht für den BGH jetzt kein dringender Tatverdacht mehr aus, weil diese Kontaktvermittlung weit vor dem Tatentschluss von Stephan E. stattgefunden habe.
"Psychische Beihilfe"
Dringend tatverdächtig ist Markus H. dem Bundesgerichtshof aber weiterhin, weil er aus Sicht des BGH den Tatverdächtigen Stephan E. ab Juli 2016 in enger freundschaftlicher Verbundenheit und rechtsradikaler Gesinnung mit hoher Wahrscheinlichkeit darin bestärkt habe, die Tat zu begehen, vor allem, so das Gericht, indem er mit ihm fortlaufend zum Schießtraining gegangen sei und zu rechtsextremen Demos, obwohl er die konkreten Pläne des Tatverdächtigen Stephan E. hätte ahnen können. Das Gericht spricht von "psychischer Beihilfe", er habe Stephan E. im Willen zur Tatbegehung "mit hoher Wahrscheinlichkeit" bestärkt.
Demnach soll Stephan E. seinem Freund H. mitgeteilt haben, dass er das Haus von Lübcke ausspioniert habe, und dass man dort "etwas machen könne". Der BGH geht davon aus, dass Markus H. es für möglich gehalten haben muss, dass Stephan E. ein Attentat begehen werde und ihn darin womöglich sogar bestärkt habe, "das Vorhaben tatsächlich auszuführen".
Einblicke in neue Ermittlungsergebnisse
Der Beschluss gibt Einblicke in neue Ermittlungsergebnisse, die ein anderes Licht auf die Rolle von Markus H. und die Radikalisierung von Stephan E. werfen: Stephan E. war, obwohl ein in Hessen bekannter Rechtsextremist mit einschlägigen Vorstrafen, seit seiner letzten Verurteilung 2010 behördlich nicht mehr in Erscheinung getreten. Der BGH macht nun deutlich, dass Stephan E. und Markus H. sich ab 2013/2014 wiedertrafen und durch gemeinsame Gespräche und über ihre "rechtsnationale Gesinnung" weiter radikalisiert haben könnten.
Weil sie nicht nur die Gesinnung teilten, sondern auch an politischen Demonstrationen teilnahmen und in einem Schützenverein - vermittelt durch Markus H.- Schießen übten sowie gemeinsam rechte Demos besuchten. Markus H., ebenfalls jahrelang in der hessischen Neonazi-Szene aktiv, soll Stephan E. somit nicht nur Zugang zu Waffen und Schießübungen verschafft haben. Die beiden Freunde hätten sich nach Überzeugung des BGH darüber hinaus darin bestätigt, "zur Abwendung der aus ihrer Sicht bedenklichen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland sich bewaffnen und nunmehr aktiv werden zu müssen".
Gemeinsam bei Bürgerversammlung
Gemeinsam und auf Initiative Markus H.s hatten sie 2015 jene Bürgerversammlung in Lohfelden bei Kassel besucht, auf der Walter Lübcke jene Sätze sagte, die ihn in den Fokus von Rechtsextremen gerückt hatten: "Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen". Zu denjenigen, die Lübcke noch während der Veranstaltung verbal attackiert hatten, zählte auch Stephan E..
Markus H. soll das Video, das von dieser Szene existiert, gedreht und ins Internet gestellt haben. E. sei durch die Veranstaltung "emotional richtig aufgeladen" und "fassungslos" gewesen, heißt es in dem Beschluss. Gemeinsam mit Markus H. hätte er sich regelrecht "reingesteigert". Lübcke sei fortan "auf dem Schirm" gewesen. E. habe die Adresse von Walter Lübcke recherchiert und zu Markus H. gesagt, dass man dort "mal was machen könne" .
"Denker" und "Macher"
Eine Zeugin beschreibt die gemeinsame rechtsradikale Basis der beiden Freunde, wobei Markus H. eher der "Denker" und Stephan E. eher der "Macher" gewesen sei. Sie berichtet auch von einem eindrücklichen Dialog: Markus H. habe ihr gegenüber einmal behauptet, sich im Falle der Diagnose einer schweren Erkrankung mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft sprengen zu wollen und dabei dann möglichst viele "Kanaken" mit in den Tod nehmen zu wollen.
Insgesamt sei sein Lebensstil auf Verheimlichung angelegt gewesen. Die Ermittler werten auch die Kommunikation zwischen Markus H. und Stephan E. als "klandestin": beide hätten sich über den Dienst "Threema" verschlüsselte Nachrichten geschickt.
Lübckes Namen mit Textmarker angestrichen
Bei Markus H. wurde bei einer Durchsuchung außerdem ein Buch eines rechtspopulistischen Autoren gefunden, in dem das spätere Mordopfer Lübcke erwähnt ist. Den Namen soll H. mit einem Textmarker angestrichen haben. Der Verteidiger von Markus H. konnte am Montag auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben. In seiner Haftbeschwerde hatte er ausgeführt, dass sein Mandant zwar gewusst habe, dass Stephan E. "etwas" in Bezug auf Walter Lübcke vor hatte, dieser jedoch davon ausging, dass damit etwa das Beschmieren einer Hauswand gemeint war. In eine konkrete Tatplanung sei H. nicht eingebunden gewesen.